„Wir sind nicht die Filzmaier des Rap“ – KREIML & SAMURAI im mica-Interview

Dass sich österreichische Musik mit Mundarttexten gerade in einer Blütezeit befindet, ist wohl unbestreitbar. Die beiden Rapper KREIML & SAMURAI haben mit ihrem Song „Wiener“ vor zwei Jahren den Dünger dazu beigetragen. Der Song wurde zum Hit für die zwei Wiener, die mit ihrem neuen Langspieler „Auf olle 4re“ (erschienen auf Honigdachs) bereits bei ihrem vierten Album angelangt sind. Sie sind mit ihrem Mundartrap also nicht auf den Hype aufgesprungen, sondern waren seit Jahren an der Front. Für die aktuelle Platte haben sie sich den Produzenten BRENK SINATRA aus Kaisermühlen geangelt, der über die Grenzen Österreichs hinweg bereits seine wavigen Beats verteilte. Mit Benji Agostini sprachen KREIML & SAMURAI über die Zusammenarbeit mit BRENK SINATRA, ob sie wirklich Hochdeutsch erzogen wurden, wie viel Alltag in ihren Texten steckt und was ihr Einser-Menü beim Würstelstand ist.

Die Beats auf dem neuen Album kommen ausschließlich von Brenk Sinatra. Seid ihr an ihn herangetreten oder wie kam es zur Kollaboration?

Kreiml: Wir wollten etwas über seine Beats machen, wobei das nicht auf Albumlänge geplant war, sondern zuerst nur ein paar Tracks. Nach und nach hat es sich aber ergeben, dass wir gesagt haben, wir machen gleich ein Album aus einem Guss. Es war uns auch ein Anliegen, ein Album mit nur einem Produzenten zu machen, das einen durchgängigen Klang hat. Im Endeffekt sind wir also an ihn herangetreten.

„Brenk hat diese gewisse freshe, neue Würze in seinen Sachen und wir hatten darauf Bock, sie ins Schweinehund-Gulasch mitreinzubringen.“

Und warum habt ihr euch genau für ihn entschieden?

Kreiml: Weil wir seine Sachen immer schon gefeiert haben, er in seiner Musik – „Chop Shop” und so weiter – einen sehr wienerischen Kern hat und das Persönliche auch sofort gepasst hat.

Samurai: Die ersten Tracks, die von ihm kamen, haben uns motiviert, mehr mit ihm zu machen. Er ist wie eine Brücke zwischen Old und New School. Er hat auch diese gewisse freshe, neue Würze in seinen Sachen und wir hatten darauf Bock, sie ins Schweinehund-Gulasch mitreinzubringen.

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Habt ihr dabei eure Texte auf seine Beats abgestimmt oder lief es umgekehrt ab?

Kreiml: Sowohl als auch. Es standen bereits Texte von uns, damit hat er dann gearbeitet und wusste, in welche Richtung die Stimmung gehen wird und andererseits entstanden auch Tracks von Null auf, bei denen wir Beats von ihm ausgesucht haben.

Samurai: Es war eine sehr leiwande Zusammenarbeit, fast schon eine Symbiose. Jeder brachte seine Ideen ein, aber er hat das Soundbild geprägt. Anfangs haben wir noch mehr darüber gesprochen, aber ab ein paar Nummern, hat er schon gewusst, was er zu tun hat und hatte seine Vision für den Sound. Er wusste, mit wem er es zu tun hatte und hat seinen Stil an uns angepasst, denn wenn man seine Arbeit hört – zum Beispiel „Midnight Ride” -, ist er gerade mehr mit wavigen Sounds unterwegs. Früher kamen ja auch ganz straighte BoomBap-Beats von ihm und für uns hat er davon eine gute Mischung reingebracht und viel Fingerspitzengefühl gezeigt.

„Der Schweinehund spricht einfach Wienerisch und uns taugt Mundartrap.“

Man liest überall, dass ihr auf Hochdeutsch erzogen wurdet, stimmt das denn?

Samurai: Ja, ob man „erzogen” sagen kann, ist fraglich. Am Fußballplatz hat man damals nicht Hochdeutsch gesprochen und beim Heurigen meiner Oma im Waldviertel auch nicht. Meine Eltern haben sowohl Dialekt als auch Hochdeutsch gesprochen, sie wollten wahrscheinlich, dass ich nicht nur gschert daherrede, was ihnen nur teilweise geglückt ist. Aber die Geschichte, wonach wir Hochdeutsch erzogen wurden, hat sich eher aus einer Schlagzeile heraus entwickelt.

