Wie klingt Europa dieses Jahr? Das EUROSONIC NOORDERSLAG 2019 im Rückblick

Wer wissen will, an welchen aufstrebenden Musikerinnen und Musikern man 2019 nicht vorbeikommt, muss Anfang des Jahres in den Norden der Niederlande reisen, und zwar nach Groningen. Dort trifft sich das Who’s who der europäischen Popwelt. Auf dem Festival EUROSONIC NOORDERSLAG (ESNS) konnte man heuer von 16. bis 19. Jänner zum 33. Mal angesagte neue Bands entdecken. Aus Österreich waren 5K HD, AT PAVILLON, AVEC, DORIAN CONCEPT, MAVI PHOENIX, MOLLY, NAKED CAMEO, PETROL GIRLS und THORSTEINN EINARSSON für das Festival gebucht. Mit insgesamt neun Acts aus Österreich mehr als jemals zuvor, wenn man von der Ausgabe mit Österreich-Schwerpunkt aus dem Jahr 20014 absieht. Ein Zeichen dafür, dass der Aufwärtstrend und die Dichte an vielversprechenden Acts hierzulande mittlerweile auch im Ausland wahrgenommen werden.

Es gab heuer einige Neuerungen auf dem Festival. Die Konferenz, die ein integraler Bestandteil von ESNS ist, hatte die Schwerpunktthemen Diversität und Nachhaltigkeit. Über 4.000 BranchenvertreterInnen und Musikprofis aus 44 Ländern besuchten das Eurosonic Noorderslag. Insgesamt konnte man 342 Acts in 42 Locations hören, Schwerpunktländer waren diesmal die Slowakei und Tschechien.

Das Festival hat aus österreichischer Sicht schon sehr erfolgreich begonnen. Bei den Music Moves Europe Talent Awards, die den EBBA Award abgelöst haben, waren zwei heimische Acts unter den zwölf GewinnerInnen. AVEC (in der Kategorie „Singer-Songwriter“) und Stelartronic (in der Kategorie „Electronic“) wurden mit der begehrten Trophäe ausgezeichnet. AVEC bekam den Award in der Show überreicht und war beeindruckt von der Atmosphäre: Es war wunderschön, beim EUROSONIC dabei gewesen zu sein. Den Moment, als wir den Award bekommen haben, werde ich nie vergessen. ESNS 2019 ist für mich ein Austausch von neuer großartiger Musik und ein Entdecken von wundervollen, talentierten Künstlerinnen und Künstlern.“

AVEC - MMETA Show at ESNS 2019
AVEC – MMETA Show at ESNS 2019

45 Minuten, die perfekt sitzen müssen

Am ersten Abend spielte außerdem noch die Tiroler Band Molly im renommierten Club Vera. Molly schildert uns rückblickend den Moment, bevor sie die Bühne betreten haben: „Man fährt so viele Kilometer, probt so viele Stunden, investiert so viel Geld und es wird runterdestilliert auf 45 Minuten, die perfekt sitzen müssen. Da wird man schon mal nervös, aber spätestens nach dem ersten Song waren wir voll drin.” Genau dieser Moment, die Band in Erwartung auf ihren Auftritt, blieb auch Bernadette Karner, der Managerin, in Erinnerung: „[…] das Erspähen mir bekannter Gesichter, wie beispielsweise von Medienvertreterinnen und -vertretern und nationalen wie internationalen Promoterinnen und Promotoren,  im Publikum und die positiven Rückmeldungen in den darauffolgenden Tagen während eines an guten Bands nicht armen Festivals.“ Und ergänzt: „EUROSONIC 2019 bedeutet für mich das Erreichen eines Zwischenziels. MOLLY konnten zu einem wichtigen Zeitpunkt, kurz vor der Veröffentlichung des Debütalbums, ihre Stärken unter den bestmöglichen Voraussetzungen unter Beweis stellen. Dem Fachpublikum war es möglich, sich ohne Einschränkungen eine repräsentative Meinung zu bilden.“

Der zweite Festivaltag startete für die österreichischen BranchenvertreterInnen beim „Austrian Networking Lunch“, organisiert von Austrian Music Export. Dort nutzten viele die Möglichkeit, in entspannter Atmosphäre mit Menschen, mit denen man bisher lediglich über elektronische Wege in Kontakt stand, persönlich ins Gespräch zu kommen.

