„Ein ganz starker Antrieb war, dass wir alle drei unbedingt in einer Band spielen wollten.” – DIVES im mica-Interview

Drei Frauen, die zusammengekommen sind, um Musik zu machen: VIKTORIA KIRNER, DORA DE GOEDEREN und TAMARA LEICHTFRIED haben sich am GIRLS ROCK CAMP kennengelernt, wo Mädchen und junge Frauen ermutigt werden, einfach auch mal Musik zu machen. Nach dem Camp beschlossen die drei, weiterhin gemeinsam zu jammen und an ihren Instrumenten zu üben. Und aus den gemeinsamen Sessions wurden Songs und die drei Frauen wurden zu DIVES. Mit Anne-Marie Darok sprachen sie über die Musikszenenblase in Österreich und darüber, warum Mädels einfach Spaß haben sollen und welche Pläne sie für die Zukunft haben.

Sie haben in diesem Jahr den XA Music Export Award gewonnen. Wie geht es für Sie jetzt weiter? Welche Unterstützung erwarten Sie sich angesichts dieses Gewinns?

Viktoria Kirner: Schauen wir mal. Wir haben natürlich jetzt die Möglichkeit, uns bei sehr vielen Showcase-Festivals im nächsten Jahr zu bewerben. Wir sind aber zu dem Entschluss gekommen, dass wir nicht auf alle Festivals fahren wollen. Für uns war nämlich schon das letzte Jahr ein ziemlicher Konzertmarathon. Für uns steht definitiv im Zentrum, ein Album zu schreiben und wieder Musik zu machen. Wir wollen uns da rechtzeitig einbremsen und uns nicht irgendwo reindrängen lassen, wo wir vielleicht gar nicht so glücklich sind und vielleicht auch noch gar nicht bestehen können.

Also gilt den Showcase-Festivals nicht Ihr Hauptfokus?

Viktoria Kirner: Bei vielen Showcase-Bühnen hat man nur eine Chance, das ist einfach ein hartes Business. Allein innerhalb eines Festivals ist der Ellbogenkampf ein Wahnsinn. Es sind dort so viele tolle Bands und es ist schwierig, da irgendwie herauszustechen. Es wird einem immer ans Herz gelegt, am selben Tag, an dem man abends in einem Club spielt, vorher noch irgendwo auf einem Container zu spielen, dann noch in einem Café und auch noch einen Straßengig – um irgendwie die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dazwischen gibt es noch fünf Interviews. Es ist eine gute Möglichkeit, um gesehen zu werden, aber es ist jetzt nicht unsere Priorität, nächstes Jahr nur im Ausland auf Showcase-Festivals zu spielen. Dorthin nur halb vorbereitet oder gestresst und ohne einen klaren Kopf zu gehen macht oft nicht so viel Sinn.

Tamara Leichtfried: Der Sommer war ohnehin voll mit Festivals und als wir im Oktober unsere eigene Tour in Linz gestartet haben, war das ein ganz anderes Gefühl. Nach dem Konzert sind wir runter von der Bühne und der erste Gedanke war: „Hey, wir müssen nicht gleich unser Zeug wegräumen.“ Wir sind erst mal zum Merch gegangen und haben gechillt. Das ist einfach eine ganz andere Art und Weise, Konzerte zu spielen.

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Band, Arbeit und Uni – wie funktioniert das?

Tamara Leichtfried: Im letzten Jahr ist die Band ein bisschen zur Priorität gewonnen. Dann lässt man halt mal ein Seminar ausfallen oder nimmt sich mal Urlaub.

Dora de Goederen [lacht]: Ich habe zum Beispiel unlängst die Note für ein Seminar bekommen, von dem ich nicht wusste, ob ich es bestehen würde, weil ich die Arbeit ein Monat zu spät abgegeben hatte.

„Die Stimmung, mit der wir im Proberaum sind, spiegelt sich dann auch im Song wider.“

Sehen Sie sich mehr als Bühnen- oder als Studioband?

Dora de Goederen: Ich hasse Studios.

Viktoria Kirner: Wir waren auch noch gar nicht so oft im Studio.

