Die SEX JAMS haben in den letzten sieben Jahren einiges durchgemacht. Sie haben nicht nur drei Alben produziert und erfolgreich herausgebracht, sondern auf jeder dieser drei Platten ein neues Kapitel aufgeschlagen. „Post Teenage Shine“ war rau, roh und wild, „Trouble, Honey“ ruhiger, humorvoller und „Catch!“ schließt den Kreis, indem wieder diese rohe Energie vom Anfang zitiert wird, aber auf eine reifere Art. Warum das neue Album so kraftvoll geworden ist und „Zehn Schilling“ wohl das emotionalste Lied ist, erzählte Sängerin KATARINA TRENK im Gespräch mit Anne-Marie Darok.
Sie haben sich 2008 zusammengefunden. Wie ist das, seit sieben Jahren zusammenzuarbeiten? Ich kann mir vorstellen, dass immer ein bisschen größeres Konfliktpotenzial da ist, wenn es um eine kreative Arbeit geht und da die Meinungen aneinandergeraten.
Katie Trenk: Die Zeit verging irrsinnig schnell, speziell nach „Trouble, Honey“, als wir viel getourt sind. Die Konflikte sind weniger geworden, weil wir uns nach sieben Jahren aufeinander eingestellt haben und mittlerweile schon wissen, wie der jeweils andere tickt. Aber wilde Diskussionen sind für uns auch die treibende Kraft, um an unserer Musik zu arbeiten. Wir sind gewachsen und haben uns sehr verändert, gemeinsam weiterentwickelt in der Zeit. Das hört man dann auch raus.
Ich finde, dass Ihr neues Album „Catch!“ Ihrem Debüt sehr viel ähnlicher ist als „Trouble, Honey“. Wie ist es dazu gekommen, dass „Catch!“ so unbändig kraftvoll geworden ist? Kommt da die ganze aufgestaute Energie vom letzten Album zum Vorschein?
Katie Trenk: Nach den vielen Touren mit „Trouble, Honey“ hatten wir alle das Gefühl, dass wir es bisher noch nicht geschafft haben, unsere Live-Energie auf eine Platte zu pressen. Dieser Gedanke war in unseren Köpfen, als wir begonnen haben die Songs zu schreiben. Wir haben das Album im Studio deshalb größtenteils live eingespielt, und dadurch haben sich eine eigene Kraft und Dynamik entwickelt, auf die wir dann bewusst keinen Einfluss genommen haben. Wir haben viel passieren lassen und das war sehr spannend für uns und gut für „Catch!“. „Sweet Advice“, unsere erste Single, war auch unser erstes Lied, als wir mit dem Schreiben am neuen Album begonnen haben. Das ist die Mutter aller Songs auf „Catch!“.
„Druck von außen gab es keinen, aber natürlich wollten wir das Beste aus den letzten Jahren Sex Jams herausholen.“
Haben Sie das Gefühl gehabt, dass nach „Trouble, Honey“ ein größerer Druck auf Ihnen lastet, wieder ein „gutes“ Album herauszubringen?
Katie Trenk: Druck von außen gab es keinen, aber natürlich wollten wir das Beste aus den letzten Jahren Sex Jams herausholen, und dabei wurde „Catch!“ geboren. Wir waren auch das erste Mal eine ganze Woche gemeinsam im Studio, also ohne am Abend oder zwischen den Brotjobs ins Studio zu pendeln. Das hat uns und unserem Album auch die nötige Energie gegeben. Ich für meinen Teil habe mich noch nie so wohlgefühlt beim Aufnehmen.
Das Artwork ist bei den letzten beiden Alben richtig cool. Wie wichtig ist Ihnen die visuelle Seite der Musik, also Videos und Booklets?
Katie Trenk: Ohne passendes Artwork wäre es so, als hätte das Album keine Augen, die dich ansehen. Fast so, als würdest du jemanden zuhören, der keine Augen hat. Die visuelle Seite ist sehr wichtig für uns und gibt der Musik noch einen zusätzlichen Ausdruck.
Wer hat die zwei Covers für Sie gestaltet? Hatten Sie bestimmte Vorstellungen davon, wie diese aussehen sollten?
Katie Trenk: Das ist der geniale Künstler Björn Bjoern. Wir haben ihn damals, als wir mit „Post Teenage Shine“ unterwegs waren, kennengelernt und er hat einen kleinen Comic für uns gemacht. Später kamen auch noch von ihm designte T-Shirts dazu – und seither arbeiten wir eng zusammen. Er bekommt das Album und wir sein Feedback sowie Ideen, wie er sich vorstellt, ein Cover machen zu können. Dabei entsteht wieder eine neue Ebene, die sich aus dem künstlerischen Dialog ergibt.