Am Abend waren dann alle Acts aus Österreich auf den Bühnen des Eurosonic Noorderslag tätig. Thorsteinn Einarsson spielte in der Doopsgezinde Kirk, einer Kirche. „Ganz am Schluss, als sich das Outro von ‚Swingset‘ aufgebaut hat. Die Stimmung wurde immer besser und ‚größer‘, umso mehr sich das Outro aufgebaut hat und irgendwann waren dann alle Hände oben, alle haben mitgeklatscht und wir alle in dieser Kirche haben diesen Moment gelebt und ihn geteilt . Das war schon sehr speziell“, beschrieb Thorsteinn Einarsson sein Debüt beim Eurosonic.

Schon im Vorfeld wurde der Gig von Mavi Phoenix auf einer der Hauptbühnen des Festivals, dem „Grand Theatre“, immer wieder als Must-see erwähnt. Auch auf der Festival-App ließ sich dieser Hype in Likes und Zusagen beziffern. Dementsprechend war es sehr gut gefüllt, als Mavi Phoenix um 20:00 Uhr die Bühne betrat, überzeugend performte und bewies, dass sie 2019 definitiv ein „Artist to watch“ ist. Kurz danach standen Naked Cameo im Barn auf der Bühne. Die Band, deren Sound zwischen Electronica, Pop und R ’n‘ b inklusive organischer Beats und ausgedehnter Synths oszilliert, hat vor kurzer Zeit auch schon ein zweites großes Showcase-Festival, nämlich das Reeperbahn Festival in Hamburg, bespielt.

At Pavillon hatten mit ihrem soeben erschienenen Debütalbum im Gepäck vor allem den Plan, beim ESNS Kontakte ins benachbarte Ausland zu knüpfen. Ihr Auftritt hat dieses Ansinnen sicherlich unterstützt. Die Band konnte vor dem Fachpublikum überzeugen und positives Feedback in Empfang nehmen.
Und wie sieht es auf der anderen Seite der Bühne, im Publikumsraum aus? Zock, der Drummer der Petrol Girls, erklärte: „EUROSONIC 2019 bedeutete für uns eine gute Möglichkeit, einmal vor fast durchwegs ungewohntem Publikum zu spielen, was vor allem für unsere Sängerin Ren eine seltene und spannende Herausforderung war. Innerhalb unserer Szene sind es Konzertbesucherinnen und -besucher eher gewohnt, zwischen den Songs politische Ansagen zu hören, was bei einem Showcase-Festival eher ungewöhnlich scheint.“ Auch die „Artist Area“ dürfte den Petrol Girls zugesagt haben, besonders als „[…] wir nach einem stressigen Reisetag die überaus großzügige ‚Artist Area‘ samt Künstlerbooten aufgefunden haben. Mit solch angenehmen Gegebenheiten werden wir sonst recht selten verwöhnt. Das Poolcentrum als Venue war auch eine angenehme Überraschung – hatte definitiv die perfekte Größe und Stimmung für unsere Show.“

Im Groninger Forum, einer Location, die sonst als Kino genutzt wird, hatten 5K HD eine riesige Bühne zur Verfügung. Das hochkarätig besetzte Ensemble, bestehend aus den renommierten Musikern der österreichischen Band Kompost 3, Martin Eberle (Bläser), Benny Omerzell (Keys), Manu Mayr (Bass) und Lukas König (Schlagzeug) sowie der Sängerin Mira Lu Kovacs von Schmieds Puls lieferte in dem gut gefüllten Saal, in dem sich einige internationale Festival-Booker eingefunden hatten, einen grandiosen Auftritt.

Den allerletzten Gig mit österreichischer Beteiligung hatte Dorian Concept inne. Im Simplon brachte Dorian Concept zu später Stunde den Floor mit seinem virtuosen Spiel auf microKORG zum Beben und die BesucherInnen zum bouncen. Auch die ZuschauerInnen in den hinteren Reihen im randvollen Simplon konnten die Fingerfertigkeit und den einzigartigen Einsatz des microKORG über die ausgeklügelte Live-Visuals mitverfolgen.

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Ab nun werden wir mit Spannung beobachten, welche Früchte die Auftritte auf dem ESNS 2019 den Acts bringen – und haben noch eine Tipp für alle Insider: Das Festival veröffentlicht regelmäßig Listen über Bookings und Airplays der Bands, die bei der jeweiligen Ausgabe des Festivals vertreten waren. Mit ihren Auftritten bei der Eurosonic 2019 haben sich die Bands aus Österreich auf jeden Fall höchst professionell in die Auslage Europas größten Branchenfestivals für Pop, Rock und Elektronik gestellt.

Rainer Praschak


Links:
Austrian Music Export
Eurosonic Noorderslag