„Wir sind einfach drei Typen, die im Trio ihre Mucke machen und Songs schreiben, die uns catchen“ – FLORIAN RITT (FOLKSHILFE) im mica-Interview

Mit „Mir laungts“ und „Hey Du“ zwei Radiohits auf Ö3 in Dauerrotation, der Gewinn des AMADEUS AUSTRIAN MUSIC AWARD als Songwriter des Jahres 2019 und als Draufgabe noch ein Auftritt als Co-Headliner auf der Hauptbühne des diesjährigen DONAUINSELFESTS vor 65.000 Leuten: Ja, man kann durchaus sagen, dass es FOLKSHILFE geschafft haben. Das Interessante dabei ist, dass PAUL SLAVICZEK, GABRIEL FRÖHLICH und FLORIAN RITT dies mit ihrem ganz eigenen, nicht wirklich den Mainstream-Regeln entsprechenden Sound bewerkstelligt haben. Mit „Sing“ (töchtersöhne) erscheint nun das dritte Album der oberösterreichischen Band. FLORAIN RITT sprach mit Michael Ternai über die musikalische Entwicklung hin zum neuen Album, die Bedeutung von Authentizität und darüber, warum im Dialekt gesungen wird.

Ihr seid mit eurer Band in den letzten Jahren, was den Erfolg betrifft, wie eine Rakete in die Höhe geschossen. Und das mit einem nicht unbedingt als Mainstream zu bezeichnendem Sound. Ihr mischt viele Stile miteinander und folgt eurem ganz eigenen Weg. Inwieweit bildet sich dieser auch auf eurem neuen Album „Sing“ ab? Hat sich an eurem Zugang nach den Erfolgen etwas verändert?

Florian Ritt: Man kann eigentlich sagen, dass wir immer in einer Nische waren. Ganz zu Beginn war es ja so, dass wir für FM4 zu wenig Indie und für Ö3 zu wenig Pop waren. Aber das hat uns in keiner Weise entmutigt, im Gegenteil, wir wollten noch mehr unser eigenes Ding machen und so klingen, wie wir es wollen. Jetzt beim dritten Album sind wir, glaube ich, in diesem großen Popkontext angekommen. Gleichzeitig aber sind wir immer noch weit davon entfernt, eine gewöhnliche Deutschpop-Band zu sein. Ich denke, es macht für uns eh wenig Sinn, uns irgendwie einer Richtung anzubiedern. Es gibt andere Bands, die bessere Popsongs schreiben, es gibt Bands, die cooler sind, solche, die mehr Fashion haben und, und, und. Wir sind einfach drei Typen, die im Trio ihre Mucke machen und Songs schreiben, die uns catchen. Und ich glaube, das kommt live auch rüber. Wir haben auch echt Glück, dass wir ein so diverses Publikum haben und unterschiedlichste Bühnen bespielen können. Vom Donauinselfest bis zu einem kleinen Club in Hamburg, von einem Indie-Festival bis zu einem Stadtfest.

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„Folkshilfe ist eigentlich ohne jedes Konzept entstanden.“

Ihr kommt, wie du gesagt hast, aus einer Nische und habt von Anfang, ohne wirklich nach links oder rechts zu blicken, euer eigenes Ding durchgezogen. Ist dieser authentische Zugang vielleicht eure Erfolgsformel?

 

Florian Ritt: In der Retrospektive kann man sagen, dass die Authentizität schon das Wichtigste ist. Aber das hätte ich vorher wahrscheinlich auch schon gesagt. Ob Authentizität aber die Garantie dafür ist, ob etwas wirklich funktioniert oder nicht, weiß ich nicht. Es gibt ja Bands, die zwar sehr authentisch rüberkommen, die aber dennoch nicht erfolgreich werden. Wir kommen alle drei aus unterschiedlichen musikalischen Richtungen. Ich habe eher einen Pop-/Hip-Hop-Hintergrund, Paul, unser Gitarrist, hat in einer Funkband gespielt. Wir haben vor Folkshilfe in unterschiedlichsten anderen Bands gespielt.