Tamara Leichtfried: Es kommt halt drauf an. Wir spielen alle lieber Konzerte, als nur im Proberaum zu sitzen und bis ins kleinste Detail am Set zu arbeiten. Aber wenn es darum geht, im Proberaum gemeinsam an Songs zu schreiben oder auch einfach mal nur drei Stunden lang zu jammen, dann ist das sicherlich gleichwertig. Und natürlich ist es immer toll, wenn du mit dem, was du geschaffen hast, auf die Bühne gehst und der Song plötzlich lebt. Aber es braucht immer irgendwie beides.

Wie schreiben Sie Ihre Songs?

Tamara Leichtfried: Ganz unterschiedlich. Es sind schon viele Ideen vom Schlagzeug, von irgendeinem Beat oder einer Basslinie gekommen. Aber die letzten zwei Nummern sind tatsächlich beim gemeinsamen Jammen entstanden.

Viktoria Kirner: Und an irgendeinem Punkt holt jemand ein Handy raus, während alle noch weiterjammen. Dann hast du so einen 12-Minuten-Jam und hoffst, dass was daraus werden kann.

Und die Texte?

Viktoria Kirner: Unterschiedlich. Ich setze mich auch gerne zu Hause hin und komme dann mit dem fertigen Text in den Proberaum. Bei anderen Liedern erarbeiten wir den Text auch oft gemeinsam. Bei uns entsteht aber immer zuerst die Musik. Die Stimmung, mit der wir im Proberaum sind, spiegelt sich dann auch im Song wider. Aber das ist nicht immer für alle drei Personen gleich. Es gibt auch heute noch Songs, wo wir alle dieselbe Grundstimmung empfinden, den Text aber ganz unterschiedlich interpretieren.

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Sie haben einander im Girls Rock Camp kennengelernt. Waren Sie einander sofort sympathisch?

Tamara Leichtfried: Ein ganz starker Antrieb war, dass wir alle drei unbedingt in einer Band spielen wollten.

Dora de Goederen: Am Anfang war das auch das Einzige, wo wir auf denselben Nenner gekommen sind. Das war auch der Grund, warum wir zusammen gelandet sind. Im Endeffekt war es dann eine pragmatische Herangehensweise. Wir haben alle drei in Wien gelebt und wollten eine Band haben.

Viktoria Kirner: Mir war am Camp noch nicht klar, dass ich in einer Band sein und auf der Bühne stehen werde. Aber dann gab es diesen Abschlussabend und es war magisch, was da passiert ist. Dieses Gefühl hat mich extrem angefixt. Dadurch war klar, dass wir uns zumindest in Wien noch mal in einem Proberaum treffen und vielleicht noch mal spielen. Und irgendwie haben wir einfach nie aufgehört, miteinander zu spielen. Und nach ein paar Wochen oder Monaten ist ein Song entstanden, bei dem ich mir dachte: „Cool, das klingt nach einer Band.“ Diese riesengroßen Gräben, die es musikalisch gab, haben sich plötzlich geschlossen. Wir haben nie aufgehört, eine Band zu sein.

Tamara Leichtfried: Ich war vorher in einer Band, in der ich gesungen habe, wollte aber immer unbedingt Schlagzeug spielen. Mit anderen Leuten, die auch noch nicht so viel Erfahrung haben, einfach in einem geschützten Rahmen etwas ausprobieren zu können, war ein verlockender Gedanke. Mich persönlich macht es auch einfach sehr glücklich, Musik zu machen.

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Wie haben diese musikalischen Gräben am Anfang ausgesehen?

Viktoria Kirner: Die Unterschiede bestanden – gerade zwischen Tamara und mir – vor allem dahingehend, wo wir uns in Wien verortet haben. Es waren einfach drei unterschiedliche Welten, in denen wir uns bewegt haben. Man kann es gut erkennen, wenn man sich unsere Nebenprojekte anschaut. Tamara hat ein Nebenprojekt, das mehr in Richtung Singer-Songwriter bzw. Folk geht, Dora spielt bei Schapka und ich bin noch in einer Band, die eher eine Mischung aus Post-Punk und Synth-Pop anstrebt.

