„Wir wollen Menschen mit unserer Spielfreude anstecken“ – CAFÉ DRECHSLER im mica-Interview

Nach rund zehn Jahren Pause haben CAFÉ DRECHSLER mit „and now… boogie!“ (Universal Music) ein neues Album live eingespielt. Im Gespräch mit Jürgen Plank erzählten ALEX DEUTSCH, ULI DRECHSLER und OLIVER STEGER, wie es zur Reunion gekommen ist, wohin sie nicht mehr touren würden und warum eines der Stücke auf der neuen CD „Fake News“ heißt.

Wer hat den Anstoß zur Reunion von Café Drechsler gegeben?

Oliver Steger: Vor zwei Jahren im Sommer habe ich das dringende Bedürfnis verspürt, die beiden anzuschreiben, denn ich hatte einfach wieder Lust, mit den beiden zu spielen. Es war auch ein bisschen aus Frustration, denn ich habe mit vielen Musikern versucht, zu spielen und ähnliche Sachen zu machen. Dabei hat mir das Selbstverständnis gefehlt, das in dieser Band da ist – und abgesehen davon war auch menschlich das Bedürfnis da, wieder Kontakt aufzunehmen. Wir haben uns zu einem Abendessen getroffen, ein halbes Jahr danach haben wir bereits ein erstes Konzert im Porgy & Bess bestritten. Das war für jeden ein schönes Erlebnis und seitdem sind wir wieder auf der Piste.

Wie waren die nächsten Schritte bis zum neuen Album? 

Uli Drechsler: Im Dezember 2016 haben wir beschlossen, das Album zu machen, und sehr schnell kam der Kontakt zu unserer alten Plattenfirma, zu Universal. Im März waren wir dann so weit, mit der Produktion des Albums zu starten. Und in den letzten zwei Monaten haben wir in Rekordzeit die Produktion inklusive Grafik, Promo, Video etc. aus dem Boden gestampft. Es hieß einfach: „Wann soll das Album erscheinen?“ „Vor dem Sommer.“ „Das ist ein bisschen Zeitstress, aber das schaffen wir schon.“ Und so war es dann auch.

„Wir arbeiten improvisierend und gehen ohne Plan, ohne Setlist und ohne fixe Stücke auf die Bühne und legen los“

Waren die Stücke letztes Jahr im Dezember schon da oder haben Sie frisch begonnen, an neuen Stücken zu arbeiten? 

Alex Deutsch: Die wunderbare Eigenschaft des Café Drechslers ist, dass wir keine Stücke spielen und auch keine Stücke haben. Wir arbeiten improvisierend und gehen ohne Plan, ohne Setlist und ohne fixe Stücke auf die Bühne und legen los. So gehen wir auch ins Studio, da kann man dann gewisse Dinge noch einmal machen, das kann man auf der Bühne nicht. 

Wie wird das Album live umgesetzt? 

Alex Deutsch: Auf die gleiche Weise. Das heißt, man wird das Album ziemlich sicher nie live hören.

Uli Drechsler: Ausschnitte vielleicht schon. 

Alex Deutsch: Vielleicht gibt es Zitate und Dinge, die an das Album erinnern. Aber wir haben nicht das Ziel, das Album live zu spielen. Das sind nicht wir.

Aber Sie müssen sich mit musikalischen Gästen auf Dinge geeinigt haben. Zum Beispiel mit dem beteiligten Rapper.

Alex Deutsch: Das ist FlowinImmO aus Bremen, der in Deutschland ein ziemlich bekannter Wortkünstler ist und mit dem wir in der Vergangenheit schon einige Sachen gemacht haben. Es hat sowohl mit ihm als auch mit Yasmo so funktioniert, dass wir unsere Aufnahmen gemacht haben, jeweils einen fertigen Vorschlag verschickt haben und sie gefragt haben, ob sie dazu einen Beitrag leisten wollen. Die beiden haben das ohne Vorgaben und ohne Einschränkungen gemacht. Das ist das, was man jetzt auf der CD hören kann.

Wie sind Sie auf Yasmo gekommen?

Oliver Steger: Die hat Alex zu uns gebracht. Wobei ich sagen muss, dass sie für mich auch kein Neuland war, denn der Bassist von Yasmo war ein Student von mir und ich kenne ihre Band recht gut und habe immer verfolgt, was die so machen. So hat es mir getaugt, dass Alex auf diese Idee gekommen ist, mit ihr zusammenzuarbeiten. Sie ist eine spannende Frau, die extrem coole Sachen macht. Es hat sie, glaube ich, auch interessiert und sie hat das super gemacht und ihre Kunst in ein fertiges Arrangement von uns eingesponnen. Das ist ein sehr guter Bogen geworden, sehr cool.

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Ist das Stück „Fake News“ ein Protestlied? 

Uli Drechsler: Es ist eine Bestandsaufnahme, sicher. Wobei das mit den „Fake News“ ist natürlich ein Modewort seit der Regierung Trump, in Wirklichkeit hat das schon früher begonnen, seit die Leute angefangen haben, E-Mails und SMS zu schreiben und weniger direkt miteinander kommunizieren. Das war der Ausgangspunkt dafür, dass der Mensch die direkte Kommunikation Stück für Stück verlernt hat. 

„Fake News“ heißt ein Stück, ein anderes heißt „Graffiti For Peace“. Wie kommen denn die Titel zustande? 

