„Wir sehen uns als Kulturbereicherer, der frischen Wind in die Stadt bringen möchte.”– NICOLAS FRICK (FYI AGENCY) im mica-Interview

NICOLAS FRICK betreibt mit viel Elan die „FYI Agency“. FYI steht bekanntermaßen für „for your information“ und bietet Bookings an. Ganz nach dem Motto „Sharing is caring“ ist das junge Unternehmen Kooperationen mit Gleichgesinnten nicht abgeneigt. NICOLAS FRICK sprach mit Ruth Ranacher über die lokale Musikszene, Auswahlkriterien und die Herausforderungen, die der Markt an sie stellt.

Nicolas Frick (c) Archiv

Was ist deine Vision mit der „FYI Agency“? Wo steht ihr gerade? 

Nicolas Frick: Unser About-Text auf der Homepage beantwortet diese Frage ganz gut: FYI is here to make shows ‚Yeah!‘ again“. Wir sehen uns als Kulturbereicherer, der frischen Wind in die Stadt bringen möchte. Neues und noch Unentdecktes mögen wir ganz besonders gern. In knapp einem Jahr konnten wir fünf Shows verzeichnen, die großteils ein tolles Echo fanden.

Mit welcher Intention steigt man heute in Österreich ins Agenturgeschäft ein? Was war deine Intention bei „FYI“?

Nicolas Frick: Im Wiener Live-Markt steckt noch sehr viel Potenzial, wenn man in die Nische geht. Ich bin schon seit Jahren für die Organisation von Partys mit elektronischer Musik verantwortlich, wie beispielsweise des „Manifests“ im Wiener Club Sass, habe beim poolbar-Festival mitgearbeitet und war in vereinzelte Shows involviert. Nach wie vor finde ich, dass es generell noch viele unentdeckte Bands gibt, die noch nie in Wien gespielt haben. Das wollen wir mit unserem Partner, der „Flow Agency“ von Florian Kollroß ändern. Ein gutes Beispiel ist hier die Show von Ten Fé Anfang Mai im B72 sowie jene von Altin Gün am 17. Juni 2019 im Fluc. Beide Bands spielen ihre Österreich-Debüts bei uns.

„Grundsätzlich geht es […] um eine Erweiterung der Geschäftsfelder.“

Die „FYI Agency“ bietet Booking an und veranstaltet auch selbst. Wie kam es zu der Mischung? Wie arbeitet ihr generell?

Nicolas Frick: Das geht natürlich Hand in Hand. Grundsätzlich geht es aber um eine Erweiterung der Geschäftsfelder. Wir bieten auch Social-Media-Consulting an und unterstützen verschiedene Venues, wie Bars, bei der Gestaltung ihrer Musikprogramme, dazu zählt u. a. das Mon Ami im 6. Wiener Gemeindebezirk. Wer mit uns arbeitet, weiß, dass wir immer ehrlich und authentisch sind. Und das wollen wir uns auch bewahren. Wir arbeiten nur mit Acts, die uns persönlich auch gefallen. Hier fahren wir eine klare Linie. Das fällt nicht immer leicht, aber langfristig gesehen ist das der einzige richtige Weg.

Was hast du vor „FYI“ gemacht?

Nicolas Frick: Davor war ich in der Werbung und im Tourismus tätig. Florian Kollroß und ich fahren aber schon seit Jahren auf die einschlägigen Showcases, um stetig unser Netzwerk zu erweitern. Im Sommer 2018 fiel aber die Entscheidung, mit der Musikwirtschaft in die Selbstständigkeit zu gehen.

„FYI“ deckt ein Spektrum von Indie bis Clubmusik ab. Was zeichnet die Acts in eurem Roster aus?

Nicolas Frick: Wir sprechen gerne über das 360-Grad-Erlebnis. Heutzutage muss man einen Act als Gesamtpaket sehen. Unsere Künstlerinnen und Künstler sind in ihren Sparten upcoming und immer am Puls der Zeit. Und sie sind gut vernetzt. Sam Irl ist derzeit vor allem als Produzent und im Duo Pulsinger & Irl aktiv. Damit ist er u. a. mit jährlichen Gigs in der Panorama Bar in Berlin zugegen.

