Viele Bands streben nach Erfolg in Deutschland, England oder den USA. Aber das sind schwierige Märkte mit großer Konkurrenz und starken nationalen Szenen. Es gibt viele Beispiele für Bands, die es zuerst lokal/regional, d. h. in kleineren Märkten schafften. Könnte das als allgemeine Strategie funktionieren?
Teilnehmer:
Andrew Campbell (Gordeon Music, D)
Anastasios Diolatzis (Reworks Festival, GR)
Vladimir Kravchenko (COLISIUM International Music Conference, RU)
Lawrence Lui (Astralwerks, US)
Ian Smith (Frusion, AT/UK)
Moderation: Nick Hobbs (Charmenko, TUR/UK)
„Es gibt unzählige Acts, die sich lokal gut machen“, meint Nick Hobbs eingangs. „Für die meisten von ihnen war es das dann aber auch.“ Für Bands, die aus Österreich kämen, gebe es einen natürlichen regionalen Markt. D. h. sie würden es zunächst einmal in Deutschland und den im Osten angrenzenden Ländern versuchen. Meistens wären das Regionen, die sich aufgrund linguistischer Traditionen eben so ergeben hätten. Demgegenüber aber gäbe es auch Länder ohne eine wirkliche Region. Polen etwa sei ein solches. Jede dieser existierenden Regionen habe etwas Besonderes, noch immer, trotz Globalisierung. Immer wieder finde man daher Unerwartetes wie etwa den Umstand, dass Latin Music in Rumänien funktioniere. Für eine italienische Band gebe es daher in Rumänien durchaus Möglichkeiten, wohingegen der bulgarische Markt sehr viel schwieriger zu erreichen sei. Auf solche Besonderheiten sei achtzugeben, wenn man als Band Erfolg haben will.
Über die Schwierigkeit mit deutschen Texten
Andrew Campbell meint, für eine deutsche Band sei es generell schwierig, mit deutschen Texten Erfolg zu haben. Hobbs führt Gegenbeispiele wie Kraftwerk, Rammstein und Einstürzende Neubauten an. Das seien nur Beispiele, die die Regel bestätigen würden, so Campbell. Alles in allem sei man schon sehr fokussiert auf die englische Sprache. Und er habe auch den Eindruck gewonnen, dass österreichische Bands von deutschen Medien von vorneherein nicht sehr ernst genommen würden. Selbst wenn die Musik längst in den österreichischen Charts funktioniere, sei das noch lange kein Grund dafür, dass man sich der Musik auch in Deutschland entsprechend annähme.
Ian Smith wiederum kennt viele Acts, die in den englischen Medien vorkommen wollen – allerdings nicht, um dort erfolgreich zu sein, sondern um mit der Medienpräsenz dann zu Hause etwas zu bewegen. Das, was Campbell angeführt habe, kenne auch er: Bands aus Schottland hätten es mitunter in England trotz ihrer geografischen Nähe recht schwer.
Hobbs wendet ein, dass die Globalisierung vieles beseitigt habe, nicht aber das Monopol der englischen Sprache.
Lui führt Beispiele von Bands aus Skandinavien an, die sehr wohl Erfolg im englischsprachigen Raum hatten und haben. Das, meinen alle anderen Anwesenden, liege aber an der Besonderheit Skandinaviens. Hobbs nennt vier Gründe, weshalb skandinavische Bands international besser funktionieren würden als etwa österreichische. Abba und Björk seien die ersten beiden. Dann wäre da eine überdurchschnittlich gute Beherrschung der englischen Sprache und – last but not least – wären die meisten Produktionen eben State of the Art. Er selbst lebe in der Türkei und erlebe immer wieder, dass Bands von einem großen Label wie Sony gesignt würden. Passieren würde deshalb trotzdem nichts. Von einem internationalen Release mit ebensolchem Vertrieb sei man trotz großen Labels weiterhin meilenweit entfernt.
Lui widerspricht: Sub Pop habe eben gerade einen italienischen Act gesignt. Es sei also sehr wohl möglich, die Grenzen zu überwinden. Hobbs findet, dass das eine absolute Ausnahme sei.
Kravchenko nimmt sodann Bezug auf die Gegebenheiten in Russland. „Wenn du in Russland, Weißrussland und der Ukraine Erfolg hast“, sagt er, „ist das ein riesiger Markt.“ Darüber hinaus gäbe es die Möglichkeit, einen Tour-Austausch mit den baltischen Staaten zu organisieren, und schon sei ein schönes Paket geschnürt.
PR kostet Geld
Hobbs versucht das Gespräch in Richtung musikwirtschaftliche Erfordernisse für Erfolg zu führen. „Wenn es keine Distribution gibt, passiert auch keine PR“, beschreibt er das erste Hindernis grenzüberschreitenden Erfolgs. Die Bands bräuchten daher Geld, um sich die PR in anderen Ländern leisten zu können.