Dora de Goederen: Es hat ein bisschen gedauert draufzukommen, dass unsere Vorstellungen und Vorlieben gar nicht so verschieden sind. Wir finden beim Austausch von Playlists auch heute noch Gemeinsamkeiten, die immer schon da waren.

Wie kam es zu dem Namen Dives?

Dora de Goederen: Im Girls Rock Camp waren wir noch nicht Dives, da war es auch noch eine etwas andere Besetzung. Vor unserem ersten Auftritt haben wir uns dann unter Zeitdruck für einen Bandnamen entscheiden müssen.

Viktoria Kirner: Die Veranstalter haben uns ein bisschen gestresst, weil wir aufs Plakat gedruckt werden mussten. Dann haben wir endlich einen Namen gefunden, wurden aber erst recht nicht aufs Plakat gedruckt, weil sie uns vergessen haben. Also eigentlich ist das eine traurige Geschichte, aber sonst hätten wir vielleicht nie einen Namen gefunden.

„Generell wäre es schon wichtig, österreichische Musik etwas sichtbarer zu machen.“

Wie sehen Sie die Musiklage in Österreich? Wie groß oder klein ist das Musikverständnis der Österreicherinnen und Österreicher für österreichische Bands?

DIVES (c) Tina Bauer
DIVES (c) Tina Bauer

Tamara Leichtfried: Ich habe manchmal das Gefühl, dass das zwei Welten sind, die einander überhaupt nicht kennen. Entweder man hört österreichische Bands und geht auf Konzerte oder man weiß überhaupt nicht, dass da irgendetwas existiert. Das ist halt komplett isoliert voneinander.

Viktoria Kirner: Selbst innerhalb der österreichischen Musik gibt es zwei Welten für mich. Das habe ich im letzten Jahr ganz stark gemerkt. Ich habe das vor dem letzten Jahr in meiner Blase gar nicht wahrgenommen, wie viele Leute größere österreichische Bands hören, die bereits seit einigen Jahren auf FM4 laufen. Dann wurden wir gerankt, waren plötzlich ein bisschen Teil dieser Welt und sind dann auch mit diesen erfolgreicheren heimischen Gruppen gemeinsam auf der Bühne gestanden. Da fällt einem erst auf, wie groß eigentlich die Masse ist, die sich erfolgreiche österreichische Bands anschaut.

Dora de Goederen: Generell wäre es schon wichtig, österreichische Musik etwas sichtbarer zu machen. Schon in der Schule hat niemand in meinem Freundeskreis gecheckt, dass es irgendwie österreichische Bands gibt, die relevant wären – bis Bilderbuch gekommen ist. Und dann haben halt plötzlich alle Bilderbuch gehört. Aber selbst dann dachten alle, dass es keine anderen Bands in Österreich gibt. Das stimmt natürlich nicht, es gibt so viele andere Bands. Mich hat das immer sehr gewundert. Ich glaube, da spielt auch schon eine Rolle, dass außer auf FM4 nicht viel österreichische Musik im Radio gespielt wird. Man weiß einfach nicht, dass diese Bands existieren, wenn man nicht irgendwie in diese Blase reinkommt.

Wie sieht die gegenseitige Unterstützung innerhalb der österreichischen Indie-Szene aus?

Viktoria Kirner: Ich bin erst mit 22 auf mein allererstes Konzert einer österreichischen Band gegangen. Aber dann stehst du in einem kleinem Club und kommst drauf, dass wirklich talentierte Musikerinnen und Musiker Teil deines Freundeskreises sind. Plötzlich macht sich da eine eigene Welt auf. Aus dieser kleinen Indie-Blase gab es einige erfahrenere Musikerinnen und Musiker, die uns Türen geöffnet haben. Da ist eine Riesengemeinschaft da.

Tamara Leichtfried: Wir haben uns keine Tipps geholt, was wir genau im Proberaum machen sollen. Da ging es mehr darum, Konzerte zu organisieren oder zu erfahren, wo gerade jemand eine Vorband braucht.

