Sie sind nicht nur blond und aus Wien – sie porträtieren die musikalische Vielfalt einer Stadt, die sonst für ihre Unfreundlichkeit bekannt ist: In Kooperation mit dem Original Wiener Salonensemble stellen WIENER BLOND, bestehend aus Verena Doublier und Sebastian Radon, mit ihrem neuen gemeinsamen Album bereits zum zweiten Mal unter Beweis, wie gut die Kombi aus modernem Pop und Altwiener Salonmusik klingen kann. Am Studioalbum „Sinfonien im Souterrain“ (VÖ: 10.11.2023) besingt das Duo seine selbsternannten „Wohnzimmerfreuden“, die von Pandemie-Momenten bis hin zum Kaffeegenuss reichen. Katharina Reiffenstuhl traf WIENER BLOND im Café Schopenhauer und hat nachgefragt, wie das Leben nach über einem Jahrzehnt gemeinsamer Musik läuft.
Ihr habt euch im Studium kennengelernt, jetzt seid ihr ein Duo. Wie schnell habt ihr gemerkt, dass ihr musikalisch harmoniert?
Verena Doublier: Schnell. Wir haben angefangen, die ersten Lieder zu proben, und dann nicht mehr aufgehört. Das war vor zwölf Jahren.
Sebastian Radon: War eigentlich ein total denkwürdiger Moment. Muss man vielleicht mal verfilmen. Damals hat es sich nicht so besonders angefühlt, weil wir uns einfach getroffen und ein bisschen gejammt haben. Wir haben aber gleich gemerkt, dass gut funktioniert.
Habt ihr eine fixe Arbeitsteilung oder wird jeder Schritt gemeinsam gemacht?
Verena Doublier: Im Kreativen gibt es bei uns keine fixe Arbeitsteilung, weil da jeder einfach etwas einbringt. Aber wir sind ja inzwischen auch ein bisschen eine Firma, wir haben kein Label, wir haben kein Management. Wir haben nur eine Booking-Agentur, den Rest machen wir alleine. Das ist mittlerweile ein riesiger Haufen Arbeit – und da gibt es schon eine klare Arbeitsteilung.
Ihr singt viel über Kaffeehäuser.
Verena Doublier: Weil wir Süchtler sind.
Der Bräunerhof hat sogar ein eigenes Lied bekommen. Euer Lieblingscafé?
Sebastian Radon: Das ist eine ältere Geschichte. Als ich zu studieren begonnen habe, bin ich dort des Öfteren gelandet. Insofern ist dieses Lied an bisschen eine Reminiszenz an diese Zeit, an mein 20-jähriges Ich.
Verena Doublier: Und ich war vor drei Wochen das erste Mal dort. [lacht]
Und wie hat’s dir gefallen?
Verena Doublier: Es ist genauso, wie man es sich vorstellt.
Sebastian Radon: Es hat sich auch seit damals nicht verändert, vermutlich seit den 70ern nicht.
Verena Doublier: Es gibt leckere Torten und unfreundliche Kellner. Es ist einfach wunderbar Wien.
„WIEN IST DAS SCHÖNSTE ZUHAUSE, DAS ABER AUCH EXTREM NERVIG SEIN KANN“
Was ist Wien für euch?
Sebastian Radon: Wien ist das schönste Zuhause, das aber auch extrem nervig sein kann. Das ist diese Hassliebe, die wir verspüren. Wenn man länger weg ist, merkt man doch, man will eh wieder nachhause.
Verena Doublier: Für mich war Wien nicht nur ein Zuhause, sondern auch ein Sehnsuchtsort, weil ich in meiner Kindheit von meinen Eltern umgezogen “wurde”, nach Deutschland. Dort habe ich ein paar Jahre verbracht und Wien war für mich dann irgendwo die verlorene Heimat. Früher war das für mich gar nicht so relevant, aber heute glaube ich, dass meine Beziehung zu Wien davon sehr geprägt ist. In den letzten zehn Jahren hat sich das aber auch ziemlich normalisiert. Jetzt ist das für mich einfach ein schöner Ort, weil er so entspannt ist, und ein furchtbarer Ort, weil er so entspannt ist.
