WIEN MODERN 2011: Tableaux Vivants (Nachbericht)

Tableaux Vivants. Gemälde, die von Personen nachgestellt und damit zum Leben erweckt werden. So wollte es die Erzieherin der Kinder des Herzogs von Orleans und die daraus erwachsende Mode im Sinne der Bildung und Unterhaltung. Eine zeitgenössische Adaption der ins 18. Jahrhundert zurückreichenden Tradition wurde nun im Rahmen von Wien Modern in der Zusammenarbeit des Malers Roland Rauschmeier, der Choreographin Anne Juren und des Komponisten Johannes Maria Staud in aktualisierter, auch hinterfragender Weise lebendig.

Damit löst Matthias Lošek ein Vorhaben ein, das er sich für seine Intendanz vorgenommen hat: dem szenischen Aspekt mehr Raum zu geben. Zunächst treten leise rasselnde, ratternde elektronische Klänge ans Ohr und verbinden sich mit gehaltenen, instrumentalen Tönen, famos dargebracht vom Ensemble Phace unter Simeon Pironkoff. Die Tanzenden sind in Steinzeitmontur gekleidet, sich an einem Feuer aus einem Laptop wärmend oder Brennholz einwickelnd. Szenenwechsel. In der Mitte der Bühne ruht ein von grauen, sich teilweise überschneidenden Kreisen geprägtes Bild. Dahinter hervor treten Körperteile der bunt gekleideten Tänzerinnen, die zu lateinamerikanischen Rhythmen in Interaktion miteinander und mit dem Gemalten treten. Doch das ist nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommt. Denn schon in der nächsten Szene werden bunte Bilder in diversen Größen selbst zu tanzenden Objekten, indem die TänzerInnen sie vor sich hertragend mal gerade nebeneinander aufstellen, mal schräg halten und anschließend im Raum umherwandern und so in unterschiedliche Beziehungen zueinander setzen. So wird das Verhältnis von Gemälden und Tanzenden immer enger, wenn etwa eine Tänzerin ihr Haar über das Gemälde mit dem Titel „Meavy Metler schaut fernsehen in seinem Wohnzimmer“ hängen lässt oder der gemalte Pinocchio mit einer Tänzerin über die Bühne gezogen wird.

Humorvoll fließen so die Kunstformen ineinander, wenn die eine die andere kommentiert und damit ein neuer Blick auf Gewöhntes eröffnet wird. Denn gewöhnt scheinen die in den Gemälden festgehaltenen Bezüge zu den Anfängen der abstrakten Malerei, einem Kunstdruck von Schiele, einem verfremdeten Union Jack oder Jackson Pollock ähnelnden Schüttbildern. Kommentare über Kommentare, die man als Zuseher aufgefordert wird, sich selbst zu bilden. Und dabei ist der Einsatz der Medien noch nicht erschöpft, denn eine Leinwand wird umfunktioniert, um auf ihr einen Film ablaufen zu lassen: Neben dem schon zuvor Zitierten lässt nun auch Oskar Schlemmer grüßen, wenn mit Baumaterialien bekleidete Figuren durch einen Baumarkt tanzen. Und immer wieder ergeben sich witzige Szenen, wenn Tänzer die gefundenen Materialen umfunktionieren. Wie die Medien wechselt auch die Musik immer wieder, lässt entspannte Melodien oder auch unheimliche Klangwelten erstehen. Doch dient sie nicht der reinen Untermalung, sondern schafft eine weitere Ebene.

Den Rezipierenden bleibt es so überlassen, selbst Bezüge zu dem Gesehenen herzustellen. Oder es auch zu lassen. So ersteht ein vielfältiger Mix aus Medien, die durch die Kombination in einen neuen Zusammenhang gestellt werden und durch ihren ungewöhnlichen Gebrauch zu einem flexiblen Umgang mit ihnen auffordern. Denn warum müssen Gemälde immer nur an der Wand hängen? Lassen sich doch in Bewegung mit ihnen und in Wechselwirkung mit anderen Kunstformen erst recht ungewöhnliche Sichtweisen und spannende Interpretationen finden.
Doris Weberberger

Tableaux Vivants (Roland Rauschmeier, Johannes Maria Staud, Anne Juren) © Gregor Titze

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