Aus der Sicht von Anastasios Diolatzis ist die Sprachbarrriere eine kaum zu überwindende. Bands, die auf Griechisch sängen, würden in anderen Ländern als zu exotisch gelten, um wirklich angenommen zu werden. In Griechenland gäbe es überdies einen eklatanten Mangel an Indie-Labels zu beklagen. Die Krise habe zu einer Marktbereinigung geführt. Nur noch ein bis zwei ernst zu nehmende Labels seien übrig.
„Gibt es denn griechische Acts, die es trotzdem geschafft haben?“, will Hobbs wissen. Ja, sagt Diloatzis, aber die kämen aus dem elektronischen Bereich. Da habe es vielfach funktioniert, weil es die Sprachbarriere nicht gäbe. Diloatzis nennt das Beispiel einer Band, die via Soundcloud zum SXSW-Festival gekommen und über den Erfolg in den USA nun auch in Griechenland entdeckt worden sei. Der griechische Markt aber werde normalerweise von griechischem Pop dominiert. Diese Bands fänden sich aber, wenn sie denn im Ausland spielen, vor einem Publikum griechischer Auswanderer wieder. Hobbs kennt dieses Phänomen auch aus der Türkei.
Lui hält fest, dass einer seiner Lieblingsproduzenten aus Kroatien komme. Und auch der österreichische Act HVOB habe den Weg zu ihm gefunden, ohne dass er anfangs überhaupt gewusst habe, dass er aus Österreich ist. Smith ergänzt, dass ein weiterer österreichischer Act, Parov Stelar nämlich, die Sprache als Art Sample bzw. Hook nutze – eine interessante Möglichkeit, die Sprache als Hinderungsgrund auszuschalten. Wenn man sich treu bleibe und niemanden anders imitiere, könne es durchaus funktionieren, glaubt er.
Sprache als Motor aber auch Bremse
Campbell gibt zu bedenken, dass die eigene Sprache für den lokalen Markt oft ein Vorteil sein mag, während sie einen dann, nachdem man lokal oder regional erfolgreich geworden ist, an einem größeren Erfolg hindere.
Hobbs rät Eltern, die für ihre Kinder eine Karriere als Pop- oder Rockstar planen, diese in eine International School zu schicken. Denn wenn das Englisch schlecht sei, könne man keinen Erfolg haben. Ausgenommen seien nur Genres wie Hardcore und Death Metal. Da funktioniere es auch ohne große Sprachkenntnisse.
Wie aber komme man nun als nicht so bekannte Band ins Ausland, will man im Publikum wissen.
Zunächst einmal gelte es, ein Publikum zu finden. Und dann solle man sich dran machen, einen Partner zu finden. Zum Thema Austausch: „Finde eine griechische Band, mit der du in Österreich tourst und umgekehrt.“ Leider habe sich, so Hobbs, die Einstellung zu Support-Bands in den letzten Jahren zum Schlechten hin geändert. Das sei sehr schade, weil es aus Sicht eines Promoters immer attraktiv gewesen sei, ein größeres Publikum ansprechen zu können. Der Trend gehe hin zu Ein-Band-Konzerten. Es müsse mehr geben als Soundcloud, wenn Labels keine A&R-Funktionen mehr wahrnähmen.
Lui ist der Auffassung, dass Labels trotzdem immer noch eine wichtige Aufgabe zukomme. „Inner Visions“ etwa sei ein Label, das für Qualität bürge. Deshalb sei der Konsument geneigt, alles, was von diesem einen bekanntermaßen guten Label kommt, interessant zu finden.
Wichtige Kommunikations-Tools
Welche Tools gibt es, die Acts die Kommunikation in andere Märkte erleichtern?
Soundcloud und Facebook werden genannt. Lui nennt auch Spotify. Der Dienst habe ihm geholfen, via Empfehlungssystem auf viel interessante Musik zu stoßen, die er sonst wohl nicht wahrgenommen hätte.
Das European Talent Exchange-Programm sei einen Versuch wert, so Hobbs. Und selbstverständlich sei auch die Arbeit der jeweiligen Musik-Exportbüros (in der Türkei gäbe es laut Hobbs keines) dazu angetan, Bands ins Ausland zu bringen. Und Showcase-Acts auf Festivals wie dem Waves, aber auch bei Eurosonic oder dem Reeperbahn-Festival etc. seien dienlich.
Ein generelles Problem sei die Geldknappheit diverser Festivals, meint Hobbs. Viele kleine Bühnen, die neben den Headlinern ein alternatives Programm boten, seien da in den letzten Jahren dem Sparstift zum Opfer gefallen. Das Programm bei vielen Festivals sei dadurch gleichförmiger geworden, ergänzt Smith.
Hobbs gibt abschließend zu bedenken, dass es für englische Bands, auch wenn sie aus dem Mutterland kämen, beinahe ebenso schwer wäre, sich durchzusetzen, weil dort eben die Konkurrenz größer als sonst wo sei.
Markus Deisenberger
Die Diskussions- und Vortragsreihe mica focus wird unterstützt durch die Abteilung für Wissenschafts- und Forschungsförderung der MA7 Wien.
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