Sam Irl (c) FYI Agency

Peter Kalcic aka B.Visible ist für mich einer der vielschichtigsten Produzenten der hiesigen Szene und dazu auch noch ein unglaublich guter DJ. Die Those Goddamn Hippies haben nach einer längeren  Anlaufphase endlich ein fantastisches Debütalbum veröffentlicht, welches sie bald auf Tour präsentieren. Sehr frisch und neu im Roster ist die Band Futurski aus Slowenien, der einzige ausländische Act im Roster. Die Protagonisten der Band sind noch sehr jung, aber in Slowenien schon sehr gut unterwegs. Diese Band weiß, was sie macht, und ist auch in der Außendarstellung  interessant.

„Wie cool ist der Act? Welchen Sound macht sie bzw. er? Trifft sie bzw. er einen gewissen Nerv?”

Was muss ein Act mitbringen, damit er für euch interessant ist?

Nicolas Frick: Grundlegende Rahmenbedingungen bei der Auswahl eines Acts sind bei uns die folgenden Fragen: Wie cool ist der Act? Welchen Sound macht sie bzw. er? Trifft sie bzw. er einen gewissen Nerv? Auch die Frage, ob die- bzw. derjenige schon einigermaßen in der Musikwirtschaft vernetzt ist, ist für uns relevant. Außerdem ist für uns von Bedeutung, dass der Act von sich selbst aus eine gewisse Ästhetik hinsichtlich der Bildsprache mitbringt, wie beispielsweise ein Logo oder eine eigene Vorstellung der Bühnenperformance. Das macht in unseren Augen wahnsinnig viel aus. Es kann die beste Musik der Welt sein, aber ohne Wiedererkennungswert wird das leider nichts.

Those Goddamn Hippies (c) FYI Agency

Aktuell sind Those Goddamn Hippies auf internationaler Tour. Seit wann arbeitet „FYI“ mit der Band? Was waren die wichtigsten Schritte, die ihr hinsichtlich der Internationalisierung gesetzt habt?

Nicolas Frick: Mit der Band hatten wir schon immer lose Kontakt. Wir schätzen einander sehr, was uns – wie bereits erwähnt, bei unseren Künstlerinnen und Künstlern ein wichtiges Anliegen ist. Wir arbeiten ungern mit Personen zusammen, mit denen wir nicht auf der gleichen Wellenlänge sind. Unsere Zusammenarbeit begann mit der Gründung der Agentur, über welche die aktuell gebuchte Tour realisiert wurde. Mit einem Gig beim FOCUS Wales hoffen wir auf einen Eintritt in den UK-Markt. Wir hoffen auch, noch weitere Showcase-Festivals bespielen zu können, um die Industrie für den Sound der Band zu begeistern.

Ihr holt auch internationale Acts nach Österreich. Wie wichtig ist das für die heimische Musikszene? Bemerkt ihr dahingehend eine Veränderung?

Nicolas Frick: Wir holen sogar sehr viele internationale Acts nach Österreich. Vor allem mit „Manifest“ bewegen wir uns in internationalen Gefilden, da sich in unserer Szene, also Soulful House/Disco, das meiste überwiegend im Vereinigten Königreich, in Frankreich und den Niederlanden abspielt. Für die heimische Szene ist das vor allem wichtig, da sie sich so international vernetzen kann. Vor allem der Austrian Music Export arbeitet verdammt gut und schafft es immer wieder, tolle österreichische Talente im Ausland zu etablieren.
Dazu möchte ich noch ergänzen, dass eine gute Arbeit die Voraussetzung für tolle Zusammenarbeiten ist, wie mit dem Kala Festival in Albanien und dem Kolorado Festival in Budapest. Wir pflegen diese Kontakte und versuchen, sie Stück für Stück auszubauen, auch um Wien wieder auf die Musik-Landkarte zu bekommen. Derzeit lässt man den Standort gern mal links liegen. Das liegt aber auch daran, dass wir aktuell nicht die Fülle an Veranstaltungsorten anbieten können. Einerseits liegt es an den Kapazitäten der Venues, andererseits an den Produktionskosten, mit denen die Gagen von extrem gehypten Bands in Wien nicht mehr finanzierbar sind.

„Der elektronische Markt ist global gesehen am Wachsen und wir konkurrieren mit immer mehr Emerging Markets.”

