Da haben sich ein paar gefunden! Lavandine, die Bumble-Bande mit dem schönsten Synthgitarrenknackser seit Cure-Slowdive-Valentine hat ihre erste Platte veröffentlicht. Sie heißt, wie sie sich nennen, deshalb wiederholen wir es noch einmal: „LAVANDINE” ist ein fünfköpfiges Geschenk und der beste Beweis, dass die musikjournalistische Riege Österreichs keine Ahnung hat, wo die Musi spielt. Man kann es den Silberrücken in den sogenannten Feuilletonspalten nur an den Herz-Bypass legen: LAVANDINE sind laut und leise und das auf Doc Martens starrende Meisterwerk, das das Jahr 1989 noch gebraucht hat.
Die Band sei über eine Annonce entstanden. Stimmt das?
Max: Ich war bei einem Konzert von Low im WUK. Danach wollte ich unbedingt eine Band gründen, weil mich ihr Sound so fasziniert hat. Ich hab also auf Bumble ein Profil erstellt: Looking for a band. Damit hab ich Leute gesucht. Am Anfang war es zach. Dann hab ich Nini kennengelernt.
Nini: Davor hab ich ein Konzert der Wiener Band ERNST gesehen und mir das Gleiche gedacht wie Max bei Low: Eine Band zu haben wär cool!
Max: Wir waren also zu zweit. Ich hab mir dann ein Schild gebastelt und draufgeschrieben: Anybody wanna play bass or keys? Damit wollte ich mich ins WUK stellen, weil ich mir gedacht hab: Vielleicht find ich so ja noch jemanden. Zeitgleich hab ich über Bandsuche.at ein Inserat gemacht – als Referenzen hab ich Bands angegeben, die mir taugen: My Bloody Valentine, Slowdive, Sigur Rós, solche halt. Zwei Leute haben sich daraufhin gemeldet. Der Andi war mir sympathischer, weil: Er hat meine Musik mit Grizzly Bear und Animal Collective verglichen.
Gerlach: Max kam dann zu mir in den Proberaum und war …
Max: Komplett geflasht, dass wir jetzt einen Proberaum haben.
Nini: Der Simon war auch bald dabei, oder?
Max: Wir kennen uns aus Hollabrunn, ich hab ihn auf einem Schulball sogar mal gefragt, ob er nicht auf meinen Solo-Sachen die Drums spielen will. Dann kam Covid, daraus wurde also nix. Mit der Band-Idee hab ich mich wieder bei ihm gemeldet. Er war sofort dabei.
Gerlach: Wie war das bei Mo?
Max: Der ist sehr gut mit Simon. Ich hab auch gewusst, dass er Bass spielt. So hat sich das irgendwie ergeben. Nach zwei Wochen hatten wir eine Band.
Dann habt ihr euch zum ersten Mal in einem Raum getroffen. Wie war das?
Nini: Dass es so zusammengekommen ist und tatsächlich funktioniert, hätt ich mir nicht gedacht.
Max: Für mich war aber schnell klar, dass es geht. Wir haben …
Gerlach: Drauflos gejammt und …
Max: gleich danach unseren ersten Gig ausgemacht.
Nini: Damit hatten wir sofort ein Ziel und den Ansporn …
Gerlach: Ein paar Songs zu schreiben, was draußen zu haben.
Dann erschien eure erste Single: „Flash”
Gerlach: Ich hatte eine Demo zur „Pornography”-Ära von The Cure. Mit der kam ich in den Proberaum. Wir haben gespielt. Plötzlich war da unser erster Song. Das war schon ein gutes Gefühl.
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Du hast davor bei der besten Gitarrenband der 2010er gespielt: Lorraine.
Gerlach: Ja eh, ich hab die Szenen gewechselt, davor war ich in einer Screamo-Band. Und vor der Screamo-Sache hab ich Drum’n’Bass gemacht.
Nini: Ich komme dagegen aus der Klassik, meine ganze Familie spielt klassische Musik. Vor ein paar Jahren hab ich mir aber eine Gitarre umgehängt.
Das war der Ausbruch.
Nini: Ja, ich mag die Freiheit, dass ich Lieder schreiben kann und dass nicht alles so streng auf ein Instrument reduziert ist. Ich wollte ursprünglich zwar Querflöte studieren, aber mir liegt es mehr, wenn ich Gitarre und Synthesizer und alles spielen kann.
Bei Lavandine kommen also Klassik und Hardcore und Orange Gone zusammen.
Gerlach: Es gibt zwei Polaritäten: das dreamy Freak-Folk-Ding und klassische Shoegaze-Bands, die in den Post-Hardcore reingehen. Lavandine ist das Bindeglied.
Max: Du hast auch ein paar sehr gute Ambient-Alben gemacht.
Gerlach: Als Hamilton Gerlach, ja. Das waren aber Gitarren-Noise-Experimente.
Max: Mich hat das extrem attracted. Ich hab mir vorgestellt, wie wir das im Bandkontext mischen mit meinen Sachen.
Nini: Mir war das neu, ich hatte ja keine Ambient-Projekte.
Du hattest die Klassik.
Gerlach: Debussy, Ravel, das geht schon in die Richtung.
