Eins, zwei, drei … die WEAN HEAN Wartezeit ist bald vorbei. Vier, fünf, sechs … versprochen, ¢s wird a riesen Hetz‘. Sieben, acht, neun … und Stop! Seien Sie unbesorgt, das neue wean hean-Programm ist um Welten besser als diese geistarme Kinderreim-Dichtkunst. Lag dieses vor wenigen Wochen noch in fragmentarischen Puzzleteilchen chaotisch am Schreibtisch, so fügt es sich nun zu einem vollendeten großen Ganzen. Zu einem Konglomerat, bestehend aus zeitlos lebendigem Wienerlied und saftig, neuwertiger Stadttöne, aus einer musikalischen Komödie zum Beethoven-Jahr und einer Wanderung durch die Weinberge, aus der Buchpräsentation eines Autors, der fast die Stadt verlassen hätte, aus klassisch genialen Porträtabenden von KünstlerInnen aus der wean hean Familie, aus eher wenig beachteten Instrumenten wie der Zither und dem Picksüßen Hölzl und einem vermutlich unvergesslich humorvollen Geburtstagsfest im Schutzhaus zur Zukunft. Wien ist nicht anders. Wien ist einfach mehr. Und Wien wird wieder gehört: vom 16. April bis zum 16. Mai 2020.
Das Wiener Rathaus wird Schauplatz der wean hean Festivaleröffnung. Unter dem Motto „MA1604″ verbirgt sich naturgemäß keine Parodie des österreichisch-wienerischen Amtswesens. Denn auch hier gilt: ohne Wartenummer, keine Amtshandlung. Mit entsprechend freiwilligem Schmiergeld, bekommen Sie am Eingang besagtes Papierfetzerl und ihrem Magistrats-Abend steht kaum mehr was im Wege. Kaum. So ganz ohne „Vurschriften“ geht’s auch hier nicht: Die Parteienverkehrszeiten zwischen 19.00 und 23.00 Uhr sind strikt einzuhalten. Da fährt die U-Bahn drüber und drunter! Und obwohl Sie gemäß Paragraph 4, Abs. 2 der „wh“-Richtlinie für Unzuständigkeiten von einer Bühne zur nächsten geschickt werden, ist der Auftrag weniger ein Passierschein A38-Marathon, als ein – wie die Wiener*innen es lieben – gemütlicher Spaziergang von Bühne zu Bühne mit einem Glas Weinderl in der Hand. Und wissen Sie was? Sie treffen dort über 30 Künstler*innen, die sich alle für Sie zuständig fühlen und werden dabei in keiner Sekunde mit dem Gefühl konfrontiert, ein wichtiges Papierl vergessen zu haben. Was für eine Welt!
Und wer steckt dahinter? Nebst der großartigen Auslese bekannter Musiker*innen, wird einigen genialen Neuentdeckungen eine Bühne geboten. So sind beispielsweise zahlreiche Studierende der Wiener Musikuniversitäten unter der Obhut von Agnes Palmisano, Roland Neuwirth und Helmut Stippich zugegen. Das Wienerlied erfreut sich dieser Nachwuchs-KünstlerInnen ganz besonders.
Nicht nur in den Universitäten bilden sich neue Formationen: Der Schriftsteller Andreas Kurz und der Gitarrist Andreas Haidecker erobern unter dem Namen Andyman momentan diverse Wiener Privat-Wohnzimmer. Das wean hean will sie etwas mehr ins Rampenlicht stellen und offeriert eine Festivalbühne. Die grenzgenialen Texte des Duos sind geographisch irgendwo im hausruckviertlerischen Wien angesiedelt und widmen sich skurrilen Alltagssituationen sowie gesellschaftlichen Phänomenen. Ein Traum! Für Nachwuchs ist also gesorgt.
Erstmals auf der wean hean Bühne gastiert auch Verena Göltl; mit ihrer Luxuskombo bringt sie frische Wienerlieder, etwas Chanson und Dialekt-Jazz aus feinstem Zwirn. Und auch wenn die Protagonistin davon träumt einmal im Leben ein Nilpferd sein zu wollen: „mit Zähnt wia aus Ziagln & afoch sche blaad”, die Worte schmeicheln sich mit viel Grandezza in jeden noch so dunklen Seelenwinkel. Man lauscht gebannt ihrer eindrucksvollen Stimme und staunt, wie scheinbar mühelos jedes einzelne Lied ein eigenes kleines Universum in sich birgt.