Ich bin auch ursprünglich kein Quetscher im traditionellen Sinn. Ich habe eigentlich Jazzgitarre und Jazzbass studiert und bin erst über die Band zur Quetschn gekommen. Die Quetschn hat sich damals, als wir noch Straßenmusik gemacht haben, einfach angeboten. Dementsprechend spiele ich das Instrument auch anders, als es andere Musikerinnen und Musiker tun. Folkshilfe ist eigentlich ohne jedes Konzept entstanden. Die Band war eigentlich ein Hobby, dem wir zwischen der ganzen anderen Musik, die wir machen wollten, nachgegangen sind. Bei Folkshilfe treffen wir uns musikalisch und machen einfach die Mucke, die aus uns rauskommt. Wir überlegen nicht, was cool sein könnte, wir machen uns keine Gedanken darüber, was gerade angesagt ist oder wie man pressemäßig vorgeht.

Ihr habt ja einst als Straßenmusikanten begonnen. Inwieweit hat das eure Entwicklung geprägt?

Florian Ritt: Ja, das stimmt. Wir haben auf den Straßen Europas begonnen und sind auch gleich einmal in die Niederlande gereist. Dann ging es nach Frankreich, Italien, Deutschland und Kroatien. Irgendwann standen wir dann als Band auf der Bühne und dann kam auch noch ein Synthesizer zu unserem Sound hinzu. Was ich damit sagen will, ist, dass sich bei uns alles step by step entwickelt.
Und natürlich sind jetzt beim dritten Album die Aufgaben, die wir uns gestellt haben, andere als beim ersten. Manche Sachen klingen jetzt vielleicht etwas volkstümlicher, andere wiederum gehen in eine andere Richtung.

Ich habe die Quetschn noch nicht so gut kennengelernt. Sie ist jetzt nicht unbedingt ein Instrument, wo man sich einfach hinsetzt und es kommt plötzlich ein leiwander Blues raus. Aber ich bin besser geworden und deswegen können wir jetzt auch einen Song wie „Nirvana“ machen, in dem die Quetschn eigentlich nach keiner klingt. Aber wer definiert, was Quetschn-Musik ist? Wir finden es im Moment einfach cool und es ist unsere Stärke. Die Quetschn kann auch nach etwas klingen, was 2019 entstanden ist und nicht irgendwann einmal vor langer Zeit.

„Ich denke, wir müssen uns als Band stetig weiterentwickeln.“ 

Florian Ritt: Also, ich glaube jetzt nicht, dass wir unseren Zenit schon erreicht haben. Es fühlt sich eher so an, als hätten wir unser Potenzial bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Wir sind auch bei diesem Album wieder auf so viele Sachen draufgekommen, die mit Sicherheit ins nächste Album Eingang finden werden. Wir haben jetzt zwei Jahre an unserem neuen Album geschrieben. Und es sind in der Zeit x Songs entstanden, von denen wir einige nicht fertig gemacht haben oder die einfach aus verschiedenen Gründen nicht ihren Weg auf das Album gefunden haben.

Bild Folkshilfe
Folkshilfe (c) Ingo Pertramer

Ob wir jetzt irgendwo angekommen sind? Ich denke, wir müssen uns als Band stetig weiterentwickeln. Wir sind Musikanten, wir sind Instrumentalisten, wir sind Handwerker. Wir machen einfach gerne Livemusik. Unsere Dreistimmigkeit kann besser werden, unser Songwriting kann besser werden, unsere experimentelle Ader kann noch mehr hervortreten, wie wir die Quetschn integrieren, kann besser werden und, und, und. Es gibt so viele Dinge, die man noch besser machen kann. Daher kann man auch noch lange nicht sagen, dass wir angekommen sind. Ich finde es ja auch bei anderen Bands, die mir gefallen, immer cool, wenn sie sich weiterentwickeln und nicht immer dieselbe Platte rausbringen.

„Man muss einfach Mut haben, immer wieder auch andere Akzente zu setzen.“

Das heißt, ihr seid nicht eine Band, die immer an derselben Erfolgsformel hängen bleibt. 

Florian Ritt: Nicht unbedingt. Der Cut, den wir vom ersten zum zweiten Album vollzogen haben, hat uns ja auch mehr gebracht, als wenn wir das erste Album wiederholt hätten. Mit dem zweiten Album hat sich für uns ja diese ganze Ö3-Welt geöffnet. Der SongMir laungts“ zum Beispiel war ja von richtig lauten E-Gitarre-Klängen getragen. Und auch der Synth preschte extrem rein. Davor waren wir mit vielen akustischen Gitarren eher in der Folkrichtung unterwegs. Man muss einfach den Mut haben, immer wieder auch andere Akzente zu setzen. Dasselbe sieht man ja auch bei Seed und auch bei den Seern. Die Komponente mit dem dreistimmigen Gesang, der Dialekt, die Quetschn bieten anscheinend für viele Leute Anhaltspunkte.

