Am 7. und 8. September fand die Waves Vienna Konferenz 2023 statt, die gemeinsam von Austrian Music Export und Waves Vienna jedes Jahr organisiert wird. Inspirierende Podiumsdiskussionen, informative Vorträge und spannende Präsentationen standen auf dem Programm.
7. September 2023
FEIERN? SAFER.
Die Redner: Martina Brunner (Vienna Club Commission/AT), Aron Weigl (EDUCULT/AT), Frederika Ferkova (Hausgemacht/#technometoo/AT), Gregor Imhof (SASS Music Club/AT
Das Thema #technometoo hat in den letzten Wochen schon für einige Schlagzeilen gesorgt: Besonders in der Techno-Szene kommt es in Wien immer häufiger zu Übergriffen, Belästigung und Diskriminierung. Aus diesem Anlass führte die Vienna Club Commission (VCC) mithilfe des Instituts EDUCULT im Frühjahr eine Umfrage über die Sicherheit im Wiener Nachtleben durch, deren Ergebnisse im Rahmen von Waves Vienna erstmalig der Öffentlichkeit präsentiert wurden.
Zu Beginn der Konferenz wurden die Methodik und Informationen zur Stichprobe erörtert. Die Befragung fand auf freiwilliger Basis über einen Link statt, der auf Social Media geteilt und auf zahlreichen Veranstaltungen via QR-Code ausgehängt wurde. Die Umfrage führte schlussendlich zu 2.233 auswertbaren Stimmen. Bei den Proband:innen handelt es sich zu etwa 59 Prozent um Frauen, zu 34 Prozent um Männer, der restliche Anteil verteilt sich auf alle anderen Geschlechtsidentitäten. Mehr als die Hälfte gehört hierbei der Altersgruppe 21 bis 30 Jahre an, etwa 75 Prozent fühlen sich der österreichischen Community zugehörig.
Das Resultat besagter Umfrage sorgt für wenig Überraschung, wie Martina Brunner, Co-Geschäftsführerin der Vienna Club Commission, sowie EDUCULT-Geschäftsführer Aron Weigl darlegen: Zwei Drittel der 2.233 Teilnehmenden haben schon einmal Übergriffigkeiten im Nachtleben beobachtet, knapp mehr als die Hälfte auch bereits selbst erlebt. Regelmäßige Unsicherheit im Wiener Nachtleben empfinden hierbei knapp 32 Prozent der Frauen und 37,5 Prozent der queeren, nicht binären und Trans-Personen. „Im Prinzip alle, außer Cis-Männer“, sagt Weigl trocken. 90,6 Prozent der Befragten gaben an, dass übergriffige Vorfälle von Fremden bzw. anderen Gästen ausgegangen seien, 26,5 Prozent gaben an, auch bereits Fehlverhalten von Security- und Türpersonal erlebt zu haben.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die Initiatorin von #technometoo und Vorsitzende von Hausgemacht und, Frederika Ferkova, welche mehr als 100 Berichte über Übergriffe in der Clubszene erhalten hatte. „Die meisten von ihnen stehen in einer Art Abhängigkeitsverhältnis zu den Tätern, vor allem Frauen zwischen 19 und 25 sind da betroffen“, so Ferkova.
Doch wer steht hier in der Verantwortung? 85 Prozent der Umfrage-Teilnehmer:innen sehen die Betreiber:innen der Veranstaltungsorte für Sicherheitsstrategien verantwortlich, 77 Prozent Organisator:innen der Veranstaltung. Auch die Politik, insbesondere die Stadt Wien, müsste hier eigentlich einen Beitrag leisten, sind sich alle vier Vortragenden einig, und bemängeln hier ein fehlendes Bewusstsein der Notwendigkeit seitens der Politik. Gregor Imhof, Betreiber des SASS Music Club hat in seinem Club ein Awareness-Team, das sich vor Ort um jegliche Vorfälle kümmert: „Man muss einfach das Bewusstsein haben, dass solche Dinge passieren, und die Leute dann auch ernstnehmen. Um all dem entgegenwirken zu können, sind aber auch Förderungen nötig.“
Um aus dem Wiener Nachtleben nun hoffentlich bald einen Safer Space machen zu können, hat die VCC einen Leitfaden mit möglichen Sicherheitsstrategien erstellt. Auch eine Workshop-Reihe zum Thema Sicherheit im Nachtleben ist in Kooperation mit einigen Servicestellen laut Martina Brunner aktuell in Planung. Sie findet bei der Konferenz starke Schlussworte: „Wir dürfen nicht müde werden, diese Strukturen immer wieder kritisch zu hinterfragen“.