Darüber hinaus gastiert der prämierte Dudelsackspieler, Maultrommel-Weltvirtuose, Experimental-Jodler, Stimmakrobat und Wortspieldichter Albin Paulus in den würdigen Rathaus Wappensälen. Und er bringt etwas Gutes mit: ein herausragendes Programm mit Akkordeon-Virtuosin Heidelinde Gratzl. Das wird schön!
Ja, und auch Wienerlied-Beatbox-Pop darf sein! Charmant, goschert, grantig und unheimlich inspirierend sind Verena Doublier und Sebastian Radon von Wiener Blond. Die zwei muss man einfach lieben! Sogar wean hean Taufpate Roland Neuwirth ist ein bisserl verliebt. Wenngleich die beiden für ihn niemals in der Klasse „Wienerlied“ sitzen, aber dennoch im Zimmer nebenan mit der Aufschrift: „Musik, die ich mag!“
Und da gibt es noch ein weiteres Klassenzimmer, es heißt: „Ich bin süchtig, ich singe wieder.“ Hier sitzt Roland Neuwirth – nach kürzerer Abstinenz als gedacht – wieder mit einem Ensemble auf der Bühne. Nicht mit den Extremschrammeln, sondern mit dem radio.string.quartet. Die klassischen Neuwirth-Kompositionen werden hier in ein neues Gewand gesteckt, frisch poliert und somit auf eine völlig andere, besondere Ebene gehoben.
Wunderbar „weanarisch g’redt, g’sungen und g’spielt“ wird auch von Tommy Hojsa, Rudi Koschelu, Tini Kainrath und Wolfgang Fifi Pissecker. Die zeitlosen Wienerlied-Klassiker stehen hier auf dem Menü. Da hüpft und tanzt das gold‘ne Wienerherz vor lauter Freud‘. Wer es kennt weiß, dass das nicht alles ist. Es zeigt sich ebenso raunzerd, eigensinnig und ein bisserl wehmütig, aber immer am Punkt. Im Mittelpunkt der Welt. Wien eben!
Das Wort „Liederabend“ klingt erstmal nicht sonderlich außergewöhnlich. Es sei denn, Lukas Kranzelbinder und Benny Omerzell haben ihre künstlerischen Finger im Spiel. Man soll ja im Leben nicht zu viele Erwartungen hegen, aber – so ganz im Geheimen – dieser Liederabend wird Sie so schnell nicht mehr loslassen. Die Bandbesetzung mit Kontrabass (Kranzelbinder) und Flügel (Omerzell) unterliegt dem Credo: weniger ist mehr! Dies gilt allerdings nicht bei der Auswahl der zahlreichen Vokalistinnen und Vokalisten, welche sich die beiden Musiker ins Porgy & Bess geladen haben. 16 Wiener Stimmen (unter ihnen: Violetta Parisini, Maja Osojnik, Martin Zrost) füllen diesen Abend mit ihren Lieblings-Seelenliedern. Sie singen für sich selbst, für das Publikum und für die Wiener Tafel. Ja, Sie haben richtig gelesen, alle Sängerinnen und Sänger spenden ihre Abendgage an die Wiener Tafel. Ein großzügig, köstlicher Zug!
Steierwally, die „selbsternannte Wally aus dem Mürztal am Fuße der Schneealpe” geborene Holzer; wohlerzogen durch die Wirtshausbühne; Flucht in die Heimathauptstadt; dem Jazz verfallen; durch Peter Havlicek das Lied aus Wien lieben gelernt; … So könnte ein Lexikoneintrag zu Traude Holzer beginnen. Aber dieser wäre niemals imstande die Großartigkeit, Herzlichkeit und Besonderheit dieser Frau zu vermitteln. Demzufolge widmet ihr das Wienerliedfestival einen Porträtabend in der Kulisse in Hernals, an dem sie einen Einblick in ihr Lebenswerk als Künstlerin im Kreise ihrer Lieblings(bühnen)menschen gewährt. Traude Holzer live im Duo Steinberg & Havlicek, mit den Neuen Wiener Concert Schrammeln, mit der frisch gegründeten Wienerliedfrauencombo Die Wondrak Lintschi‘s und ihrem liebsten Spiel- und Weggefährten Ernst Kovacic.