Kreiml: Mit meiner Mutter habe ich zuhause schon eher Hochdeutsch gesprochen, aber man kommt ja in Wien trotzdem viel mit Dialekt in Berührung. Man nimmt sprachlich von überall etwas mit.

Samurai: Der Schweinehund spricht einfach Wienerisch und uns taugt Mundartrap. Man muss nicht immer genau so reden wie man rappt, meiner Meinung nach.

Kreiml: Im Dialekt zu rappen, hat auch mehr zu dem Ganzen gepasst, was wir machen.

Bild Kreiml & Samurai
Kreiml & Samurai (c) Alex Dietrich

Man hört immer wieder Referenzen zu Linzer-HipHop in eueren Texten. Ist die Stahlstadt für euch ein Einfluss?

Kreiml: Definitiv. Tibor Foco (aka Kroko Jack, Anm.) und Markante Handlungen waren der erste wirklich leiwande Mundartrap, der uns zu Ohren gekommen ist und insofern sicher Einflüsse für uns. Die haben uns auch dazu gebracht, es in Mundart zu probieren.

Habt ihr auch Kontakt zur Linzer-Tonträger-Szene?

Kreiml: Sporadisch haben wir Kontakt zu Def Ill. Man kennt sich aber natürlich, die Szene in Österreich ist ja nicht sonderlich groß.

Samurai: Der Average ist jetzt auch in Wien und man sieht sich hin und wieder. Aber wir haben keinen intensiven Draht zu den Tonträgern. Linz hat den Mundartrap auf die Karte gebracht und da ist sehr viel Freshes gekommen, was uns auf jeden Fall beeinflusst hat.

Warum denkt ihr, dass in Österreich Musik mit Mundarttexten derzeit genreübergreifend so erfolgreich ist?

Kreiml: Vielleicht, weil eine Übersättigung von anderem Zeug da war. Wenn du es mit der Gastronomie vergleichst, wo alles nur noch Bobo und Hipster ist, suchen die Leute auch wieder ihre Tschocherl und Wirtshäuser. Vielleicht kann man das auch auf die Musik übertragen.

Samurai: Das kann man auch nur von Fall zu Fall bewerten. Der Voodoo Jürgens funktioniert wahrscheinlich aus anderen Gründen als Seiler und Speer. Dass es im Dialekt nicht so glatt ist, wirkt vielleicht ehrlicher beziehungsweise es hat nicht diesen Industriegeschmack, auch wenn es dann automatisch wieder dazu wird. Als wir damit begonnen haben, war ja der Hype noch nicht so da. Aber für uns ist das super, wenn andere Leute mit Musik in Mundart in Deutschland interessant werden.

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„Auf jeden Fall sieht man an den Spotify-Zahlen, dass Berlin und Hamburg unter den Top fünf in den Hörerzahlen liegen.“

Wie sind eure Erfahrungen in Deutschland bis jetzt?

Kreiml: Das werden wir sehen jetzt. In München und Baden-Württemberg haben wir schon gespielt. In Bayern ist die Sprachbarriere nicht so groß, darum ist es spannend, wie es weiter im Norden sein wird. Auf jeden Fall sieht man an den Spotify-Zahlen, dass Berlin und Hamburg unter den Top fünf in den Hörerzahlen liegen. Vielleicht leben dort viele Österreicher, vielleicht wurden uns aber auch die Türen in den letzten Jahren geöffnet und es geht nicht so sehr darum, dass jedes Wort verstanden wird, sondern welches Feeling vermittelt wird.

Mit „Wiener” hattet ihr einen ziemlichen Hit. Was hat das mit euch gemacht? Habt ihr Druck, den Erfolg zu wiederholen?

Kreiml: Druck in dem Sinn nicht. Wir waren positiv überrascht, dass die Nummer für unsere Verhältnisse so explodiert und dadurch andere Medien und ein anderes Publikum auf uns aufmerksam geworden ist. Aber wir hatten für „Auf olle 4re” keinen Druck, weil es klar war, dass wir nichts bedienen wollen, was sich die Leute erwarten.

Samurai: Druck macht man sich immer selber und ist ein schlechter Ratgeber. Gerade in kreativen Prozessen. Das kann nur in die Hose gehen, wenn man versucht an irgendetwas anzuknüpfen. Im Grunde kann man sagen, dass es Druck genommen hat, weil wir den Hit jetzt ja schon haben.

Kreiml: Peter Pacult hat einmal gesagt: „Druck hab ich, wenn ich am Heisl sitz.”

