„WIR HABEN DEN DINGEN IHREN LAUF GELASSEN UND GESCHAUT, WAS PASSIERT“ – FREDL ENGELMAYR VON BULBUL IM MICA-INTERVIEW

Rund 27 Jahre Bandgeschichte, mehr als 10 Tonträger-Veröffentlichungen: BULBUL sind eine Konstante in der heimischen Musiklandschaft. Jürgen Plank hat mit FREDL ENGELMAYR von BULBUL über das eben erschienene Album „Silence!“ gesprochen, das am 28. Februar 2023 im WUK präsentiert wird. Und über selbst gebaute Instrumente, den Schlachthof Wels und den Gegensatz zwischen improvisierter Musik und deren Veröffentlichung auf einem Tonträger.

Beim Querhören mit älteren Releases von euch ist mir aufgefallen, dass das neue Album ruhiger ausgefallen ist. Inwiefern ist der Titel „Silence!“ für diese Veröffentlichung also Programm?

Fredl Engelmayr: Ich finde, du hast total Recht. Es ist auf jeden Fall ruhiger, auch wenn die Musik schon laut genossen werden soll. Es ist insgesamt insofern ruhiger, weil die Themen einfach länger ausgebreitet werden. Es gibt keinen Gesang, es ist in einer ruhigen Stimmung gehalten. Aber nicht, weil es leiser ist, sondern weil es ein bisschen mehr down to earth ist, nicht so aufgeregt, wie wir sonst oft sind. Das betrifft sowohl den Tonträger, als auch die Live-Umsetzung.

Das Rufzeichen im Titel ist natürlich auffällig, relativiert das die Ruhe?

Fredl Engelmayr: Wir hatten mehrere Titel zur Auswahl und der Albumtitel ist oft eine Bauchentscheidung. Das Gute am Rufzeichen ist, dass man mehrere Interpretationsmöglichkeiten hat. Ich freue mich bei Kunst immer, wenn das so ist und man sich als Betrachter seinen Teil dazu denken kann. Sowohl bei der Musik als auch bei der Titelgebung. Das Rufzeichen kann auch bedeuten: Seid endlich ruhig. Hört zu. Ich denke mir auch, dass es Silence im Jahr 2023 ohne Rufzeichen gar nicht mehr gibt. Alles ist laut, man wird ständig zugedröhnt, ob man will oder nicht.

Bild Bulbul
Bulbul (c) Klaus Pichler

„Wir vertiefen uns in diese ruhigen Sounds“

Dennoch seid ihr musikalisch kraftvoll und durchaus nicht leise.

Fredl Engelmayr: Wir sind ja eine laute Band. Wir wollen einen massiven Sound. Wir wollen immer, dass der Raum mit Sound gefüllt wird, geflutet wird. Wir spielen etwas Ruhiges, aber wir machen es laut. Und das ist das Rufzeichen. Wir streicheln teilweise die Instrumente nur, Didi verwendet zum Beispiel eine Stricknadel, die er über die Snare zieht. Das sind ruhige Geräusche. Wir klopfen zum Teil nur auf den Saiteninstrumenten herum und dabei entstehen sehr viele Obertöne. Dadurch, dass das in sich stimmig ist, wird es dann doch wieder massiv. Wir vertiefen uns in diese ruhigen Sounds. Es gibt aber auch heftige Stücke, die gleich loslegen. Das ist ja ein Pandemie-Album, diese Zeit hat mit uns schon etwas gemacht. Die Stimmung war im Studio dieses Mal etwas anders als früher. Man ist etwas bedachter. Wir waren sehr konzentriert und haben uns irrsinnig gefreut, dass wir Musik machen können.

Improvisieren ist ein Bestandteil eures Tuns, wie ist das beim neuen Album?

Fredl Engelmayr: Bei „Silence!“ greifen wir auf die Essenz dessen zurück, was wir machen: in dieser Formation mit Didi Kern, Roland Rathmair und mir, spielen wir seit dem Jahr 2001. Es hat sich so etabliert, dass wir im Proberaum oft sehr frei spielen. Früher haben wir das oft dokumentiert und das Material dann gesichtet. Aus dieser Auswahl haben wir dann Songs entwickelt. Bei „Silence!“ haben wir nur den ersten Schritt gemacht: wir haben uns getroffen und frei musiziert. Wir haben den Dingen ihren Lauf gelassen und geschaut, was passiert. Wir waren zwei Tage im Studio und haben sechs Stücke aufgenommen, die sind im Moment im Studio entstanden. Beim Album davor, bei „It’s like the earth is angry“, war die Herangehensweise ähnlich. Bei drei, vier Alben davor waren wir bemüht, Songs zu schreiben, die man vielleicht auch im Radio spielen kann.

Du baust selbst elektrische Instrumente, was machst du da?

Fredl Engelmayr: Ich nenne diese elektrischen Instrumente immer Upcycle-Instrumente. Das ist nie etwas anderes als ein Monochord: irgendein Teil mit einer Saite drauf, die dann elektrisch verstärkt wird. Das läuft über einen Tonabnehmer. Cool ist das Teil, auf dem das dann montiert ist. Ich habe zum Beispiel einen Tennisschläger umgebaut, mit dem man lustige Sachen machen kann. Man kann den Tennisschläger mit einem Bogen streichen oder man kann eine Kugel über die Saiten rollen lassen, das wird dann auch über den Tonabnehmer verstärkt. Es gibt einen Regenschirm, mit dem man HipHop-Scratch-Sounds imitieren kann, indem man ihn auf- und zuschiebt. Die Axtgitarre war bei meiner früheren Band Good Enough For You stark im Einsatz.