Das Wienerliedfestival wean hean ist außerdem Plattform für spartenübergreifenden Austausch und erfreut sich besonders, auch Lesehörsaal für die Buchpräsentation von Oskar Aichinger sein zu dürfen. Mit „Fast hätt‘ ich die Stadt verlassen. Vom Gehen und Verweilen an den Rändern von Wien“ betitelt der Autor sein mittlerweile zweites Buch und gibt zu bedenken, dass Wien deutlich mehr zu bieten hat als den Stephansdom mit seiner Kärntner Straße. Über den inneren Stadt-Tellerrand hinaus in die Wiener Berge besteigt er über die „Nase“ den Leopoldsberg und wandert durch die Schrebergärten auf den Schafberg. Er schwimmt über die Donau nach Stammersdorf um den Bisamberg zu grüßen und lässt dabei Erinnerungen auftauchen und seine Gedanken schweben. Und wer den Autor kennt weiß, dass er seine Texte auch mit dem wohltemperierten Ehrbar-Flügel des Bockkellers zu schmücken pflegt.
Spätestens nach dem nächsten Festivalabend sollte deutlich werden, dass hinter der oft unterschätzten Wiener Zither wesentlich mehr steckt, als Anton Karas‘ Harry Lime Thema aus dem Film „Der dritte Mann“. Der Bockkeller wird zum Wiener Volkssalon mit Schwerpunkt alter originaler Wiener Zithermusik. Im späten 19. Jahrhundert tarnte sich die Wiener Zither als kulturtragendes Konzertinstrument der Aristokratie und wurde aus kommerziellen Gründen als Hochkultur-Phänomen vermarktet. Es ist kein Expert*innenwissen vonnöten um zu realisieren, dass das Instrument viel eher die Sprache der Wiener Unterhaltungsmusik im Kontext mit Josef Lanner, Carl M. Ziehrer u.a. spricht. Um dieser Sache auf den Grund zu gehen und den einzigartigen Klang der Wiener Zither mit ihrer besonderen Saitenstimmung zum Klingen zu bringen, sind folgende Künstler*innen geladen: das kongeniale Duo um Karl Stirner und Walther Soyka, der Wiener Zitherverein in dreifacher Stimmenbesetzung unter der musikalischen Leitung von Katharina Pecher, Wiens Zither-Koryphäe Cornelia Mayer sowie Angelika Derkits auf der speziellen Streichzither. Um die Wiener Stimmung und die Spielweise der Zither am Leben zu erhalten bzw. zu fördern wurde sie im März 2017 ins nationale Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO Österreich aufgenommen.
Der Stadtheurige Gigerl dürfte – ob seiner guten Innenstadt-Lage – bisher eher Promitreffpunkt und Touristenmagnet, als ein Ort für Wienerlied- und Musikantenstammtische, wie es sie in den Vororten häufiger gibt, gewesen sein. Das wean hean will da ein wenig aufmischen und Grenzen ausweiten. Der Gigerl kann sich nämlich sehen lassen. Und kochen kann er außerdem, der Gigerl. In Kombination mit den Wienerlied-Stars Marie-Theres Stickler, Katharina Hohenberger und Peter Havlicek wird dies ein äußerst gemütlicher Ohrenschmaus.
Man darf die Feste feiern wie sie fallen, stimmt‘s? Das Trio Lepschi wird jetzt tatsächlich „oid“. Es „zehnt“ bereits. Was soll man dazu sagen. „Hipp hipp hurra, auf die nächsten zehn Jahr‘?“ Ein herzliches Glückwünscherl den drei Herren, jedenfalls. Vielleicht in Anbetracht unaufhaltsamer Bescheidenheit, oder aus reiner Knausrigkeit sich eine wirklich leiwande Partykapelle zu leisten, oder auch als Selbstschutz vor peinlichen Showeinlagen ihrer Gäste, sitzen die Geburtstagskinder am 30. April lieber selber auf der Bühne. Was soll man dazu sagen? Es wird ein langer Abend. Ein sehr langer Abend. Sie spielen das Beste aus zehn Jahren Lepschi. Von früher und von heute. Und als wäre das nicht schon genug, spielen sie sich auch noch selbst, à la „Lepschi covers Lepschi“. Kommen Sie zumindest aus Mitleid zur Party. Der Wein wird’s schon richten.
