“Wenn die Felder sich verdunkeln, wird jeder Laut bilderreicher”

Das Jazzorchester Vorarlberg und der Kammerchor “Vocale Neuburg” realisieren “Carpe Noctem” von Johannes Berauer Der Trompeter Martin Eberle ist ein umtriebiger Kopf, stets interessiert an seiner musikalischen Umgebung und auf der Suche nach Neuem. Er ist Mitglied in mehreren Jazzensembles und Mitbegründer des Jazzorchesters Vorarlberg. Seit einigen Jahren lebt Martin Eberle in Wien, wo er im Rahmen des Projektes “Vienna Jazz Composers” den oberösterreichischen Komponisten Johannes Berauer kennen gelernt hat. Bald bemerkten die beiden, dass sie eine ähnliche musikalische Wellenlänge haben und beschlossen, zusammen eine groß angelegte Produktion zu realisieren.

 
Als Kooperationspartner konnte Oskar Egle mit seinem Kammerchor “Musicale Neuburg” gewonnen werden. So erklingt im Jänner die Komposition “Carpe Noctem” und dazu begibt sich das Jazzorchester erstmals in einen sakralen Raum.
Martin Eberle freut sich auf die Zusammenarbeit mit Johannes Berauer, der im vergangenen Jahr die Musik zur Linzer Klangwolke komponiert hat. “Er ist ein junger engagierter österreichischer Komponist und hat einen eigenen und sehr interessanten Kompositionsstil. Er ist in beiden Genres, der Klassik und dem Jazz, zuhause und hat auch Erfahrung mit großen Besetzungen und Chor.” Vorgaben für das Werk gab nur wenige, allerdings sollte der Komponist Freiraum für Improvisationen gewähren. Der Kammerchor “Vocale Neuburg” hat mit den Proben bereits begonnen und der Chorleiter Oskar Egle merkt positiv an, dass Johannes Berauer auf die Rahmenbedingungen des Chores gut eingegangen ist.Romantische Textvorlagen
Für sein groß angelegtes Werk wählte Johannes Berauer das romantische Sujet “per aspera ad astra”, vom Dunkel zum Licht. “Die Musik versucht diesen Bogen über die gesamte Dauer zu spannen. Den roten Faden dazu hab ich mir von Drehbuchautoren abgeschaut. Das Werk orientiert sich an der so genannten “Reise des Helden”, einer archetypischen Form einer Geschichte, die sich in vielen Mythen wie Hollywood Filmen findet. In Kürze: Der Held verlässt seine gewohnte Welt, um eine Aufgabe zu erfüllen. Er durchsteht Ängste und Prüfungen und kehrt schließlich transformiert und/oder bereichert zurück. Der Gedanke, das in Musik umzusetzen fasziniert mich schon eine Weile”, so der Komponist.

 
Für jeden Solisten die geeignete Umgebung gewähren
Seiner Musik legte er Gedichte von Ilse Aichinger, Richard Dehmel, Phillip Klittich, Josef Prenner und Rainer M. Rilke zugrunde. Eine Art Leitmotiv zu den Worten “Carpe Noctem” (Nutze die Nacht) in Anspielung zum berühmten Seneca-Spruch “Carpe diem” (Nutze den Tag) dient als Zusammenhang stiftendes Element. Eine wichtige Überlegung für den Komponisten war die Positionierung der Solisten. Hauptprotagonist ist der Chor, der die Liedtexte singt. “So wird mancher Orts der Chor vom Orchester schlicht begleitet. An anderen Stellen geht es mir um den verschmelzenden Gesamtklang. Hier verwende ich den Chor auch ab und zu ,instrumental’, wie ein zusätzliches Register meines Orchesters”, erklärt Johannes Berauer. “Ich hab versucht, den Solisten eine ihnen entsprechende Umgebung zu entwerfen. Gleichzeitig ist es für mich wichtig, vor allem in so einem Werk, dass ein Solo auch eine dramaturgische Funktion erfüllt. Es gibt zwar auch ,Soloteile’ im traditionellen Sinn, aber meistens ist der Improvisator eine Farbe in der komponierten Textur. Auch die Möglichkeit, einen Solisten mit Chor zu begleiten habe ich mir nicht nehmen lassen. Das ist vor allem auch für die Musiker sehr spannend und ungewohnt.”

Den Kirchenraum vor dem inneren Ohr
Ein Jazzorchester trifft man nicht alle Tage in einem sakralen Raum mit der bekannt halligen Akustik. Darin liegen ein besonderer Reiz und auch Tücken. Besonders heikel ist der Einsatz des Schlagzeugs. Deshalb gibt Johannes Berauer auch zu bedenken, dass er für “Carpe Noctem” auf die Balance zwischen Orchester und Chor besonders geachtet hat. “Aus diesem Grund haben wir uns auch für eine etwas reduzierte Bläserbesetzung entschieden”, so Berauer, der weiters erzählt. “Ich habe während des Komponierens stets den Kirchenraum vor meinem inneren Auge bzw. Ohr gehabt. Ein Jazzorchester ist ja hier prinzipiell eher ein Fremdkörper. Insofern unterscheidet sich diese Musik deutlich von meinen früheren Werken für diese Besetzung. Dieser Klangraum hat mich zu einer Musik inspiriert, die wesentlich ruhiger, getragener ist als andere Stücke von mir. Generell ist der Klang wichtiger, als instrumentale Gesten. Es gibt lange Passagen, in denen sich ein Klanggeflecht aus einzelnen repetitiven Melodien aufbaut. Dieser Klang steht dann eine ganze Weile und füllt die Kirche. So was würde ich im Konzertsaal sicher nicht in der Art machen.”

Vor allem am Beginn wird die Bewegung im Raum in die Musik mit einbezogen, denn der Chor wandert singend zur Bühne. “Dies symbolisiert für mich die langsame Versenkung in sich selbst” so der Komponist. Auf der einen Seite ist der Raum musikimmanent gedacht, auf der anderen Seite spielen auch theatralische Momente eine Rolle.

 
Kreative Menschen finden sich zusammen und schaffen Originäres
Die Umsetzung dieses Werkes stellt für alle Beteiligten eine reizvolle Herausforderung dar. Es ist bezeichnend für die Ernsthaftigkeit, mit der alle bei der Sache sind, dass genügend Probenzeit eingeplant wurde, um die Stimmenbalancen und den gemeinsamen Atem der Musik im Jazzorchester- und Chorpart ausloten zu können. Oskar Egle bringt die Besonderheiten von “Carpe noctem” auf den Punkt, wenn er betont. “Grundsätzlich haben Uraufführungen immer einen großen Reiz, das erstmalige Erklingen eines neuen, für uns geschaffenen Werkes. Ich denke, dass aus solchen Gemeinschaftsproduktionen beide Klangkörper viel von einander lernen können. Die Verbindung von Chor und Jazzorchester mit eigens dafür geschriebener Musik eröffnet sicherlich neue Klangwelten.”
Silvia Thurner

Factbox:
Samstag, 9. Jänner 2010, JOV und Vocale Neuburg “Carpe noctem” Heilig Kreuz Kirche Bludenz, 20 Uhr
Sonntag, 10. Jänner 2010, JOV und Vocale Neuburg, Pfarrkirche Altach, 18 Uhr