“Wir suchen nach traditionellen Musiken aus anderen Ländern” – FEDERSPIEL im mica Interview

FEDERSPIEL liefern auf ihrem auf ihrem neuen Album „Smaragd“ (col legno) den großen weltmusikalischen Entwurf ab. Von der österreichischen Volksmusik aus begibt sich die siebenköpfige niederösterreichische Formation auf eine Klangreise, die auf faszinierende Weise rund um den Globus führt. SIMON ZÖCHBAUER und FRÉDÉRIC ALVARADO-DUPUY sprachen mit Michael Ternai über die ständige Suche nach traditionellen Musiken, die konfliktfreie Art, wie im Ensemble die Stücke entstehen, und die Entwicklung, die FEDERSPIEL in den letzten Jahren genommen hat.

Sie haben mit Federspiel vor zwölf Jahren als eigentlich rein österreichische Volksmusikgruppe begonnen. Heute gehören Sie zu den aufregendsten und international erfolgreichsten Formationen der österreichischen Weltmusikszene, die ihre musikalischen Einflüsse und Inspirationen aus allen Ecken der Welt bezieht. Wie und wann ist es dazu gekommen, dass Sie sich im Laufe der Zeit mehr und mehr von der reinen traditionellen österreichischen Volksmusik entfernt haben?

Simon Zöchbauer: Wir haben als traditionelle österreichische Musikgruppe begonnen. Warum wir dann mehr und mehr eine weltmusikalische Richtung eingeschlagen haben, hat viel mit Rudi Pietsch zu tun. Rudi Pietsch ist eine Art österreichischer Volksmusikpapst, bei dem wir damals einige Kurse absolviert haben. Über ihn sind wir in das Umfeld des Weltmusikfestivals Glatt&Verkehrt hineingekommen, was für uns, denke ich, entscheidend war. Dort haben wir die vielen Musiken anderer Länder kennengelernt, was für uns eine große Inspiration war. Wir haben viel aufgesogen, was letztendlich dazu geführt hat, dass sich auch unser Sound im Stil nach und nach erweitert hat. Und das tun wir auch heute noch. Wir suchen nach traditionellen Musiken aus anderen Ländern.

Frédéric Alvarado-Dupuy: Was aber für uns immer wichtig war und auch immer noch ist, ist, dass wir – auch wenn wir uns von so vielen Seiten, von so vielen verschiedenen Musiken inspirieren lassen – trotzdem immer versuchen, all diese Dinge in unserer musikalischen Form, in unserer musikalischen Sprache auszudrücken. Wir wollen wirklich etwas Eigenes machen und nicht irgendein beliebiges World-Music-Crossover-Ding.

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Was macht Federspiel musikalisch aus? Was macht die Band unterscheidbar?

Simon Zöchbauer: Albert Hosp hat unsere CD ja in seiner Sendung auf Ö1 vorgestellt und gemeint, was er an „Smaragd“ schön und erfrischend gefunden habe und was uns auch ausmache, sei, dass wir unsere Stücke zum überwiegenden Teil selbst komponieren.

„Wir waren interessiert daran, was man aus unserer instrumentalen Besetzung alles herausholen kann.“

War eigentlich von Anfang an klar, als reine Blechbläsergruppe aufzutreten? Oder hat es auch einmal Überlegungen gegeben, die Besetzung auch um andere Instrumente zu erweitern?

Frédéric Alvarado-Dupuy: Eigentlich sind wir ja keine reine Blechbläsergruppe, da wir eben eine Klarinette dabei haben. Das unterscheidet uns schon von anderen Formationen, die sich nur auf Blech beschränken. Die Entscheidung, eine reine Bläsercombo zu bleiben, haben wir schon sehr früh ganz bewusst getroffen. Wir waren interessiert daran, was man aus unserer instrumentalen Besetzung alles herausholen kann. Und daran hat sich bis heute eigentlich nichts geändert.
Wir hatten zum Beispiel einmal ein mexikanisches Stück in unserem Programm, das in seinem Klang sehr von Gitarren und Geigen geprägt war. Mit Blech hatte es überhaupt nichts zu tun. Natürlich hätten wir bei der Umsetzung auch zu einer Gitarre greifen können, aber wir taten es nicht. Ganz einfach, weil wir den Anspruch haben, mit solchen Stücken auf unsere Art umzugehen, also sie in unseren monochromen Bläsersound zu übersetzen. Es gibt natürlich hin und wieder Sachen, wie etwa ein Minisynth, die zum Einsatz kommen und einen interessanten Gegenpol bilden. Aber die Grundbesetzung wird niemals infrage gestellt.

Simon Zöchbauer: Es stellt sich natürlich immer auch die Frage, wie lange man die Beschränkung durch die Instrumente beziehungsweise den Rahmen, den man sich selbst gesteckt hat, aushält. Wie lange hält man es aus, in den Grenzen zu arbeiten, bevor man dann wirklich etwas Neues hinzunimmt? Ich denke, wenn man sich so intensiv mit dem eigenen Instrument auseinandersetzt, viel versucht und experimentiert, gewinnt die ganze Sache auch mehr Tiefe und Profil.
Wir haben zum Beispiel ein Stück von mir, bei dem wir am Anfang über den Trompetentrichter streichen. Das hätten wir, um vielleicht einen noch schöneren Klang zu bekommen, mit Klangschalen machen können. Aber ich finde es einfach reizvoller und interessanter, so etwas mit dem eigenen Instrument zu schaffen.

Bild Federspiel
Federspiel (c) Maria Frodl

Wie lange haben Sie eigentlich an „Smaragd“ gearbeitet?

