LUKAS KÖNIG ist ein Schlagzeug-Wunderwuzzi. Mit seinem KŒNIG Soloalbum „Messing“, das am 3. Juni 2020 auf VENTIL RECORDS erscheint, hat der Niederösterreicher sein Drumkit auf ein Becken reduziert. Das Ergebnis ist kompromisslose Befreiungsschlagmusik, bei der Fäuste trommeln bis Wände wackeln. Wie Metall sein Spiel verformt, welche Schlagtechniken er dafür entwickelt und warum man sich in New York eine Watsche abholt, erzählt LUKAS KÖNIG im Interview mit Michael Franz Woels und Christoph Benkeser.
„Messing“, der Titel deines neuen Soloalbums, der sich auf das Material von Schlagzeug-Becken bezieht und auch auf das englische „messing around“ – dieses mono-materielle Reinzoomen in metallische Becken-Sounds – klingt in seiner brachialen Machart wie ein Befreiungsschlag von deiner Rolle als virtuoser, ironischer Avantgarde-Entertainer?
Lukas König: Die R’n’B-, Hip-Hop- und Pop-Richtung habe ich schon mit dem letzten Album „Best of 28“ abgehandelt. Außerdem habe ich mich mit 5KHD viel mit diesen Genres befasst und wollte etwas anderes machen, mich mehr dem Improvisieren und Experimentieren mit Sounds hingeben. Durch die Proberaumsuche und dem Fund eines Lagers, hat es sich mit dem „leisen Musikmachen“ ergeben, dass ich angefangen habe, mir diverse Bleche durch Kontaktmikrofone anzuhören und damit Schlagtechniken zu erfinden und zu entwickeln.
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Die Special Edition-Release Show von „Messing“ findet am 3. Juni im Rahmen von „the show must go (on)line“ – wie deine große zweitägige Personale 2018 – wieder im Porgy & Bess statt. Wann findest du neben deinen unzähligen Projekten eigentlich Zeit für deine Solo-Aufnahmen?
Lukas König: In der Quarantäne war das besagte Lager ein Ausweichsort, wo ich arbeiten konnte. Da alle Bands und Projekte ohnehin on hold sind, habe ich sogar mehr Zeit für meine Solo-Sachen als zuvor. Ein paar Dinge zu ändern und mich auf Improvisation, Experimentelles und Noise zu konzentrieren war aber eine Entscheidung, die ich schon vor der Quarantäne getroffen habe.
„Das Becken ist nicht mehr als Becken erkennbar.“
Deine ersten beiden Solo-Alben, die EP „kœnig” (2015) und „BEST OF 28” (2017) hat Markus Wallner gemastert, diesmal hast du mit Nik Hummer zusammengearbeitet. Wie kam es dazu?
Lukas König: Markus Wallner begleitet mich seit Jahren in Projekten und meinem Solo-Projekt als Live-Techniker. Er brilliert und holt das Beste aus jeder Situation heraus. Bei den ersten Solo-Veröffentlichungen habe ich alles selber aufgenommen, editiert und gemischt. Allerdings habe ich von Mastering keine Ahnung. Markus Wallner war mir am nächsten, er hat es schnell und funktionierend umgesetzt. Die Zusammenarbeit mit Nik Hummer ergab sich vorletztes Jahr beim Mopcut-Debüt „Accelerated Frames of Reference“ (Trost Records). Ich bin an ihn herangetreten, um mir beim Editieren und Selektieren zu helfen. Er hat dabei radikal und ausgewählt eingegriffen – und die Platte mit einem großartigen Mix einfach besser gemacht. Bei „Messing” bin ich von Anfang an zu ihm [ins minusgroundzero; Anm.]: Er hat ein super klingendes Studio, ist extrem offen für neue Sounds und holt mit seinen analogen Geräten und modularen Synthesizern das Beste heraus. Außerdem macht er keine Kompromisse. Das ist manchmal hart, aber saugut.
Auf deinen beiden ersten Solo-Alben kam der Bass-Synthesizer öfter zum Einsatz. Bei deinem aktuellen Album „Messing“ scheinen Melodien oder Harmonien keine große Rolle zu spielen. Wie bist du an „Messing“ herangegangen?