THE END OF THE SUMMER FESTIVAL AS WE KNOW IT
Die Redner: Andreas Jantsch (Music Declares Emergency/AT), Penny Fox (worldtrash/DE), César Andión (Live Nation/ES)
Moderation: Yasmine Hafedh (Musikerin/AT)
Hitzewellen, Hagel, Sturm und Überschwemmungen: Die Klimakrise macht auch vor der Event- und Festivalbranche nicht Halt. Doch was bedeutet das für Veranstalter:innen und Besucher:innen von Festivals? Welche Vorkehrungen müssen getroffen werden? Wie sieht die Zukunft aus, wenn es überhaupt eine gibt? Darüber und viel mehr ist beim Waves im Rahmen eines Panels diskutiert worden.
César Andión, PR- und Exportbeauftragter von Live Nation Madrid, einem der weltweit größten Event-Veranstalter, benennt zu Beginn der Konferenz das Hauptproblem: „Das Wetter ist heutzutage unvorhersehbar“. Das führt nicht nur dazu, dass Gäste oft nicht die Festival-Experience bekommen, die sie erwarten, sondern auch, dass Veranstalter:innen immer kompliziertere Verträge aufsetzen müssen und bessere Versicherungen benötigen, um keinen großen finanziellen Schaden davonzutragen. Hier wird auch der aktuelle Fall vom Burning Man-Festival in den USA erwähnt, wo Menschen wegen großer Regenmassen das Festivalgelände tagelang nicht verlassen konnten. „Diese Wetterverhältnisse gab es in manchen Regionen auch schon in den 80ern, der Unterschied zu jetzt ist, dass es jederzeit und überall passieren kann“, so Andión. Auch Andreas Jantsch von Music Declares Emergency sieht schwarz für die Zukunft von einigen Festivals: „Vor allem Festivals mit schlechter Infrastruktur und Camping, ich glaube nicht, dass es die in 10 Jahren so noch geben wird. Das wäre einfach nicht sicher genug für alle Beteiligten.“
Laut Umweltaktivistin und Gründerin von worldtrash.foundation Penny Fox braucht es für eine positive Entwicklung zuerst genügend Daten zu den aktuellen CO2-Emissionen, damit Veranstalter:innen und Organisator:innen wissen, wo sie anfangen sollten: „Wenn du Leuten erklärst, was sie tun können, um ihre Festivals umweltfreundlicher zu gestalten, sind sie meistens an Board. Es ist oft nicht der Wille, der fehlt – viele wissen einfach nicht wie.“ Live Nation, das Unternehmen, in dem César Andión mitwirkt, hat als einer der Branchen-Riesen bereits Ziele: „Es ist Priorität der Firma, eine Green Nation zu werden. Wir investieren viel Geld in Nachhaltigkeit und wollen 50 Prozent der Emissionen bis 2030 reduzieren.“ Auch hier kommt wie so oft das leidige Problem der Finanzierung auf: Es benötige Förderungen, um grüne Maßnahmen bei Festivals langfristig zu etablieren.
Die Organisation Music Declares Emergency hat es sich hierbei zur Aufgabe gemacht, Problembewusstsein zu schaffen und möglichst viele Leute damit zu erreichen. „Wir haben gerade eine Kampagne mit einem offenen Brief an die Regierung am Laufen“, sagt Gründer Andreas Jantsch, „wobei wir viel Unterstützung von verschiedensten Artists erhalten. Je mehr Menschen wir dazu bekommen, öffentlich über das Klimaproblem zu reden, desto mehr Menschen erreichen wir damit.
Doch was sind nun zukünftige Lösungsansätze, damit Festivals weiterhin stattfinden können? Andión schlägt vor, auf Frühling und Herbst zu setzen und die Monate Juli und August bei Bedarf auszulassen, die Leute kämen mit der extremen Hitze nicht klar. Auch „green event certifications“ werden als Idee vorgestellt, hier müsste es laut Fox allerdings ein einheitliches Siegel und eine Organisation dahinter geben, damit Transparenz und Sinnhaftigkeit gewährleistet werden. Am Ende des Tages sehen die Teilnehmer:innen des Podiums besonders die Politik als verantwortlich: „Es muss unattraktiver werden, Umweltverschmutzer zu sein“, so Fox. Für Handlungen seitens der Politik sei jedoch auch das Commitment der Festival-Konsument:innen notwendig: „Alle müssen wollen“.