Ein Jour fixe am Wiener Musikhimmel, welcher seit Herbst 2014 jeden ersten Montag im Monat im Bockkeller stattfindet und jedes Jahr auch Teil des Wienerliedfestivals ist, nennt sich Schrammel-Montag. Das Konzept ist gewohnt gut. Die erste Halbzeit bestreiten die Neuen Wiener Concert Schrammeln und nach einer Spritzwein und Schrammelteller-Auszeit heißt es Bühne frei und Vorhang auf für alle mutigen Schrammelmusikerinnen und Wienerliedsänger. Na? Trauen Sie sich? „Wann i amal stirb“ ist zum einen, das namensgebende Lied der Strottern, und zum anderen das vermutlich letzte Stück vor ihrer letzten und hoffentlich allerletzten Trennung als Band. Folgendes Szenario: Es ist Montag der 16. Oktober 2000. Klemens Lendl und David Müller spielen erstmals unter dem Namen Die Strottern bei einem Talentewettbewerb im Rahmen der wean hean Veranstaltung „Ei’ghazt“ in der Fernwärme Wien. In der Jury sitzen Karl Hodina, Roland Neuwirth und Elfriede Ott. Nicht nur, dass während ihrer Einlage das elendslaute Nokia-Handy in Davids Brusttasche um Aufmerksamkeit schrie, so dürfte auch das Jury-Feedback dermaßen haarsträubend ausgefallen sein, dass die beiden nach dem Auftritt fest entschlossen waren, dem Wienerlied wieder „Baba“ zu sagen. Bum. Zack. Aus. Maus.
Das sollte es gewesen sein mit dem Klosterneuburger Wienerlied-Duo. Aber die Rechnung ging erfreulicherweise nicht ganz auf. Ob durch Zufall oder göttliche Fügung stolpert an jenen Tagen Peter Ahorner in ihr Leben und lässt sie bis heut‘ nicht wieder los. Was für ein Glück für diese Welt! Der Literat zeigt sich verantwortlich für einen Großteil der Strottern-Texte. Er ist einer der Lieblingsmenschen, den die beiden zu ihrem Doppelporträt-Abend ins Theater Akzent geladen haben. „mea ois gean“ haben die Strottern auch Matthias Loibner, Christoph Bochdansky, Martin Ptak und Martin Eberle als Vertreter der Blechfraktion und die umtriebig großartige Jazzwerkstatt. Mit allen verbindet sie eine gemeinsame Geschichte. Eine Geschichte saftig und pur, mit viel Herz und Seele.
Auch das Picksüße Hölzl bekommt einen Porträtabend verliehen. Zu Zeiten der Gebrüder Schrammel durfte es in der Grundbesetzung der Quartette keinesfalls fehlen. Im Laufe der Jahre wurde es jedoch immer häufiger durch das Knöpferl ersetzt. Warum? Die hohe G-Klarinette teilt sich mit den zwei Geigen die Melodie-Abteilung und lässt die Kontragitarre als alleiniges Harmonieinstrument dastehen. Um einen ausgewogeneren Schrammelklang zu erzeugen, wurde immer häufiger die Knopfharmonika eingesetzt. Mischwerk gönnt sich beides und noch ein bisserl mehr: Ein Picksüßes Hölzl, eine Knopfharmonika, eine Geige und eine Kontragitarre. Und wenn sie sich trauen, gesellt sich sogar ein Kontrabass in die Runde.
Weinwandern mit wean hean. Das sollte als Ankündigung reichen. Würde das Ziel bereits vorab bekannt gegeben werden, kämen Vereinzelte auf die grandiose Idee, sich den Wanderweg zu sparen und sich gleich am Ziel niederzulassen. Nur um dort mit aufgetragenem Kunstschweiß auf die ehrlichen wean hean Wanderer zu warten. Gemein, oder? Ob Sie Überraschungen lieben oder nicht, es ist ganz einfach: Sie steigen am Fast-Muttertag in den D-Wagen und fahren bis zur Endstation Nussdorf. Sofern Ihre Füße mit reiner Gehzeit von 90 bis120 Minuten gut leben können, sind Sie schon dabei. Freilich gibt es dazwischen und danach was zum Schmausen und Schnaufen und Lauschen.
Beethoven gehört ja heuer irgendwie dazu. Das Wiener Volksliedwerk beteiligt sich daran mit dem Musiktheaterprojekt „Ludwig fun!“ von Michael Postweiler. Der talentierte Pianist und Komponist Ludwig (gespielt vom Autor selbst) ist ein unverstandenes und weltfremdes Genie, lebt nur für seine Arbeit und ist im normalen Alltag eigentlich nicht zu gebrauchen. Als die temperamentvolle Sängerin Elli (Julia Sturzlbaum) in sein Leben platzt und ihn überzeugen will, seinen bisherigen Musikstil komplett über Bord zu werfen und zusammen mit ihr die Musikszene Wiens zu erobern, kommt es zu einem nicht nur musikalischen Schlagabtausch zweier eigenwilliger KünstlerInnen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und damit der Festivalabschied nicht gar so schwer fällt, wird das Finale an fünf weiteren Terminen wiederholt.
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