Lukas König: Ich war mit meiner Family in der Wohnung des Schlagzeugers Peter Kronreif in New York einquartiert. Dort stand ein Becken, auf dem ich mit meinem Sohn mit verschiedensten Sticks und Chopsticks herumgespielt habe. Dabei bin ich draufgekommen, dass man durch die Drehung des Beckens mit einem Chopstick eine Art „Rattern“ bzw. Widerstand erzeugen kann, das ich als solches nur von brasilianischen Pandeiro/Tamburin-Spielern kannte. In meinem Lagerkämmerchen in Wien habe ich dann geübt, kontrollierter mit diesem Effekt umzugehen und verschiedene Klänge und Strukturen zu erzeugen. Außerdem war ich Teil eines Performance-Stücks von Laia Fabre und Thomas Kasebacher, wo ich mit Vibratoren am Becken gespielt habe. Das erinnerte mich an Free-Jazz-artige Bass-Saxophon-Sounds. Nik Hummer hat mir im Studio Holz- und Metallbälle gegeben, um damit am Blech zu improvisieren. Das Album ist ein Versuch, das Messing-Becken mit Low-End und Verzerrung als fremden, neuen Sound entstehen zu lassen. Das Becken ist nicht mehr als Becken erkennbar, sondern als sensenhaftes, bronzenes Werkzeug.
Vergangenen November hast du im Flex eine „cymbal show“, eine Show mit einem Becken gespielt. War diese Klangstudie vor Publikum die Ausgangslage für „MESSING“?
Lukas König: Nein. Da waren die ersten Nummern schon im Kasten. Das war quasi einer der ersten Versuche – nach einem Rhiz Gig bei Vincent Pongracz’ Synesthetic Wednesday – um mein bisheriges Solo-Set auf ein Becken-Soloset abzuändern. Aber teilweise noch mit umgemodelten, alten Songs. Aber der Gig war sehr wichtig für mich, da ich Input und Kritik bekommen habe, was gut funktionierte oder nicht. Außerdem war dabei die Zusammenarbeit mit Bernhard Rasinger (BR-LASER) am analogen Laser extrem wichtig und prägend für mich.
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Hört man dein neues Soloalbum „Messing”, könnte man Krach mit verschiedenen Aggregatzuständen assoziieren. Zeitweise wirken die zehn Stücke wie eine Abfolge von Kaltverformungen aus dem Studio von Pierre Schaeffer. Es bumst, es kracht, es quietscht und kreischt. Verfolgst du damit eine Ästhetisierung von Krach? Gibt es bei solchen Projekten noch anknüpfende Momente zu deiner Jazz-Herkunft?
Lukas König: Krach ist eine Art von Sound. „Messing“ ist die Motivation und Aufgabe, das Vorhaben möglichst genau und kontrolliert auszuführen und eine eigene Sprache zu sprechen – und trotzdem die Improvisation und die Suche nach neuen Klängen walten zu lassen. Ich habe mich nie entfernt von meiner Herkunft und könnte doch nicht weiter davon entfernt sein.
„Ich dachte mir, ich setze das längste und schiachste Stück an den Anfang, damit sich bei den Hörerinnen und Hörern gleich mal die Spreu vom Weizen trennt.“
Mit Ventil Records hast du für die Arbeit eine idealtypische Bleibe gefunden – an wen richtet sich das Album?
Lukas König: An wen richtet sich das Album: an den Mainstream? Dass mal irgendwas anders gemacht werden kann? Ich weiß es nicht. Ich dachte mir, ich setze das längste und “schiachste” Stück an den Anfang, damit sich bei den Hörerinnen und Hörern gleich mal die Spreu vom Weizen trennt. Wer das aushält, hat sich den Rest verdient. Ich bewundere Leute, die ein Ding machen und es durchziehen – koste es, was es wolle. Gleichzeitig mag ich viele andere Sachen, ich möchte mich nicht festlegen müssen. Das Komische ist, dass man schwer etwas gegen Perfektion und Kontrolle in der Musik einwenden kann, denn Virtuosität fasziniert immer. Aber sie kann manchmal auch nerven.