Viktoria Kirner: Mir hat zwei Jahre lang jemand einen Bass geborgt. Und ich habe immer noch drei Effektgeräte zu Hause, die nicht mir gehören. Wenn man eine Band gründet, ist es natürlich vor allem auch immer eine finanzielle Frage. Natürlich braucht man dann Leute, die einem was borgen und technische Dinge erklären.

Merkt man als Girl-Band eine Diskrepanz zwischen weiblichen und männlichen Musikern?

Viktoria Kirner: In unseren Kreisen ist man mittlerweile zum Glück sehr sensibel darauf. Aber es gibt nach wie vor sehr viele Bands in Österreich, die aus einer Szene kommen, die fast ausschließlich aus Männern besteht. Da kriegen wir schon mit, dass der Umgang teilweise sehr fragwürdig ist. 2018 spielen immer noch fünf Typen auf einer Bühne mit Gitarre ohne Shirt und kommen sich vor, als wären sie die größten Heroes der Erde. Es ist arg, dass das funktioniert, ist aber halt leider noch so. Wir haben aber zum Glück keine Berührung mit diesen Bands.

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Traut man sich als Mädchen vielleicht auch weniger zu, Teil einer erfolgreichen Band zu sein?

Tamara Leichtfried: Bei mir war es so, dass ich schon mit fünf Jahren Klavier gespielt habe und mit 15 auf der Gitarre meines Bruders herumgespielt habe. Auch mit Freundinnen und Freunden haben wir zum Spaß mal herumprobiert. Aber wir wären nie auf die Idee gekommen, uns mal auf die Bühne zu stellen. Mit 21 oder 22 hab ich dann einen Freund in Linz kennengelernt und bin bei seiner Band eingestiegen. Da bin ich draufgekommen, dass die das alles schon seit Jahren machen. Genau zu der Zeit, als ich zu Hause gesessen bin und mich nicht getraut habe, Musik zu machen, haben alle meine männlichen Freunde, die jemals eine Gitarre in der Hand hatten, eine Band gegründet. Ich bin froh, dass ich jetzt überhaupt Musik mache, aber ich bin einfach extrem spät dran. Mir fehlt die Zeit, in der andere viel ausprobieren und Fehler machen konnten.

Dora de Goederen: Es wird zwar weniger, aber man bekommt auch oft noch Komplimente oder Kommentare, die sich mehr aufs Aussehen beziehen. Zum Beispiel im Freundeskreis haben viele Leute als Aufmunterung gemeint, dass wir voll cool auf der Bühne aussehen würden. Das ist auch nett gemeint und man hört es gern. Aber die Leute checken oft nicht, dass das nicht reicht, wenn man auf der Bühne eigentlich Musik gemacht hat.

„Man kann sich auch bei uns melden, wir kennen genug Leute.“

Haben Sie Tipps für eine neue Frauenband?

Tamara Leichtfried: Habt Spaß!

Viktoria Kirner: Traut euch und habt Spaß miteinander. Traut euch auch, live zu spielen, denn das festigt eine Band, weil man lernt, sich auf die anderen zu verlassen, und Vertrauen aufbaut. Wenn man das geschafft hat, schafft man vieles andere auch. Es gibt genug Bühnen, wenn sich man traut, sich sichtbar zu machen. Man kann sich auch bei uns melden, wir kennen genug Leute.

Wollen Sie jetzt auch im Ausland bekannt werden?

Tamara Leichtfried: Ich glaube, wir haben gar nicht so die konkreten Pläne. Eine Balkan-Tour wäre sehr fein, weil bei unserem Konzert in Skopje das Publikum sehr wertschätzend war. Und wir würden alle gern einmal nach Spanien fahren.

Viktoria Kirner: Es stehen schon gewisse Dinge im Raum, aber man muss schauen, was Sinn macht. Wir verfolgen nicht den Riesenplan, was wir in fünf Jahren gerne machen würden. Wir machen alle mal die Uni fertig und schauen, dass wir in der Zwischenzeit nicht verhungern.

Tamara Leichtfried [lacht]: Wir haben bis jetzt keinen Business-Plan aufgesetzt.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Anne-Marie Darok

 

Termin:
14. Dezember – Chelsea, Wien

Links:
DIVES (Facebook)
DIVES (Bandcamp)
Siluh Records