Bild Kreiml-Samurai
Kreiml & Samurai (c) Benji Agostini

„Es ist natürlich ein Problem, wenn man sagt, dass wir “österreichische” Musik machen und damit ein Lokalpatriotismus mitschwingt.“

Ihr deckt in euren Songs unter anderem von politischen Kommentaren, über Drogenkonsum bis zu klassischem Storytelling ziemlich viele Themenbereiche ab. Habt ihr beim Songwriting eine Art Checkliste oder kommen die Themen von alleine?

Samurai: Lustigerweise ergibt es sich so, dass wir eine gute Mischung an Themen haben, aber es ist Null Taktik dabei. Natürlich gibt es immer Einflüsse von außen. Jetzt sind wieder ein paar Sachen passiert, da hat es uns gejuckt auch wieder politische Sachen einzubringen, obwohl wir nicht glauben, die besten Politikexperten zu sein. Wir sind nicht die Filzmaier des Rap. Wir wollen die Leute nicht belehren, aber wir wollen Stellung beziehen. Es ist natürlich ein Problem, wenn man sagt, dass wir „österreichische” Musik machen und damit ein Lokalpatriotismus mitschwingt. Manche Leute können das so reininterpretieren und das muss man dementsprechend auch wieder rausinterpretieren.

Wien ist auch immer ein prominentes Thema bei euch. Einerseits schreibt ihr viele Songs über die Stadt, andererseits kommt sie dabei meist nicht gut weg. Ist das wahre Hassliebe?

Kreiml: Es ist nicht unser Zugang, unsere Stadt zu representen. Zumindest nicht in der Art, dass unsere Stadt die leiwandste ist. Wir leben natürlich sehr gerne hier, aber es ist ein zwiespältiges Verhältnis. Wenn man in der Stadt aufgewachsen ist, kennt man alle ihre Facetten. Und warum soll man die schlechten Seiten auslassen und nur das Positive schreiben?

Samurai: Eine Geschichte ist ja die Ambivalenz, dass Wien einerseits zur lebenswertesten Stadt gewählt wird und gleichzeitig zu einer der unfreundlichsten.

Kreiml: Wien kommt bei uns oft vor, weil wir in unseren Texten das verarbeiten, was uns beeinflusst. Und wenn man den Großteil seines Lebens hier ist, dann spiegelt sich das automatisch wider.

Samurai: Ich würde es weder positiv noch negativ sehen. Wir stellen Wien nicht absichtlich so dar, das macht sich die Hörerin und der Hörer selber. Unsere positivste Seite ist die Negativität.

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„So gut wie alles, was wir sagen, hat mal näher mal weiter gefasst einen Bezug zu uns.“

Drogen sind ein immer wiederkehrendes Motiv in euren Songs. Erzählt ihr dabei auch aus eurem Alltag oder soll das mehr ein Sinnbild für den Schweinehund sein?

Kreiml: Wir sind in der Hinsicht sicher keine Kinder von Traurigkeit und haben genug Erfahrungen damit gesammelt, aber wollen das auch nicht komplett glorifizieren. Es schwingt schon auch immer die Tristesse mit, die damit einher geht. Es ist natürlich aus dem Leben gegriffen, aber du siehst, dass wir immer noch gerade stehen können. So gut wie alles, was wir sagen, hat mal näher – mal weiter gefasst einen Bezug zu uns.

Samurai: Die Tristesse ist auf jeden Fall ein Thema. Es ist übertrieben dargestellt, aber wir sehen mittlerweile auch den Tag danach und dass das einen in den Abgrund führen kann. Ich kenne auch Leute, die daran gestorben sind und irgendwo bleiben die auch in einem drinnen.

Eine wichtige Frage zum Abschluss noch: Was ist euer Einser-Menü beim Wiaschtler?

Kreiml: Eitrige mit Buckl, Senf, Kren, Pfefferoni noch dazu und ein Bier. Relativ klassisch.

Samurai: Eigentlich auch. Manchmal auch eine Burenhaut, aber eine Eitrige mit Buckl ist schon das Beste. Da hast gleich einen Käse auch drinnen. Meistens stolpert man ja zum Würstelstand und ist schon in einem gewissen Zustand. Das ist das ein kompaktes Menü, in dem alles drinnen ist.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Benji Agostini

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Kreiml & Samurai live
28.02. PPC, Graz
29.02. Kulturhofkeller, Villach
05.03. Posthof, Linz
06.03. Warehouse, St. Pölten
12.03. Music Hall, Innsbruck
13.03. Carini Saal, Lustenau
14.03. Backstage, München
21.03. Gasometer, Wien
26.03. Club Stereo, Nürnberg
27.03. Soho Stage, Augsburg
03.04. Musik & Freiden, Berlin
04.04. Häkken, Hamburg

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Honigdachs