Die brutale Rohheit durch das Bearbeiten und Resonieren von Oberflächen bringt manchen Stücken auch eine physische, beinahe körperliche Komponente mit ein. Ist „Messing” für dich Körpermusik?
Lukas König: Naja, ich dresche da schon ordentlich auf das Becken ein. Manchmal sogar mit meinen Fäusten. Der Klang erinnert laut Markus Wallner auch manchmal ans Dengeln [Schärfen von Sensen; Anm.] oder an Feedbacks. Es ist aber anders körperlich als eine körperliche Reaktion – sei es denkend oder in der Bewegung veranlagt. Das möchte ich mit meinem Sound bewirken. Also das Gegenteil von: „Aha, nächstes…“
Stellen wir Körpermusik in Bezug zu deinen „metallurgischen Sounds“: Was verformt das Spiel mit dem Metall?
Lukas König: Das Metall verformt eher das Spiel. Aus einem billigen Blech so viel wie möglich – also frequenz-, sound- und strukturmäßig – rauszuholen, ist interessant. Je länger ich mich damit befasst habe, desto mehr habe ich über bestimmte Bewegungsabfolgen gelernt und teilweise Drum-Rudiments übernommen – ohne dass der Bronze-Klang verloren geht und diese krassen Obertöne untergehen.
Man vermisst auf „Messing” deinen ironischen Sprechgesang amerikanischer Prägung. Es gibt nur den Track “Eyeball”, bei dem du direkt in ein Becken – wütend und selbstreflexiv mehr zu dir als zu einer Hörerinnen- und Hörerschaft – zu sprechen scheinst. Weiters finden sich Gastauftritte von Coco Béchamel [früher bei deinem Projekt mit Leopold Riegler als MC Rhine bekannt; Anm], von Elvin Brandhi und der Brooklyn Underground Rap-Legende Sensational. Wie kam es zu diesen Features?
Lukas König: Meine „albernen” Rap-Versuche haben sich gehäuft und ich bin draufgekommen, dass es nicht echt ist. Ich kann zwar so tun, aber es ist nicht real. Deswegen habe ich es auf einen Track heruntergebrochen, bei dem ich meine Gedanken in Worte gebracht habe. Die „I“s in diversen Textzeilen von Musikstücken oder der Realität von manchen Menschen gingen mir schon länger auf die Nerven. Ich habe schon länger einen ähnlichen Track im Repertoire gehabt, wo ich mit „I’s“ und „me’s“ improvisiere. Karolina Preuschl [Coco Béchamel; Anm] kam mit einem „harten” Text, nachdem sie den Film „Waldheims Walzer” gesehen hatte. Die Nummer „Sesselleiste“ ist sehr super geworden. Gerade durch sie! Ich bin ein großer Fan von ihren Solo-Performances und auch von der Zusammenarbeit mit Leo Riegler [Koenigleopold; Anm]. Elvin Brandhi habe ich durch Ventil Records und Peter Kutin live im Fluc kennengelernt. Ich wollte sie unbedingt auf meiner Platte featuren. Die Nummer ist irgendwie auf einmal zu etwas super-crazy und weirdem mutiert. Sensational kenne ich durch Leo Riegler. Ich habe jahrelang seine Platte „Sensational meets Kouhei“ gehört. Es war für mich so untypisch, wie dieser Typ rappt. Ich dachte, dass er irgendwie der New Yorker Seelenverwandte von Leo Riegler sei. Durch meine New York-Aufenthalte lag es auf der Hand, dass ich ihn fragte, ob er Lust hätte, einen Track zu machen. Ich habe über Roland Oreski von Elevate Graz seinen Kontakt bekommen, ihm eine E-Mail geschickt – und zwei Minuten später schickte er mir eine WhatsApp-Nachricht: „send me the money right now”. Das habe ich gemacht.
Das Album beginnt mit dem Die-Spreu-vom-Weizen-trennen-Track „Hot Springs” – es klingt, als wolltest du fünf Minuten lang den Motor des Albums anstarten… Es wühlt auf, es rüttelt auf, aber eine persönliche Beobachtung war auch, dass man sich gut zu den Tracks konzentrieren und fokussieren kann. War das Thema Fokussierung generell eine Klammer für die unterschiedlichen Tracks?