Oliver Steger: Das ist ähnlich wie beim Musikmachen. Wir haben entschieden, welche Stücke auf die CD kommen, und hören uns diese an. Jeder sagt dann aus dem Bauch heraus Stichwörter und Schlagwörter. Und dann entscheiden wir uns für den besten Titel, für den gemeinsamen Nenner.

Die Stücke sind meist instrumental – haben Sie mit den Liedtiteln versucht, so etwas wie eine Schlagzeile zu finden? 

Alex Deutsch: Das ist eine intuitive Geschichte. Vielleicht mehr eine Stimmung, ein nicht existierender Film zur Musik. 

Uli Drechsler: Eine schnelle, hochenergetische Nummer heißt nicht „Graffiti For Peace“.

Alex Deutsch: Das ist dann eher „Sugar Rush“.

Uli Drechsler: Genau. Es geht nicht um eine Aussage, sondern um das dabei entstehende Gefühl. 

Siebzehn Jahre sind seit der Bandgründung vergangen. Was treibt Sie weiter an?

Alex Deutsch: Indem wir nicht wie die alten Datteln in der Muppet-Show oben in der Loge sitzen und lamentieren, sondern genug Spielfreude, Lust, Laune und Spaß haben, auf der Bühne zu stehen, selbst etwas zu geben und Energie hinauszuschicken. Wir wollen Menschen mit unserer Spielfreude anstecken.

Sie haben im Vorgespräch erzählt, dass Sie in der ersten Bandphase – so würde ich das nennen – in weit entfernten Ländern auf Tour waren. Ist das auch nun wieder geplant?

Alex Deutsch: In der allerersten Bandphase haben wir in jedem Beisl gespielt, das uns spielen hat lassen. Das war die erste Phase. Bis zu dem Punkt, an dem vor der Tür so viele Leute gestanden sind, wie im Lokal Platz gehabt haben. Dann ist „Universal“ zu uns gekommen und hat gesagt: „Es interessiert uns, warum draußen genauso viele Leute stehen, wie im Lokal drinnen sind. Es muss etwas Besonderes sein, was ihr da macht.“

Die internationale Seite ist die nächste Geschichte und ich persönlich hätte nichts dagegen, wenn das wieder so eine Dimension erreicht. Wie vieles lässt sich das aber schlecht planen. Man kann nicht sagen: „Das muss unbedingt sein.“ Das Entspannte am Älter- und Reiferwerden ist, dass gar nichts sein muss. Wir haben das Album gemacht und wollen wieder viel live spielen, das vereint uns alle drei. Ob das nun in New York, Moskau, Salzburg oder Warschau ist, ist mir völlig egal. 

Uli Drechsler: Geopolitisch gesehen ist die Welt kleiner geworden. Es gibt Länder, in die ich früher sehr gerne gefahren bin und in die ich heute mit Bauchweh fahren würde. Das ist zum Beispiel Mexiko.

Cafe Drechsler (c) Max Parovsky

„Drei wirkliche Typen gehen auf die Bühne und machen real things really good“

Alex Deutsch: Es gibt extrem viele aufgeputschte, aufgeblasene Sachen und ich glaube, es gibt eine Sehnsucht nach wahrhaftigen Dingen in der Musik. Wo es keinen doppelten Boden gibt, sondern drei wirkliche Typen auf die Bühne gehen und real things really good machen. Wir gehen einfach auf die Bühne und machen unsere Geschichte auf ehrliche Weise. 

Wie ergänzt sich das Artwork mit der Musik?

Alex Deutsch: Es haben dieselben Typen unser Cover gemacht, die bisher alle Covers gemacht haben. „Lichtwitz“ haben natürlich auch eine Entwicklung durchgemacht und auch zehn Jahre Abstand zum letzten Album. Die haben ein Gespür für unsere Musik und da gibt es ein Verständnis dafür, was wir machen.

Uli Drechsler: Für die Fotos hat sich mein Friseur, mein Barbier, im 6. Wiener Gemeindebezirk angeboten. Da kommt man hinein und ist in einer anderen Welt. Das hat perfekt zu uns und unserer Art des Musikmachens gepasst.

Alex Deutsch: Max Parovsky hat uns dort fotografiert.

Uli Drechsler: Wir leben in einer Plastikwelt und jeder sehnt sich nach Authentizität – und so ist dieser Laden. Jeder sehnt sich nach Wahrhaftigkeit, Nachhaltigkeit und wahrhaften Werten.

Was wäre ein nachhaltiger Weg für das neue Album? 

Oliver Steger: Ich wünsche mir, dass es gut funktioniert. Dass es vom Publikum und von den Medien die Offenheit gibt, die die Musik verdient. Und dass wir viele Gelegenheiten haben, unsere Kunst zu zeigen. Dass wir vielleicht junge Musikerinnen und Musiker dazu inspirieren, ähnliche Dinge zu machen. Dass es keimt und dass vielleicht die Idee zu musizieren wächst. 

Alex Deutsch: Das Album mussten wir in sehr kurzer Zeit machen. Das ist aber unglaublich gut geflutscht, fast wie nebenbei. Ich glaube an diese Energie, wenn etwas fast wie selbstverständlich an seinen Platz fällt. An diesen move glaube ich und ich freue mich auf alles, was mit dieser Energie noch kommt. 

Wer hat sich fürs Coverbild rasieren lassen?

Alex Deutsch: Wir wurden alle drei rasiert, aber ich habe es auf das Cover geschafft. 

Oliver Steger: Er hat den schönsten Hals [lacht].

Vielen Dank für das Gespräch.

Jürgen Plank

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