8. September 2023
THE SHIFT IN THE ROLE OF THE AGENCIES DEVELOPING ARTISTS
Die Redner: Georg Leitner (Georg Leitner Productions/AT), Thomas Zsifkovits (Barracuda Music/AT), Valentin Geiseder (Spoon Agency/AT), Harald Büchel (Georg Leitner Productions/AT)
Wie so gut wie alle anderen Branchen auch, war die Musikindustrie in den letzten Jahren mit vielen Herausforderungen und Veränderungen konfrontiert. Der zweite Tag der Waves Vienna Conference startete daher mit einer Diskussion über die Rolle von Agenturen und wie sich ihr Dasein und ihre Aufgaben verändert haben.
Georg Leitner, der seine eigene Produktionsfirma besitzt und weltweit Künstler:innen repräsentiert, arbeitet seit 40 Jahren in dem Bereich und sieht vor allem in der Rolle von Agenturen und Promoter:innen eine Verschiebung. Anstatt Labels seien nun diese die Gatekeeper, die durch Managements an Artists gelangen. Die Rolle des Managements habe sich dabei kaum verändert, aber vor allem die Arbeit von Labels werde mit der Zeit immer weniger relevant: „Früher haben wir einfach den Anweisungen der Labels gefolgt, heute sind für die Artists zum Großteil die Manager oder Promoter zuständig“. Ebenso beobachtet Leitner eine Machtkonzentration im Musikbusiness und nennt hierbei Live Nation als Beispiel, welche eigenes Management, eine eigenes Booking-Agentur, eigene Venues sowie eigene Ticketverkauf-Systeme besitzen. Er appelliert, zu hinterfragen, ob das nicht eine Gefahr für die Musikszene darstellen kann, insbesondere im Bezug auf junge Acts, die noch am Anfang ihrer Karriere sind. Dem stimmt auch Harald Büchel von Georg Leitner Productions (GLP) zu: „Die großen Firmen und Labels sind so groß geworden, weil sie kleinere Labels aufgekauft haben. Dadurch geht die Individualität verloren“.
Eine neue Situation bringt außerdem der Umschwung von Livemusik zu Online-Musikstreaming. Das betreffe vor allem das Marketing der Plattenfirmen, so Büchel: „Früher wurden Konzerte gespielt, um Platten zu verkaufen. Heute ist es umgekehrt, es werden Songs promotet, um am Ende Tickets für Live-Auftritte zu verkaufen.“ Thomas Zsifkovits von Barracuda Music spricht von einem Wandel der Promotion-Tools. Die Online-Promotion sei ohne Frage heute wichtiger denn je, Kooperationen mit Radios werden immer seltener. Die klassische Plakatwerbung sei immer noch ein relevanter Teil des Marketings: „Sie kostet zwar mehr als Online-Promotion und man kann die Zielgruppe nicht ganz so gezielt erwischen, aber auf der Straße befinden alle Menschen an irgendeinem Punkt des Tages“, so Zsifkovits.
Den Schlüssel zu guter Promotion erklärt zum Ende hin Valentin Geiseder von der Spoon Agency: „Man muss als Band nicht die allergrößten Shows spielen, aber man braucht engagierte Fans.“ Dafür wäre beispielsweise Merchandise ein wichtiges Tool. Das mittlerweile weit verbreitete Influencer-Marketing hingegen sieht keiner der Sprecher als hilfreiche Maßnahme in der Musikbranche: „Das ist nur unnötig teuer“, meint Büchel.
WHO IS TO BLAME FOR NON-DIVERSE LINE-UPS?
Die Redner: Charlotte Galané (Premier Amour/FR), Niklas Magedanz (Goodlive Artists/DE), Henrietta Bauer (What is happening etc etc/DE), Frederik Diness Ove (Queer Music Agency/DK)
Moderation: Susi Ondrusova (Radio FM4/AT)
Die Musikbranche ist bekanntlich eine noch immer männerdominierte Branche. Das fällt besonders in Festival-Line-Ups auf, weshalb viele Festival-Veranstalter:innen wegen des geringen FLINTA*-Anteils regelmäßig in der Kritik stehen. Doch ist es fair, hier nur die Positionen der Organisator:innen zu beschuldigen? Liegt der Fehler nicht eher im gesamten System, ist hier nicht doch eine Vielzahl an Menschen in der Gesellschaft mitverantwortlich? Es ist ein Spagat zwischen Inklusion und Zufriedenstellung des Publikums. Susi Ondrusova von FM4 hat hierzu beim Waves Vertreter:innen der Branche aus verschiedenen Ländern befragt und mit ihnen unter anderem die Frage der Verantwortlichkeit dieser fehlenden Diversität oder auch den Sinn von Quoten diskutiert.