Futurski (c) FYI Agency

Was sind deine Perspektiven mit der „FYI Agency“, auch international betrachtet?

Nicolas Frick: Die Perspektiven sind grundsätzlich gut, aber dennoch mit Skepsis zu betrachten. Der elektronische Markt ist global gesehen am Wachsen und wir konkurrieren mit immer mehr Emerging Markets. Das spiegelt sich beim Booking wider, da viele Künstlerinnen und Künstler u. a. im europäischen Winter nicht mehr zu haben sind. Aufgrund von Gagenentwicklungen werden dann Wintertouren in Australien bevorzugt.
Was den Live-Sektor betrifft, geht zu 80 % alles über England. Da versuchen wir uns klar als „Tastemaker Agency“ aufzustellen. Wir setzen nicht auf Masse, sondern auf Klasse. Das können wir uns aufgrund unserer Größe und Struktur leisten. Das spiegelt sich dann wiederum auch in den Ticketpreisen wider. Wir können immer etwas günstiger sein als eine große Agentur und versuchen, ein gutes Ticketpreis-Leistungs-Verhältnis zu bieten.

Wir setzen auf Innovation, deshalb haben wir mit „Paylogic“ aus den Niederlanden einen guten Ticketing-Partner gefunden, der zu 100 % auf Digitalisierung setzt, gute und maßgefertigte Lösungen anbietet sowie faire Ticket- und Systemgebühren anbietet. Die Gebühren schwanken bei unseren Ticketpreisen meist zwischen 1,30 und 2,00 Euro. Natürlich ist uns bewusst, dass somit Point-of-Sale-Werbung und großflächige PR über die großen Ticket-Anbieter wegfallen, dennoch halte ich den Schritt mit „Paylogic“ für richtig.

„Wir sind begeistert, wie sehr die Qualität der österreichischen Musikschaffenden zugenommen hat.”

Wie beurteilst du die Entwicklungen innerhalb der Musikbranche in Österreich in den letzten Jahren?

Nicolas Frick: Wir sind begeistert, wie sehr die Qualität der österreichischen Musikschaffenden zugenommen hat. Man muss sich nur vier Stunden die FM4 Morning Show anhören, um zu erkennen, wie groß die Fülle an tollen Acts made in Austria ist. Vor allem „Ink Music“ und die Labels von Ilias Dahiemne leisten großartige Arbeit. Weniger begeistert sind wir von den großen Mainstream-Festivals mit ihren Headlinern, die in unseren Augen ein eher berechenbares Programm fahren. Wenn man dann aber an den österreichischen Festivalmarkt denkt, kommen uns auch andere Beispiele wie das Acoustic Lakeside, das C’est la Mü, das picture on festival, das Seewiesenfest u. v. m. in den Sinn. Geld verdienen wollen wir alle, aber man muss immer fair bleiben.
Wir hoffen auch, dass durch die derzeitige Entwicklung und Anerkennung für österreichische Acts mehr Kulturförderungen in den Live-Markt bzw. ins Nachtleben fließt. Ein tolles Beispiel ist die Initiative „Nachtbürgermeister Wien“, die sich für eine Mediatorin bzw. einen Mediator zwischen Nachtwirtschaft und Politik einsetzt. Mit solch einer Institution würde der hiesigen Szene Rechnung getragen werden. Man geht heute nicht mehr um 22:00 Uhr, sondern um 02:00 Uhr zum Feiern – so viel zum Thema Sperrstunde. Wir denken immer positiv.

Was ist das Essenzielle an Musik?

Nicolas Frick: Jane Austen hat mal gesagt: „Without music, life would be a blank to me”, und so halte ich es auch. Für mich ist Musik nicht ein Produkt , sondern eine Lebenseinstellung. Es gibt nichts Schöneres, als Menschen mit einem Erlebnis, das Musik ja in jeglicher Form darstellt, die Freizeit zu versüßen. Das ist der Grund, warum ich mich für diesen Beruf entschieden habe.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Ruth Ranacher

Termine:
29. Mai 2019 – Those Goddamn Hippies, Die Bäckerei, Innsbruck
30. Mai 2019 – Those Goddamn Hippies, B72, Wien

Links:
FYI Agency (Website)
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