Spiegelt das Album eine ganz spezielle Beziehung zu Wiener Kaffeehäusern wider?
Verena Doublier: Die Idee bei dem Album ist ja ein bisschen dieser Rückzug in etwas – was auch immer dieses Etwas ist. Viele Lieder sind während der Pandemiezeit entstanden, wo man sich zwangsläufig zurückziehen musste. Ein Lied bezieht sich ja direkt darauf, der Abstandswalzer. Wir sagen immer, wir besingen Wohnzimmerfreuden. Und das Kaffeehaus ist für Wienerinnen und Wiener eine Art zweites Wohnzimmer, also passt das gut in dieses Bild des Rückzuges.
Was ist denn die Wohnzimmerfreude hinter Spanischen Radieschen?
Verena Doublier: Es ist schon ein Thema, mit dem man sich beschäftigen muss beim Einkaufen. Der Gedanke bei dem Song war einfach das Aufgreifen von einem gesellschaftlich aktuellen Thema. Da sind wir der Frage nachgegangen, was in der modernen Welt eine Klimasünde ist. Weil so banale Dinge gar nicht mehr so banal sind, in einer Welt, die sich sehr schnell verändert hat.
Sebastian Radon: Es hat auch viel mit der Einkaufsscham zu tun, genauso wie mit der Flugscham. Es ist die Frage, wie viel Verantwortung wird uns zuteil an der Klimakrise. Natürlich können wir alle was bewirken, aber wie viel bewirken wir wirklich, wenn wir statt den spanischen die österreichischen Radieschen kaufen?
Ihr habt beide interessante Hintergründe und Erfahrungen, was die Musik betrifft – Verena mit eigener Acappella-Gruppe, Sebastian unter anderem mit den Gumpoldskirchner Spatzen. Wie sehr haben euch diese Dinge geprägt?
Verena Doublier: Ich glaube, sehr wesentlich für meine musikalische Weiterentwicklung war, dass ich viel Zeit in der HipHop- und Beatbox-Szene verbracht habe. Diese Acappella-Band war in Wirklichkeit auch nicht dieses klassische Acappella, sondern sehr modern mit Techno, HipHop und Reggaeton. Dieser Einfluss, mit Acappella und Loops zu arbeiten, hat sich ja in die frühen Jahre von WIENER BLOND auch noch mit reingezogen.
Sebastian Radon: Für mich war diese Zeit im Kinderchor schon wahnsinnig prägend. Ich bin mit zehn Jahren auf den allergrößten Bühnen vor großem Publikum gestanden. Das war so surreal, ich habe das erst im Nachhinein gecheckt und verarbeiten können. Was mich aber dort wahnsinnig fasziniert hat, war diese Scheinwelt in der Staatsoper. Dass man auf einen Schnips in eine Welt eintaucht auf der Bühne, um das Publikum zu verzaubern. Ich glaube, diese Faszination ist geblieben – egal, ob man vor 50 oder vor 1000 Menschen spielt.
Die Zusammenarbeit mit dem Original Wiener Salonensemble gibt es schon seit ein paar Jahren, jetzt kommt euer zweites gemeinsames Album raus. Wie habt ihr zueinander gefunden?
Sebastian Radon: Die Anna Statzinger kennen wir beide über unterschiedliche Kanäle noch von früher. Anna und ihr Kompagnon Lukas Rath haben uns mal zu einem Termin eingeladen und hatten die Idee, unsere Musik zu arrangieren für ihr Ensemble. Wir sind da recht unbedarft ins Treffen reingegangen und es hat dann sehr schnell gefunkt. Seit 2016 arbeiten wir jetzt zusammen.