Sind diese Instrumente bei Bulbul im Einsatz?

Fredl Engelmayr: Ja, der Tennisschläger war bei unserem Album „Hirn Fein Hacken“ im Einsatz, aber eigentlich baue ich diese Instrumente mehr für mein Solo-Projekt Raumschiff Englmayr.

Ihr habt „Silence!“ bereits in Graz und in deiner Heimatstadt Wels im Schlachthof präsentiert, inwiefern ist das ein besonderer Ort für dich?

Fredl Engelmayr: Der Schlachthof war für das, was ich mache, extrem prägend. Ich habe dort – eh erst relativ spät – im Alter von 18 oder 19 Jahren angedockt. Ich habe mich davor nicht wirklich ausgekannt mit Musik, aber dort habe ich irrsinnig viele verschiedene Sachen gesehen. Jedes Jahr gibt es das Festival „Unlimited“, und als ich jung war, habe ich da die abgefahrensten Dinge gehört. Und da ist klar geworden, was alles möglich ist, abseits von dem, was im Radio auf Ö3 läuft.

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Die Musicbox gab es früher auch auf Ö3.

Fredl Engelmayr: Das stimmt. Die Musicbox mit Fritz Ostermayer und Thomas Edlinger war schon auch eine Prägung. Das hat gut mit dem Schlachthof zusammengepasst. Jetzt im Schlachthof zu spielen, ist sehr schön, weil man sich auch von früher kennt.

Ihr habt 2020 ein Album veröffentlicht, auch 2022 und jetzt gibt es schon wieder ein neues Album. Wie schafft ihr es, einen so hohen Output zu generieren?

Fredl Engelmayr: „Silence!“ ist unser zehntes Album, die Kassetten haben wir da nicht mitgezählt. Wir wollen ja musizieren! Ich bin froh, dass ich das noch immer machen kann. Trotzdem verbringe ich viel Zeit mit Dingen, die ich nicht so gerne mache, mit Organisation und dem Schreiben von Rechnungen und so. Bei den letzten beiden Alben war es sehr einfach, weil es ja längere Zeit nicht möglich war, sich zu treffen. Wir konnten auch keine Konzerte spielen und ich denke schon, dass wir ausgehungert waren. Bei „It’s like the earth is angry“ aus dem Jahr 2022 war es so, dass wir uns vor der Produktion über Monate nicht getroffen haben. Dann gab es zwei kurze Sessions und das Album war fertig.

Ein Album von euch heißt „Hilfreich seit 1996“, wie wichtig ist euch Humor?

Fredl Engelmayr: Für uns ist Humor schon wichtig, er wird nur manchmal so missverstanden, als ob wir es nicht ernst meinen würden. Wir nehmen es sehr ernst. In allem, was man macht, sollte eine Prise Humor enthalten sein, das wäre meine Idealvorstellung. Sonst hat das ja keinen Sinn. „Hilfreich seit 1996“ war ein Jubiläums-Release, da hat es die Band seit 20 Jahren gegeben. Damals haben wir ein Mal im Monat im rhiz gespielt und in jedem Monat eine Single auf dem Label Rock Is Hell veröffentlicht. „Hilfreich seit 1996“ ist die Kompilation dieser Singles.

Bild Bulbul
Bulbul (c) Ola Queen

Eure Covers sind auffällig, da sind immer besondere Bilder in Verwendung. Arbeitet ihr mit Bildenden Künstlern und Künstlerinnen zusammen?

Fredl Engelmayr: Ja, immer wieder. Zum Teil mache ich die Covers oder wir fragen Künstler:innen, die wir kennen und schätzen. Das aktuelle Cover hat Inga Hehn gestaltet. Sie hat einen analogen Zugang gewählt und das Cover im Siebdruck hergestellt. Sie hat auf einer Folie gemalt und die Folie ist dann direkt belichtet worden. Es war ihr wichtig, dass die Haptik und die Energie von dem, was sie gemacht hat, erhalten bleiben.

„Etwas völlig Neues zu machen, ist so gut wie unmöglich“.

Wie siehst du diesen Gegensatz zwischen Improvisation und Tonträger, das Flüchtige wird mittels Tonträger sozusagen fixiert.

Fredl Engelmayr: Ja, da ist etwas dran, dass das eine Art Widerspruch ist. In einem Moment etwas Neues zu schaffen, was ja fast unmöglich ist, weil jeder und jede sein Repertoire hat. Also: etwas völlig Neues zu machen, ist so gut wie unmöglich. Vor allem wenn man gemeinsam improvisiert, will man sich sicher sein, dass das funktioniert, was man macht. Wenn Improvisation also den Moment zelebriert, den es nur jetzt gibt, dann ist es natürlich komisch, das aufzunehmen und zu veröffentlichen. Wir sind jetzt sogar so weit gegangen, dass wir diese Stücke von „Silence!“ geprobt haben und wir spielen sie live so ähnlich wie wir sie damals im Studio spontan eingespielt haben. Wir wählen ja aus, was wir veröffentlichen. Im Gegensatz zu einem komponierten Stück finde ich die Spontaneität beim Improvisieren gut. Man doktert da nicht herum und nimmt einen Takt noch heraus oder macht noch ein Break, damit die Musik spannender wird. Ich schätze am Improvisieren, dass man im Moment etwas erschafft, und finde es immer noch spannend, wenn das dann auf einem Tonträger ist.

Herzlichen Dank für das Interview.

Jürgen Plank

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Live:
28.2.2023, WUK, Währinger Str. 59, 1090 Wien, 20 Uhr

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