„Die Welt war noch nie ein friedlicher Ort.“
Um auf ein ernsteres Thema zu kommen: Man kann nicht wirklich sagen, dass die Welt gerade ein friedlicher Ort ist. Die Flüchtlingskatastrophe betrifft plötzlich fast alle Europäerinnen und Europäer und es ist oft schwierig, als Privatperson mit der Situation umzugehen. Beeinflussen solche Ereignisse Ihre Arbeit als Band?
Katie Trenk: Die Welt war noch nie ein friedlicher Ort. Nur jetzt ist es für uns, die im friedlichen Schein leben, noch viel deutlicher und greifbarer als je zuvor, zumindest für meine Generation. Es wäre nicht möglich, das wegzudrängen.
Haben Sie das Gefühl, eine repräsentative Funktion einnehmen zu müssen, also sich für eine bestimmte Position entscheiden und diese vertreten zu müssen?
Katie Trenk: Wir bekommen gerade mit, wie sehr sich unsere Gesellschaft spaltet. Die einen, die sich bedroht und überfordert fühlen, und die anderen, die Menschen sehen und helfen, wo es nur geht. In einer Position wie unserer ist es uns auch wichtig, dass wir unsere Meinung öffentlich vertreten und die Tatsache nutzen, dass wir viele Menschen erreichen können. Es gibt hier in unseren Augen keine Entscheidung zu fällen, es geht um Menschen! Entscheide ich mich dafür, mich für das Leben unzähliger Menschen einzusetzen, oder dagegen? Eigentlich kann es da nur einen Weg geben, und zwar helfen. Für uns ist das ganz klar und logisch.
Das Lied „Zehn Schilling“ kommt mir sehr gesellschaftskritisch, aber gleichzeitig auch humorvoll vor. Ist das eine Kritik an der österreichischen Gesellschaft per se? Und hat es was mit der aktuellen Flüchtlingskatastrophe zu tun?
Katie Trenk: Es ist ein Lied, das ich, als ich noch im Dorfwirtshaus meiner Mutter in Ternitz gearbeitet habe, schrieb. Ich habe dort sehr viel verarbeitet. Es hat Anfang des Jahres schon diese Diskussionen bezüglich Flüchtlingen gegeben – und wie das halt so ist, kommen am Stammtisch diverse Meinungen zusammen. Ich musste mich viel aufregen und diskutieren. In den Strophen hört man raus, wie es sich anfühlt, mit dem konfrontiert zu werden, und was da so gesprochen wird. Es geht um Homophobie, Rassismus, Rechtspopulismus und Sexismus. So haben wir auch „The Code“ geschrieben, das das Thema Sexismus behandelt, so wie ich ihn erlebe. Und da singt auch ein Chor aus Freundinnen von mir mit.
Auf jeden Fall habe ich am Stammtisch Meinungen gehört, die ich nicht vertreten kann. Diese unfassbare Dummheit, dieses unüberlegte Wiedergeben von Schlagzeilen aus der Kronen Zeitung und diese Angst davor, es könnte einem alles genommen werden – damit wurde ich viel konfrontiert. Ich musste mich in diesem Song einfach austoben! Das Lied heißt „Zehn Schilling“, was eine Anlehnung an genau diese Menschen ist, die meinen, dass früher alles besser gewesen wäre. Die Musik ist humorvoll, denn ich wollte nicht, dass es nach dem typischen „Ich-reg-mich-auf-Punksong“ klingt. So ist eben auch eine Ziehharmonika dabei. Meine Worte und mein Zorn waren eigentlich hart genug, weswegen ich keine allzu wilde Untermalung brauchte. Ich wollte, dass man beim ersten Mal Hören einfach mitschunkeln kann, bis man endlich heraushört, was alles gesagt wird.
Es heißt auch: „Please remind me I‘ve got holes in my pockets but I am going straight to East Berlin.“ So auf die Art: „Ich habe zwar kein Geld, aber halte den Scheiß hier nicht mehr aus.“ Ostberlin habe ich gewählt, weil eine sehr gute Freundin vor Kurzem erst dorthin gezogen ist.
Seit ich wieder in Wien meinen Lebensmittelpunkt habe, ist mir auch stark aufgefallen, dass ich diesen Blödsinn hauptsächlich im Internet mitbekomme.
Ich muss aber auch dazusagen, dass nicht alle Menschen im Dorfwirtshaus so sind und diese Meinungen vertreten. Es gibt dort auch tolle und positive Ansichten und ich habe mich mit vielen dort gut verstanden. Speziell meine Mutter ist hier zu erwähnen, die in dem ganzen Wahnsinn einen klaren Kopf behält und immer wieder dagegenhält. Das finde ich bemerkenswert und macht mich sehr stolz.
Sie gehen in der nahen Zukunft auf Tour, wie bereiten Sie sich auf diese Reise vor?
Katie Trenk: Proben, proben, proben, dann abhängen, Ideen sammeln und schließlich in den Tourbus steigen!
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Anne-Marie Darok
Foto Sex Jams 1 (c) Lena Gold
Foto Sex Jams 2 (c) Sex Jams