„Wir tanzen auf den verschiedensten Kirtagen“ – VERENA DÜRR (BIS EINE HEULT) im mica-Interview

BIS EINE HEULT ist das Singer-Songwriter-Projekt der Medienkünstlerinnen VERENA DÜRR und ULLA RAUTER. Zurzeit arbeiten sie an ihrem neuen Album, das Ende des Jahres erscheinen soll. Eva Puchner sprach mit VERENA DÜRR unter anderem über ihre neuen Songs, den lustigen Bandnamen und das Musikmachen in einer immer noch männlich dominierten Musikbranche.

Können Sie uns schon etwas zu Ihrem neuen Album verraten?

Verena Dürr: Unser erstes Album („Bis eine heult“, Vertrieb: Hoanzl) haben wir zu zweit gemacht. Am neuen Album arbeitet Klemens Wihlidal mit, der derzeit auch mit uns als Bassist auf der Bühne steht. Dadurch hat sich auch die Arbeitsstruktur verändert. Früher sind wir am Computer gesessen und haben Elektronikbasteleien gemacht. Jetzt sind wir schon mehr eine Band, sitzen viel zusammen, proben und schauen, was funktioniert. Das neue Album wird weniger elektronisch verspielt, vermute ich mal. Die Texte sind aber wie immer sehr dicht und bildhaft.

„Früher sind wir am Computer gesessen und haben Elektronikbastelein gemacht. Jetzt sind wir schon mehr eine Band, sitzen viel zusammen, proben und schauen was funktioniert“

Und die Texte? Haben die sich verändert?

Verena Dürr: Bis eine heult, das sind ja schon vor allem Ulla und ich. Im Schreibprozess sind wir nach wie vor zu zweit. Die Texte bleiben sehr poetisch. Natürlich, Welt und Lebenswelten ändern sich und somit auch unsere Lieder und die Geschichten,  die wir in ihnen erzählen. Allerdings würde es mir schon gefallen, wenn  man manche unserer Stücke irgendwann mit dem Prädikat: „zeitlos“ adeln würde. Aber das wird sich wohl über die Jahre noch weisen.

Welche Themen werden in Ihrem neuen Album behandelt? 

Verena Dürr: Kunstvernissagen und Katzengestalten, melancholische Aktricen. Ältere Damen im Kaffeehaus mit faunischen Gelüsten, Hannah Arendt auf Urlaub und Weltuntergangswalzer…
Ich sag immer „bunte Hündin“ zu uns. Wir sammeln an. Wir brauchen eher lange. Die Lieder sind uns dann schon mal hinten nach oder aber eben auch ein bisschen voraus.

Gibt es schon einen Titel für das Album?

Verena Dürr: Das lassen wir noch auf uns zukommen. Eine der Nummern heißt „Schwester“ – so derzeit der Arbeitstitel. Ich könnte mich mit dem Titel anfreunden, aber darüber muss ich mit meiner „Schwester im Geiste“ noch ein wenig grübeln. Ich lasse mich da noch auf nichts festnageln. [lacht]

In welches Genre ist Ihre Musik einzuordnen? 

Verena Dürr: Es wird wohl wieder eine Mischung aus Chanson und Spoken Word. Wir haben einen Erotikschlager dabei, Walzer, ein bisschen Hip Hop und prosaische Parlandi. Die Elektronik ist diesmal reduzierter, dafür vielleicht gibt es mehr Gastauftritte von befreundeten Musikerinnen und Musikern.  Wir sagen jedenfalls Poesiepop dazu.

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Wie entstehen die Songs? 

Verena Dürr: Am Anfang steht eine musikalische Skizze von Ulla oder mir. Dann spielen wir uns zusammen und wenn dann die ersten Tränen fließen, wissen wir, dass der Song fertig ist. [lacht]

„Bis eine heult“. Wie sind Sie auf diesen lustigen Bandnamen gekommen? 

Verena Dürr: Eine Lebensweisheit. Man spielt sich solange, bis eine heult. Wenn man jünger ist mit viel Herz und Pathos. Jetzt nehmen wir die Dinge schon mehr mit Humor. Aber Pathos und Ironie sind ja Artverwandte und da passt der Name immer noch. Außerdem steckt ja noch das hündische oder das wölfische Heulen darin – die Stimme erheben und ein Ausdruck von Kraft und Befreiung.

„Von der Klangkunst und Literatur flankiert, treffen wir uns in der Mitte bei der Popmusik“

Sie sind beide noch in anderen Kunstsparten verortet. Wie geht sich das alles aus? 