Nini: Ich kann mich erinnern, dass du mir das gezeigt hast als Vibe-Influence.
Gerlach: Das war ein bisschen so wie der erste Song, den man bei einem Date hört. Es passt halt. Bei den anderen war es aber anders. Mo kommt aus dem Jazz, er spielt immer noch in einer Bigband in Hollabrunn.
Max: Simon ist dafür mehr im Rock.
Gerlach: Wir sind halt nicht nur Shoegazer oder Hardcore-Leute. Es ist broken open.
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Auf Songs wie „Gamma Mode” kommt beides zusammen.
Gerlach: Ich seh die Connection, habe dazu aber eher einen Weirdo-Post-Punk-Bezug, vor allem mit der Szene um die Band Women, aber auch Cindy Lee, das andere vertrackte Projekt von Patrick Flegel taugt mir sehr. Es ist düsterer und mehr The Cure als Beach House.
Nini: Am Ende des Songs kommt der Schrei. Plötzlich wacht man auf …
Gerlach: Und ist back to grim reality.
Ist Lavandine eine Flucht?
Nini: Ja, ich lass mich damit auf etwas anderes ein. Allein schon durch das
Experimentieren mit den Sounds am Synthie.
Max: Manchmal knien wir am Boden und drehen nur das Feedback rein. Es wird laut. Das sorgt für Eskapismus, weil es lauter ist als alles andere – und damit alles andere überschreibt.
Gerlach: Stimmt, Lavandine ist eure erste laute Band!
Max: Wir sind aber nicht nur laut, sondern auch leise.
Gerlach: Die Dynamik macht es aus, das ist wie bei den Pixies. Die Strophen können leise sein, beim Chorus öffnet sich auf einmal alles.
Max: Ich muss noch einmal zum Low-Konzert im WUK zurückkommen. Der Song „Days Like These” ist auf der Aufnahme schon überwältigend. Beim Konzert haben sie den leise Gitarren-Part aber so lange rausgezogen, bis finally der Bass eingesetzt und das Licht aufgestrahlt und das Publikum gejubelt hat – für mich war das der Moment, in dem ich wusste: Ich will das auch!
Low war immer leise und laut – der Aufbau und die Zerstörung in einem.
Gerlach: So ähnlich ist es bei uns auch. Ich hab für zwei Songs von uns, „In Blossom” und „Gamma Mode”, ein Barbenheimer-Meme gemacht. Die eine Seite ist hell, die andere dunkel. Deshalb hab ich in meinem gedanklichen Moodboard oft Filme von David Lynch – sie sind dreamy und real. Das ist Lavandine.
Max: Wir drei sind auch eher introvertiert, während Mo und Simon outgoing Menschen sind.
Gerlach: Ich mag introvertierte Bands, die sich nicht in your face geben. Als Beispiel fällt mir Twee-Pop ein, also Indie-Bands wie The Smiths, die bookish aufgetreten sind, oder auch Belle and Sebastian, die famously nie Interviews gegeben haben.
Max: Schau, die Katze isst die Karte auf!
Gerlach: Ha, ja. Unser Band-Image ist so wie eine Katze: 90 Prozent des Tages verstecken wir uns und schlafen. Die restliche Zeit machen wir verrückte Sachen.
Nini: Wahrscheinlich haben wir deshalb bei dir aufgenommen, da waren immer Katzen, das macht schon was aus.
Gerlach: Eine hat es sogar miauend aufs Album geschafft.
Als Easter Egg ohne Credit!
Gerlach: Sie ist wie Eric Clapton auf „While My Guitar Gently Weeps” von den Beatles – die Solos gespielt, aber nie gecreditet. Fairerweise muss man dazusagen: Er hat das damals selbst verweigert, weil no one plays on the Beatles records.
Max: Mir fällt grad ein: Es gibt noch ein Easter Egg auf der Platte.
Gerlach: Welche meinst du?
Max verdreht seine Augen.
Gerlach: Ah. Wir sind doch von TikTok beeinflusst!
Nini: Gen-Z-Humor!
Max: Na ja, wir sind halt manchmal ziemlich deranged im Proberaum.
Gerlach: Und das landet dann auf der Aufnahme – wie …
Nini: Die Fingersnaps auf „Feverfew”.
Max: Oder mechanische Computertastaturen.
Gerlach: Stimmt, dafür bin ich deeply obsessed. Meine Tastatur hab ich so getrimmt, dass sie thocky klingt – deep, klackend, richtig ASMR-befriedigend.
Nini: Ich hör ASMR zum Einschlafen. Deshalb schlägt mir meine For-You-Page bei YouTube nur ASMR-Videos vor.
ASMR mit Mikrofonablecken?
Nini: Das find ich ein bisschen icky, nein. Aber …
Gerlach: Kennst du das Video, in dem die Katzen fressen und man hört das genau?
Max: Ich schau grad urviel Tennisvideos.
Gerlach: Die Grunts haben ja auch was ASMR-artiges.
Nini: Oder Videos von Walen, die schwimmen! Das ist auch so schön dreamy!
Jetzt haben wir alles beinander: David Lynch, Walgesänge und …
Gerlach: Introvertierte Katzen!
Danke dafür!
Christoph Benkeser
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