Warum eigentlich überhaupt Dialekt?

Florian Ritt: Unser Ziel ist es, den Menschen die Angst vor dem Dialekt zu nehmen, ihnen zeigen, dass er auch cool sein kann. Ich habe mit vierzehn Jahren deutschen Hip-Hop gehört, gleichzeitig aber auch Hubert von Goisern und auch die Ausseer Hardbradler, weil ich die einfach extrem geil gefunden habe. Ich finde es immer schön, wenn in den Liedern die Ästhetik des Landes irgendwie mitschwingt. Nicht auf die Art „Ich bin so stolz“, „Da komm ich her“ oder so einen Scheiß, sondern mit diesem bestimmten Spirit.

„Irgendwann spielten wir dann vor tausend Leuten.“

Habt ihr, als ihr begonnen habt, euch irgendwie ausmalen können, wohin die Reise geht? 

Florian Ritt: Nein, natürlich nicht. Was aber von Anfang an da war, war die Resonanz. Und die war für uns der entscheidende Antrieb. Egal ob wir jetzt vor zehn Leuten auf der Straße gespielt haben oder vor fünfzig auf einem kleinen Festival am Nachmittag, es war immer ein schönes Gefühl zu sehen, dass wir das viele aus Publikum verzaubern konnten. Und dann dachten wir uns: „Okay, wenn wir vor zehn Leuten funktionieren, dann funktionieren wir auch vor fünfzig, wenn vor fünfzig, dann auch vor hundert und so weiter.“ Irgendwann spielten wir dann vor tausend Leuten. Und wenn man dann am Donauinselfest vor 65.000 Leuten spielt, ist das natürlich etwas Besonderes. Und das Schöne an diesem Konzert war, dass wir auch gemerkt haben, dass wir als Trio mit unserem Sound auch auf so einer großen Bühne bestehen und die Leute mitnehmen können. Wir spielten ja zwischen Stefanie Heinzmann und Mando Diao. Und die beiden standen mit einer dreifachen Anzahl an Musikerinnen und Musikern auf der Bühne plus Halbplayback. Ich finde es dann geil, dass wir einfach als Trio Musik machen und bei uns nichts vom Band mitläuft.

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Ihr habt mit eurer Vorab-Single „Stopp“ einen Song herausgebracht, den man schon politisch nennen kann. Versteht ihr Folkshilfe auch als eine politische Band?

Florian Ritt: Also, wir sind jetzt keine politische Band. Aber wir haben schon Songs mit politischen Texten. Uns beschäftigen einfach Dinge. Und wir nehmen uns auch kein Blatt vor den Mund. Wir hatten schon auf unserem letzten Album den Song „So bitte ned!“, jetzt ist es „Stopp“. Ich würde mir das manchmal auch von anderen Bands wünschen. Es gibt leider zu viele Bands, die auf alternativ und engagiert tun, es aber in Wirklichkeit nicht sind. Da ist schon auch viel Schein dabei.

Wir von Folkshilfe sind nicht unbedingt gegen etwas, sondern eher für etwas. Wir waren diesbezüglich immer schon sehr offen. Und es war für uns immer auch schon sehr wichtig. Grad am Anfang, wo noch nicht so sehr klar war, dass wir als eine im deutschen Dialekt singende und die Quetschn spielende Band keine die österreichischen Werte verteidigende ewig gestrige Partie sind. Aber wir würden unserem Publikum natürlich nie nahelegen, welche Partei es wählen oder nicht wählen soll. Wir sind in Österreich geborene Europäer, die es wahnsinnig genießen, mit unserer Mucke durch ein grenzenloses Europa fahren können. Und wir wollen auch nicht, dass sich das ändert.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Michael Ternai

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Sing Tour 2020

19.03 Innsbruck, Music Hall
21.03 Dornbirn, Conrad Sohm
26.03 Wien, Arena
27.03 Graz, Orpheum
28.03 Melk, Tischlerei
04.04 München, Muffathalle
24.04 Bruneck, UFO
25.04 Salzburg, Szene
18.07 Linz, Open Air Donaulände

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