Verena Dürr: Ja, wir sind schon Tausendsasserinnen! Wir haben beide noch Karrieren in Kunst und Literatur. Jetzt machen wir das alles ja schon recht lange und können das ganz gut vereinen. Aber es ist schon eine andere Art des Arbeitens. Ulla ist Klangkünstlerin und hat immer wieder große Klangkunstausstellungen im Kontext der bildenden Kunst. Und ich bin Autorin, mache Hörstücke und schreib gerade an meinem  ersten Roman. Von der Klangkunst und Literatur flankiert, treffen wir uns in der Mitte bei der Popmusik.
Wir sind nicht auf einer einzigen Karriereleiter unterwegs, sondern tanzen auf den verschiedensten Kirtagen. Ich finde das auch nicht so schlecht. Es braucht zwar alles ein bisschen mehr Zeit aber steter Tropfen höhlt den Stein.

Haben Sie zwischendurch daran gedacht aufzuhören? 

Verena Dürr: Wir hatten immer wieder Pausen, größere andere Projekte. Ulla hat ein Kind – das ist quasi auch ein Projekt. Zwischen durch wird mir manchmal das Geld knapp, dann muss ich mich wieder einem Brotjob widmen.
Natürlich macht man parallel dazu schon immer Musik, aber um ein Album fertig zustellen braucht es einfach Zeit und Konzentration und die nehmen wir uns dann in Etappen. Es ist nicht immer unkompliziert, aber wir haben da unseren Workflow gefunden.

Sind Sie eine Frauenband?

Verena Dürr: Ich würde sagen, wir sind ein Frauenduo, das Musik macht, arbeiten aber auch mit dem anderen Geschlecht zusammen. [lacht] Da wir aus unseren Lebenswelten erzählen, bringen wir sicher eine weibliche Singer-Songwriting-Perspektive ein und in unseren Liedern tauchen auch immer wieder exzentrische und eigenwillige Frauenfiguren auf. Die Musikszene ist schon immer noch männlich dominiert. Das ist uns bewusst, daher ist es vielleicht ganz gut, sich – im Sinne der Vorbildwirkung – als „Frauenband“ zu deklarieren. Wir sehen uns schon klar in einer feministischen Tradition.

Wo macht es sich am meisten bemerkbar, dass der Betrieb noch immer sehr männlich dominiert ist?  

Verena Dürr: Im Line-up von diversen Konzerten oder man muss sich nur den Amadeusaward anschauen. Da gibt es einen Mangel an weiblichen Positionen. Ich glaube aber, dass sich das in den nächsten Jahren ändern wird. Ich kenne mittlerweile viele tolle Musikerinnen, die einige Jahre jünger sind und genug Selbstvertrauen haben, um sich für eine musikalische Karriere zu entscheiden. Hinzu kommen Initiativen, wie zum Beispiel das Girlsrockcamp, wo sich Mädchen und junge Frauen zum Musikmachen treffen. Aus solchen weiblichen Netzwerken kommt diesbezüglich viel frischer Wind. 

„… man muss sich nur den Amadeusaward anschauen. Da gibt es einen Mangel an weiblichen Positionen

Sie sind vor kurzem Support für Nino aus Wien in der Arena gewesen. Wie war diese Erfahrung?  

Verena Dürr: Da standen wir vor unserem bisher größtem Publikum. Der Nino hat uns vor ein paar Jahren mal live beim Singer-Song-Writer-Circus von Clara Blume gehört und sich uns gemerkt. Irgendwann trafen wir uns zufällig und da hat er gefragt, ob wir für ihn Support spielen wollen und wir haben natürlich „jaja!“ gesagt. Es ist schon sehr fein auf einer großen Bühne, mit guter Anlage, großem Publikum und feinster Beleuchtung zu spielen.
In einem professionellen Rahmen wie dem der Arena, fühlt man sich schon sehr aufgehoben. Auch wenn wir die Vorband waren, arbeiten dort alle an einem gemeinsamen runden Abend. Wir waren super betreut und der Auftritt war uns dementsprechend ein Genuss. Natürlich lieben wir auch die Konzerte in kleinen Beiseln über rauschige Anlagen, die wir vorher selber aufbauen und dann die, die am nächsten am Mischpult sitzen, bitten, uns ein bisschen abzumischen. Aber man kann sich schon noch einmal ganz anders auf das Kunstschaffen konzentrieren, wenn die Technik gut ist und einem die Rund-um-Organisation abgenommen wird. Das ist der Luxus, den ein gewisser Erfolg mit sich bringt.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Eva Puchner

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