„ES IST MUSIKALISCH EIN GROßER SPAGAT, DEN WIR DA MACHEN MÜSSEN“
Bleibt ihr jetzt auf diesem klassischen Pfad oder gibt’s in Zukunft auch wieder Songs in ganz alter Manier?
Verena Doublier: Für uns ist das schon ein ganz spezielles Projekt. Es ist eine ganz eigene Sache, es ist ein eigener Stil. Natürlich hat sich unser Songwriting auch verändert, wir haben wirklich versucht, für die zu schreiben. Das letzte Album war ein Live-Album und da waren das unsere Songs, mit Streicherbegleitung untermalt. Jetzt waren wir im Studio und haben die Songs aufgenommen, bevor wir sie performt haben. Ich habe auch wirklich so komponiert, dass es eine schöne Symbiose haben kann. Es sind zwei musikalische Welten, die musikalische Welt von dem Salonensemble ist schon sehr weit entfernt von dem, was wir sonst machen. Wir sind in diesem Groove daheim, in der Zweistimmigkeit. Das Salonensemble spielt halt Salonmusik von vor 150 Jahren. Es ist musikalisch ein großer Spagat, den wir da machen müssen.
Sebastian Radon: Ich denke schon, dass die Kooperation auch weitergehen wird. Wie du sagst, wir haben jetzt mittlerweile ein paar Bands, die Band mit dem Original Wiener Salonensemble, uns gibts aber auch zu viert als Band, und uns als Duo natürlich auch nach wie vor. Das Schöne ist, dass wir all diese Dinge weiterverfolgen können. Die Kombi macht’s.
Verena Doublier: Absolut. Und das ist auch das Wichtige, wir machen das jetzt schon so lang, dass man sich da frischhalten kann. Manchmal gibt es Leute, mit denen man seit Längerem nichts gemacht hat, dann triffst du sie wieder und bist wieder in dieser Bubble.
Und ihr habt nie genug voneinander?
Verena Doublier: Sicher auch mal. Aber wir haben zum Glück ja unterschiedliche Wohnzimmer. [lacht]
Eure Musikvideos sind äußerst kreativ, kurzes Kompliment an der Stelle. Wär Schauspiel auch was für euch?
Verena Doublier: Die Frage reiche ich an meinen Kollegen hier weiter, der ist Schauspieler.
Sebastian Radon: Ich habe in der Vergangenheit immer wieder schauspielerische Projekte gehabt. Jetzt geht es sich zeitlich nicht mehr gut aus. Ich bin kein professioneller Schauspieler, ich habe keine Ausbildung dafür. Aber das ist definitiv eine Leidenschaft von mir.
Noch eine ganz wichtige Frage zum Abschluss: Weihnachten lieber in Wien oder im Dorf?
Sebastian Radon: Oh, sehr schöne Frage.
Verena Doublier: Am liebsten gar nicht. [lacht]
Sebastian Radon: Das ist tatsächlich die Geschichte dahinter. Verena ist jetzt nicht so der Weihnachtsfan – und dann ist sie mit dem schönsten Weihnachtslied des Jahrhunderts aufgetaucht und hat gemeint “Na schreib doch auch eine Strophe dazu”. Habe ich mir gedacht, “Passt, Weihnachten in Wien, schreibe ich auch eine Strophe dazu”. Dann bin ich draufgekommen, ich habe Weihnachten noch nie in Wien verbracht. Aber heuer, zum ersten Mal: Weihnachten in Wien.
Verena Doublier: Mein schönstes Weihnachten stell ich mir so vor, dass ich mal irgendwo bin, wo niemand weiß, was Weihnachten ist. Und dort trinke ich dann türkischen Kaffee oder so. Das ist der Plan.
Ich hoffe, das geht in Erfüllung. Ich sag Dankeschön!
Katharina Reiffenstuhl
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Albumpräsentation:
11. & 12.12.2023, Stadtsaal Wien
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