Zuallererst gibt Charlotte Galané einen Einblick in die Situation in Frankreich. Als Teil der Eventagentur Premier Amour arbeitet sie mit vielen Produzenten und Veranstaltern zusammen und betont hier, dass diese meist offen dafür seien, mehr Frauen zu einzustellen, oft aber nicht wissen würden, wie. Der Grund dafür liege in der Macht der Gewohnheit: „Sie sind es gewohnt, ihr ganzes Leben lang mit Männern zu arbeiten. Von Quoten halten sie meistens nichts. Quoten sind vielleicht auch nicht immer der allerbeste Weg, aber für mich ist es trotzdem ein Anfang“. Niklas Magedanz von der deutschen Agentur Goodlive Artists sieht die Quoten-Thematik ähnlich: „Noch ist die Industrie nicht so weit, wie sie sein sollte, daher halte ich es schon für notwendig, den Anteil von FLINTA*-Artists bei mindestens 50 Prozent zu halten.“ Wie einfach das umzusetzen ist, hänge oft auch von der Art des Festivals und vor allem deren Zielgruppe ab. „Bei Festivals, wo wir wissen, dass das Publikum jegliche Art von Inklusion unterstützt, versuchen wir bewusst, die Mainstage-Slots an weibliche Personen zu vergeben“, verrät Magedanz. Hier stellt sich also die Frage, ob das Problem nicht in der Branche, sondern in der gesamten Gesellschaft verankert ist.
Ein Statement setzt auch Henrietta Bauer, die in Deutschland als Promoterin, Bookerin und Labelmanagerin arbeitet: „Es braucht mehr Bildung zu diesem Thema. Dafür benötigt es mehr Programme wie MEWEM, gleichzeitig aber natürlich auch mehr Förderungen.“ Bei MEWEM handelt es sich um ein EU-gefördertes Mentoring-Programm, das darauf abzielt, Frauen in der Musikbranche zu unterstützen im Hinblick auf Führungs- und Managementpositionen zu fördern. Bauer ist selbst Mitglied des aktuell laufenden MEWEM-Programms und zeigt sich begeistert von der Idee, Frauen diese Möglichkeit zu geben, um in der männerdominierten Musikwelt nicht unterzugehen.
Wie männerdominiert die Festivalszene wirklich ist, verdeutlicht Moderatorin Susi Ondrusova schließlich mit Zahlen: Laut einer Studie aus dem Jahr 2019 handelte es sich bei den fünf größten deutschen Festivals bei 72,8 Prozent der Artists um Männer. „Wenn man die Headliner betrachtet, waren überhaupt nur 10 Prozent davon Frauen“, legt sie noch einen drauf. Ein ähnliches Bild zeichnet sich beim diesjährigen Frequency-Festival ab, wo die Headliner ausschließlich männlich waren. „Leider muss man sagen“, so Ondrusova, „das ist das, was die Leute sehen wollen. Viele meinen, sie sehen in Musik kein Geschlecht, sie ist entweder gut oder nicht gut.“ Dass sich Festivals nach den Wünschen des Publikums richten müssen, um Tickets zu verkaufen, ist klar. „Am Ende sind Konsument:innen diejenigen, die Musik erfolgreich machen“, so Henrietta Bauer.
Frederik Diness Ove, der in Dänemark eine Musikagentur führt, die ausschließlich queere Artists repräsentiert, sieht hier dennoch die Verantwortung bei Festival-Veranstalter:innen: „Man muss weibliche und queere Artists auch erst aufbauen und bekannter machen. Wenn man einen männlichen Headliner hat, ist das in Ordnung, aber man kann den Leuten trotzdem die Option geben, neue Musik von weiblichen Musikerinnen zu entdecken. Auch, wenn es beispielsweise nur mithilfe eines Support-Gigs ist.“ Niklas Magedanz spricht hier anschließend auch von einer politischen Verpflichtung der Festivals, Diversität im Line-up zu beachten: „Musik war immer schon politisch, da gibt es keine Ausrede.“
Man wird sich also nur bedingt einig, wer in dieser Problematik die größte Verantwortung trägt. Doch die Möglichkeit, gegen die fehlende Diversität anzukämpfen, haben eigentlich alle: „Jede Person kann etwas tun, um eine Verbesserung und hoffentlich irgendwann eine Gleichstellung zu bewirken“, meint Charlotte Galané. Da stellt sich nur noch die Frage, wie lange das noch dauern wird.
Katharina Reiffenstuhl