Am 13. November 2020 erscheint mit „Bis in der Früh“ (Crowd & Ryben) das vierte Album von WIENER BLOND. Das Duo bestehend aus VERENA DOUBLIER und SEBASTIAN RADON erzählte ITTA IVELLIO-VELLIN aus diesem Anlass von der neuen Platte, seiner musikalischen Entwicklung und warum es wurscht ist, ob man jetzt Austropop oder Wienerlied macht.
Wie geht’s euch, nach den letzten Tagen?
Verena Doublier: Keine Ahnung, schwierige Frage. Wir versuchen, einfach weiterzumachen, so wie alle. Ich hatte gestern am Schwedenplatz ein seltsames Erlebnis. Ich musste dort umsteigen. Und es ist ja ein Ort, der früher einmal mein Schulweg war. Ansonsten ist es einfach befremdlich. Ich habe mir auch keine Videos angesehen oder so. Es ist einfach nicht ganz real.
Seht ihr Wien jetzt in einem anderen Licht?
Sebastian Radon: Irgendwie war es klar, dass so etwas früher oder später näher bei uns passieren wird. Wien ist nun mal eine Weltstadt, so sehr man das manchmal verdrängt. Aber es macht auf alle Fälle jetzt ein bisschen nachdenklich. Mir fehlen einfach die Worte.
Verena Doublier: Es haben auf jeden Fall sehr viele Leute in den letzten Tagen unsere Songs angehört. Ich sehe das ja an den Zahlen. Und mir haben auch viele Leute auf Social Media geschrieben, dass unsere Songs ihnen Kraft geben. Diese Rolle ist ganz eigenartig für mich, weil es nicht wirklich was mit mir zu tun hat. Aber es ist doch schönes Feedback, in einer Zeit, in der man eigentlich kein Feedback bekommt. Im Grunde sind wir allerdings komplett unwichtig. Wir haben aber auf Social Media einen Solidarity-Post veröffentlicht, weil wir sagen wollten, dass es uns nahe geht und wir jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können.
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„ […] Woanders sind die Leute auch nicht besser!“
Mal abgesehen von den Ereignissen der letzten Tage, habt ihr Wien auch mal satt?
Verena Doublier: Jeden Tag [lacht].
Sebastian Radon: Bei mir ist es zwar nicht jeden Tag, aber oft. Meist so geblockt. Es staut sich dann so auf, dass ich irgendwann mindestens eine Woche wegmuss.
Verena Doublier: Ja, mein Problem ist dasselbe vieler Wiener: Wien geht einem halt so am Oasch, aber wegfahren geht einem auch am Oasch, weil woanders sind die Leute auch nicht besser. Deshalb will der Wiener sterben – das ist meine Theorie. So ganz versteh ich ja diese Liebe zum Tod nicht, aber so kann ich’s mir erklären!
Sebastian Radon: In diesem Jahr kann man vor allem eh nicht so weit wegfahren. Dadurch muss ich mich viel mehr mit der Stadt auseinandersetzen. Es gibt keine Fluchtmöglichkeit. Ich war noch nie so lang durchgehend in Wien.
Dabei setzt ihr euch eh schon sehr viel mit Wien in eurer Arbeit auseinander!
Sebastian Radon: Ja, eh. Aber jetzt so im täglichen Leben auch noch [lacht].
Apropos, was passiert, wenn ihr mal alle Facetten Wiens besungen habt? Was kommt dann, Wiener Neustadt?
Verena Doublier: Naja, wir singen ja nicht nur über Wien, sondern auch über das Nach-Wien-Fahren und das Aus-Wien-Wegfahren! [lacht]
Sebastian Radon: Beim neuen Album haben wir uns auch bemüht, nicht nur über Wien zu singen, sondern über Urbanität, Dinge des Alltags, aber eben nicht dezidiert Wien anzusingen – es könnte eigentlich jede Stadt sein.
Wie sehr vermisst ihr eigentlich das Live-Spielen?
Sebastian Radon: Sehr! Aber wir hatten schon öfter die Möglichkeit aufzutreten, zwischen den Lockdowns. Wir freuen uns aber natürlich, wenn das dann wieder mehr möglich ist. Wir planen viel für das Frühjahr, aber es ist noch völlig unklar, was dann passiert. Normalerweise sind wir auch ständig auf Tour. Zwar nicht zehn Tage am Stück, aber immer wieder, und das fällt jetzt weg.