Frédéric Alvarado-Dupuy: Zu komponieren haben wir eigentlich schon vor gut zwei, zweieinhalb Jahren begonnen. Der Produktionsprozess vom Planen bis zum Aufnehmen hat im Juni begonnen. Aufgenommen haben wir im Weinviertel – in diesem schönen, alten Konzertsaal in Ziersdorf. Im August waren wir dann fertig und das Album ging in die Postproduktion. Und das war dann noch einmal ein sehr spannender Prozess, da wir uns  auch im Vorfeld vorgenommen haben, uns bei dieser Produktion mehr Zeit zu nehmen für’s Ausprobieren und Herumtüfteln. Denn wir sind bei der CD im Grunde genommen wirklich zum ersten Mal mit der Frage in einen Aufnahmeprozess hineingegangen, wie unsere Musik speziell auf einem Tonträger klingen kann. Bisher stand für uns vorwiegend das Livespielen im Fokus. Wir haben für Konzerte geprobt, für Programmpremieren und so weiter. Wir haben unsere Stücke so geschrieben, dass sie auch auf der Bühne funktionieren. Jetzt haben wir begonnen, uns erstmals noch intensiver damit zu befassen, wie man unsere Musik optimal auf einem Tonträger umsetzen kann. Wir haben wirklich viel Zeit aufgewendet, um den für uns richtigen Aufnahmeraum zu finden, haben den Mozartsaal ausprobiert und waren auch im RadioKulturhaus. Wir haben uns viel mit Dingen wie Mikrofonierung und Mischen auseinandergesetzt und so weiter. Das sind sicher Dinge, mit denen wir uns auch weiter sehr intensiv beschäftigen werden.

„Smaragd“ ist musikalisch sehr abwechslungsreich und vielschichtig. Man hört, dass an den Stücken sehr intensiv gearbeitet wurde. Wann ist bei Ihnen der Punkt erreicht, an dem Sie sagen: „So jetzt ist das Stück fertig“?

„Erst wenn sich ein Stück für uns alle rund, stimmig und schlüssig anfühlt, dann ist es auch fertig.“

Simon Zöchbauer: Das ist eine ganz spannende Sache. Es beginnt mit einer Komposition. Einer aus der Band schreibt ein Stück und präsentiert es den anderen. Und dann fängt die eigentliche Arbeit, der eigentliche Prozess an, in dem das Stück vom Kopf der einen Person über das Papier in die Gruppe wandert. Und das ist meist ein längerer Prozess, in dem noch viele kleinere und größere Sachen so lange verändert werden, bis sich das Gefühl einstellt, dass das Ding rund ist. Das ist für uns der entscheidende Indikator. Erst wenn, sich das Stück für uns alle rund, stimmig und schlüssig anfühlt, dann ist es auch fertig. Und bis es wirklich so weit ist, kann es Wochen und Monate dauern.  

Und verläuft dieser Prozess ganz ohne Konflikte ab?

Frédéric Alvarado-Dupuy: Erstaunlicherweise gibt es in diesem Bereich bei uns am wenigsten Diskussionen. Wir diskutieren sehr viel und haben auch eine sehr ausgeprägte Diskurskultur [lacht], aber nicht unbedingt im Musikalischen. Da sind wir uns eigentlich immer ziemlich schnell ziemlich einig. Es kommt eigentlich selten vor, dass wir wirklich lange herumdiskutieren. Bei uns herrscht doch ein großer musikalischer Konsens.

Ein Blick zurück. Ab welchem Zeitpunkt haben Sie eigentlich das Gefühl gehabt, dass Federspiel größer ist?

Frédéric Alvarado-Dupuy: Ich würde sagen, dass das ziemlich kontinuierlich gewachsen ist. Natürlich hat es die Schlüsselmomente gegeben, die uns bewusst gemacht haben, dass mit Federspiel da wirklich etwas passiert. Unser erstes Konzert im Wiener Musikverein 2010 zum Beispiel ein solcher. Wir standen da plötzlich wirklich auf der großen Bühne, was uns dazu veranlasste, uns noch intensiver und konzentrierter vorzubereiten. Auch die ersten beiden CDs waren schöne Erlebnisse. Generell ist es Schritt für Schritt gegangen.

Haben Sie sich am Beginn eigentlich vorstellen können, wohin die Reise von Federspiel einmal gehen könnte?

Simon Zöchbauer: Es war mehr ein Traum. Eigentlich haben fast alle von uns – zumindest jene, die Musik studiert haben – einen Orchesterweg als Ziel gehabt. Auch mit der Vorstellung, dass ein solcher sicherer ist. Wir sind dann irgendwann einmal aber alle mehr oder weniger draufgekommen, dass wir diesen nicht gehen wollten. Federspiel lief damals – manchmal mehr, manchmal weniger – eigentlich immer irgendwie nebenher mit. Als wir unsere Studien dann fertig waren, war Federspiel dann auch schon relativ groß, sodass es eigentlich auf der Hand lag, mit der Band weiterzumachen. Wie Frédéric bereits gesagt hat, hat es immer wieder diese Schlüsselmomente gegeben, die uns stetig weiter nach vorne gebracht haben. Ein wichtiger war mit Sicherheit auch der Auftritt auf der WOMEX in Budapest 2015. Der hat uns nochmal richtig einen internationalen Schub gebracht.

Vielen Dank für das Gespräch.

Michael Ternai


Federspiel live

15.12. Musikverein, Wien (A)
17.12. Kirche Eichstätt, Eichstätt (D)

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