Lukas König: „Hot Springs” war inspiriert von Laia Fabres und Tom Kasebachers [gleichnamigen; Anm.] Stück im WUK 2019. Mit zwei Vibratoren Frequenzen auszulöschen und zu erzeugen, die an ein Bass-Saxofon à la Colin Stetson oder Mats Gustafson erinnern oder auch an eine Schärfung von Mäh-Klingen, das hat mir getaugt. Der Arbeitstitel von „Ceres“ war „Distortion/zerr“ und „Ceres“ als Fett/Butter hat für mich gut dazugepasst. „Radœ” ist eines der ersten wiederholten Worte meines Sohnes. „Chop ZD” hat seinen Namen von den langen Koch-Chopsticks, die ich immer beim selben Chinakitchen-Shop in der Kettenbrückengasse einkaufe. „Figure 8” ist der Name des Studios, in dem ich „Radœ” und „Figure 8” aufgenommen habe. Es befindet sich in New York und wird von Shahzad Ismaily betrieben, er ist bekannt durch Marc Ribot’s Ceramic Dog oder Laurie Anderson.
„Man holt sich in New York eine Art Watsche ab.”
Inwiefern haben dich in den letzten Jahren deine Amerika-Aufenthalte beeinflusst – deine musikalischen Ausrichtungen oder auch deine Einstellungen zum Musikmachen?
Lukas König: Sehr! Die Gegebenheiten auf den Bühnen und Proberäumen New Yorks sind anders. Man muss schnell, effektiv und kontrolliert agieren, um aufzufallen oder wahrgenommen zu werden. Es gibt wenig Geld und die Ausstattung ist oft dürftig. Man lernt sehr gut, aus Nichts das Beste zu machen. Picky zu sein macht dort wirklich wenig Sinn. Man nimmt jeden Job, weil man die Kohle braucht. Es hat meine Aufmerksamkeit und Offenheit entwickelt und meine Genügsamkeit runtergestutzt. Man holt sich dort eine Art Watsche ab, um wieder auf den Boden der Realität zu kommen, nachdem man in kleinen Ländern wie Österreich als Weltberühmtheit in den Himmel gelobt wird. Das wirkt aus der Sicht von New York lächerlich.
Man sollte keine Desinfektionsmittel auf Messing anwenden. Was sollte man auf keinen Fall machen, während man „Messing” hört?
Lukas König: Die Platte nur nebenbei als Hintergrundmusik oder zu leise mit wenig Bässen zu hören, macht wenig Sinn.
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Für dein Impro-Projekt Mopcut mit Audrey Chen und Julien Desprez – mit seinem düsteren, hoch-energetischen Drive deinem Album „Messing” klanglich nahestehend – hast du das Video zu „Fictitious Forces” gemacht; und letztes Jahr für das Klangforum Wien mit „Stereogram 1“ ein Orchesterstück komponiert. Immer wieder scheinst du deinen musikalischen und künstlerischen Horizont und Aktionsradius zu erweitern. Welche musikalischen, künstlerischen Felder, die du dir bisweilen noch nicht erschlossen hast, würden dich in Zukunft reizen?
Lukas König: Aus der Not wird manchmal eine Tugend – wie bei „Messing” im Lager auf einem Becken kratzend. Das Experiment und die Improvisation sind in der nahen Zukunft schwerwiegend in meinem Interesse. Hat man wieder Geld für einen neuen Synth oder ein neues Becken, dann verändern neue Instrumente Klangvorstellungen und bringen Ideen für Sounds. Ich möchte mich nicht stur an ein Genre klammern. Aber ich muss aufpassen, dass ich den Fokus behalte und mir meine Daten nicht abhandenkommen. Manchmal gibt es einfach zu viele Optionen und Wege. Und ich bin schon ein Mensch, der sich sehr schwer mit Entscheidungen tut. Deswegen bin ich dann manchmal der Meinung: „Bevor Material nicht herauskommt, weil es zu lange liegt – und bevor wieder eine Festplatte crasht und alles verloren ist – muss ich es so schnell wie möglich auf CD oder Vinyl pressen lassen.”
Herzlichen Dank für das Interview!
Christoph Benkeser & Michael Franz Woels
Links:
Lukas König / Laub Records
KŒNIG