Verena Doublier: Genau, und das ist halt jetzt auch der große Unterschied, das war einfach Teil unseres Alltags. Das ist jetzt schon ein sehr eigenartiges Gefühl. Es fühlt sich schon ein wenig nach Arbeitslosigkeit an.
Habt ihr dadurch Zeit für anderes, was sonst immer liegengeblieben ist?
Verena Doublier: Ja, schon. Aber es ist trotzdem ein Mangel da. Es ist nicht so, als würde man freie Zeit gewinnen, sondern eher, als würde man das, was einem auch viel Kraft und Aufwind bringt, verlieren.
Aber ihr hattet zumindest Zeit für das neue Album, „Bis in der Früh“.
Verena Doublier: Ja, wir haben uns wirklich Zeit genommen, und ich finde, man kann das hören. Wir sind nicht direkt von der Bühne ins Studio gehüpft und haben nicht einfach alles so gemacht, wie wir es sonst live machen. Wir hatten die Zeit, um uns auszuprobieren und eben ein Album zu machen – so oldschool halt. Die Reflexionen auf dem Album sind zwar viel aus dem „Davor“, aber einige Songs sind auch während der Zeit des ersten Lockdowns entstanden. Wir reflektieren da auf die letzten Jahre, aus einer Ruhe heraus.
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Ja, das hört man. Es ist ja auch etwas ganz anderes als das Projekt davor, „Endlich salonfähig!“ mit den Original Wiener Streichensemble.
Sebastian Radon: Auf alle Fälle. Das war tatsächlich ein Projekt. Oder ist es immer noch, wir treten immer noch gemeinsam auf. Aber mit dem Original Wiener Streichensemble spielen wir nur Nummern von den letzten zwei Alben, bzw. eigens dafür komponierte Lieder.
Verena Doublier: Wir treten ja jetzt auch mit Band auf! Marc Bruckner am Bass und Alexander Yannilos am Schlagzeug.
Das neue Album ist ja so ein bisschen ein neuer alter Stil, aber doch anders – seht ihr das als Weiterentwicklung, oder einfach eine neue Richtung? Wie passt „Endlich salonfähig!“ da hinein?
Sebastian Radon: Das Projekt mit dem Salonensemble steht einfach für sich. Das aktuelle Album schließt an unsere ersten zwei Studioalben an. Das sind wirklich wir zwei. Allerdings haben wir zum ersten Mal mit einem Produzenten zusammengearbeitet, der musikalisch seine Welt für uns geöffnet hat. Es ist also fast mehr ein Trio-Album.
„Uns war zum Beispiel sehr wichtig, dass das Beatboxing nicht verloren geht.“
Wie war da der Ablauf?
Sebastian Radon: Wir haben die Songs im Wohnzimmer aufgenommen, haben ihm diese Pre-Productions geschickt und er hat dann seinen Teil dazu getan. Uns war zum Beispiel sehr wichtig, dass das Beatboxing nicht verloren geht. Die Akustik-Gitarre ist auch wieder dabei. Was neu ist, sind die vielen Tasteninstrumente, weil Albin Janoska ein großartiger Tasteninstrumentalist ist.
Wie seid ihr zu Albin Janoska gekommen?
Sebastian Radon: Wir haben ihn auf der mdw kennengelernt – wir waren Studierende, er der Professor.
Verena Doublier: Noch dazu in einem Fach, in dem ich echt nicht gut bin, Gehörbildung! [lacht]
Zum Thema Genre: Austropop oder Wienerlied – ist euch die Einteilung überhaupt wichtig?
Verena Doublier: Nein!
Sebastian Radon: Um es zu vermarkten ist es natürlich wichtig. Die Leute denken nun einmal in Kategorien.
Verena Doublier: Wir wurden früh in eine Nische gesteckt, was eh irgendwie okay ist. Aber wenn man sich jetzt alle vier Alben anhört, decken wir schon eine ziemliche Bandbreite ab. So ein Label ist allerdings unvermeidbar. Das war auch eine Erkenntnis der ersten Alben. Wir haben tatsächlich ein bisschen dagegen gearbeitet und wollten eben ein Pop-Album produzieren. Und das haben wir jetzt. Und wir sind auch sehr zufrieden damit.
Die Frage nach künftigen Live-Auftritten ist zwar schwierig, aber was ist geplant?
Sebastian Radon: Im Dezember sind einige Shows geplant, die sind alle auf unserer Website aufgeführt. Die Albumpräsentation von „Bis in der Früh“ findet aber auf jeden Fall am 25. März 2021 im Globe Wien statt!
Vielen Dank für das Gespräch!
Itta Ivellio-Vellin