„Was kann ein Major, was wir nicht können?“ – MAVI PHOENIX im mica-Interview

MAVI PHOENIX hat beim PRIMAVERA FESTIVAL zwei beneidenswerte Slots gespielt und vorher im Interview mit Stefan Niederwieser von Los Angeles, Feminismus, Red Bull und ihrem syrischen Großvater erzählt.

Es kann schon sehr nerven, wenn Menschen und Freunde jedes Jahr vom PRIMAVERA FESTIVAL instern, twittern und facebooken. Aber kaum ein europäisches Festival verspricht so viel Prestige, über tausend Journalisten sind vor Ort, dazu ein sehr dankbares Publikum. Letztes Jahr war HVOB nach langer Zeit die erste Band aus Österreich, die dort regulär gebucht wurde. MAVI PHOENIX folgte heuer, spielte Headliner im Apolo und einen schönen Slot auf der Pitchfork Stage. „Aventura“ wurde im Programm als einer der viralen Hits des letzten Sommers angekündigt. In den drei großen romanischen Ländern erreichte der Song über eine Kampagne von DESIGUAL ein paar Millionen Ohren. Ihr Team war auf Besuch im Hotel, MAVI PHOENIX selbst saß am Pool und gab Popstar-Antworten.

Welche Schlangen haben Sie gebissen?

Mavi Phoenix: Ich meine Leute, die einem nichts gönnen, die sehr skeptisch sind. Das sagen dir alle in der Musikszene, dass es viele solcher Leute gibt. Ich bekomme auch Hasskommentare, aber das meine ich weniger. Ich habe das Potenzial, etwas Großes zu schaffen. Alle haben eine Meinung, aber wenn mir noch jemand gut gemeinte Ratschläge gibt … Ich sage: „Seid mal leise, lasst mich machen, alles ist da, man muss es sich nur noch abholen. Aber watch out links und rechts.“

Schlangen ziehen sich bei Ihnen durch. Sie tragen gerade ein Schlangenledertascherl, im Video zu „Bite” hat Ihre Bluse ein Schlangenmuster, im Logo ist die Kobra, in „Aventura“ kriechen Schlangen durchs Bild.

Mavi Phoenix: Das hat mit „Aventura“ angefangen. Als der Designer aus dem UK das Logo durchgeschickt hat, meinte ich: „Voll geil.“ Und bei „Bite“ wollte ich den Bogen schließen.

Was zeichnet einen Maybach verglichen mit einem Escalade, Bugatti oder Porsche aus?

Mavi Phoenix: „Maybach“ reimt sich gut auf „Payback“. Und es ist ein richtiges Star-Auto in Los Angeles, Kylie Jenner, Kim Kardashian …

L.A. ist auch eine … Schlangengrube?

Mavi Phoenix: Ich war gerade zehn Tage dort, weil wir mit Copenhagen Records für die nordischen Länder gesignt haben. Sie mieten jedes Jahr eine Mansion in den Hollywood Hills, in die sie Studios bauen. Das war genial. Ich sehe natürlich, dass es Showbusiness pur ist und fake, alle finden dich super und ich finde auch alle super, aber eigentlich finde ich niemanden super – und so wird es den anderen auch gehen. Aber ich könnte das, ich kann dort mitspielen.

Wie gut lief das?

Mavi Phoenix: Ich hatte Sessions mit Producern und Songwritern aus L.A., Alex The Flipper war dabei. Es hat nicht immer gefunkt, aber meistens.

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Hören Sie Farben?

Mavi Phoenix [lacht]: Lustigerweise ja. Immer wenn ich einen Song höre, löst das bei mir eine Farbe oder eine Stimmung aus. Gelb kann matt sein oder voll knallen. Als ich den Beat von „Yellow“ gehört habe, musste ich sofort an die Farbe Gelb denken, an die Sonne.

Ist „Yellow” Ihr „Lissabon“, Ihr „Bungalow“ – diese Sehnsucht nach einem besseren, sonnigeren Ort?

Mavi Phoenix: Auf jeden Fall. Es wird alles gut, es kommen bessere Zeiten.

Ihr Team hat sich erweitert.

Mavi Phoenix: Ich habe vor einem Jahr eine Firma gegründet, die LLT Records GmbH [Abkürzung von „Love Long Time”; Anm.], bei der ich Hauptgesellschafterin bin. Christoph und Igor, meine Manager, sind beteiligt. Alex The Flipper ist voll involviert, bei Auftritten und im Studio sehen wir uns fast dauernd, wir können so ehrlich miteinander sein, es ist wirklich angenehm, mit ihm zu arbeiten. Die meisten Songs entstehen mit Alex, aber nicht nur.

Salute meinte, er werde nach London eingeladen, für große Features müsse man bei bestimmten Labels unterschreiben.

Mavi Phoenix: Gott sei Dank habe ich solche Gespräche nicht. Ich hatte schon fette Sessions mit Sony, Universal, Atlantic, Glassnote Records, aber wir signen nirgends, wir nehmen einfach nur die Sessions [lacht]. Was bringt mir das außer einem Vorschuss? Was kann ein Major, was wir nicht können? Die Deals sind auch nicht besonders. Für Lizenzierungen war noch nicht das Megaangebot da, wir wollen warten, bis wir eine bessere Verhandlungsposition haben.

Bild Mavi Phoenix
Mavi Phoenix (c) Nikolaus Ostermann

„Natürlich bin ich eine Feministin, weil ich nicht versuche, eine traditionelle Frau zu sein[…]“

Sie reden nicht oft darüber, wie es ist, sich in diesem Business als Frau zu behaupten.

Mavi Phoenix: Ja … eh … das Thema ist schon so … aber es ist voll wichtig. Ich denke jeden Tag stundenlang über Feminismus und Sexismus nach. Ich führe privat viele Gespräche. Ich möchte wissen, warum die Dinge sind, wie sie sind. Ich kann mir das zusammenreimen und es frustriert mich. In unserem Business, nicht nur da, egal wo du hinschaust, in jeder Lebenslage merkst du das. Es gibt Rollenbilder, die für Frauen einfach nicht geil sind. Für Männer auch oft nicht. Ich falle aus dem Bild voll raus. Was soll ich tun? Ich kann das Leben und die Leute inspirieren. Ich habe mir das nicht ausgesucht, mir wurde auf den Arsch gegriffen. Natürlich bin ich eine Feministin, weil ich nicht versuche, eine traditionelle Frau zu sein, sondern ich selbst bin. Und für viele Leute ist das gleich politisch.

Haben Sie die Diskussion rund um das Red Bull Festival, bei dem Sie gespielt haben, mitbekommen?

Mavi Phoenix: Die war gut und wichtig. Ich habe mir den Beitrag durchgelesen. Schau, wer macht es sonst? Es ist wichtig, dass so etwas gemacht wird, das war cool. Natürlich ist Red Bull ein Konzern und nicht nur positiv, aber die Arbeit bei der Red Bull Music Academy bringt etwas. Sie zahlen anständig. Ich verstehe das voll, dass Artists sagen, sie würden nicht mitmachen, fair enough. Ich mach schon mit [lacht].

Sind Sie eine extreme Tagträumerin?

Mavi Phoenix: Nicht mehr so wie früher, das verlernt man. Es war richtig cool, voll schön, man fühlt sich, als hätte man es wirklich gemacht. Ich habe mir Songs angehört und vorgestellt, das wäre mein Song und das wäre ich im Video. Ich überlege mir noch heute, was cool aussehen könnte, ich rede viel mit den Regisseuren. Mit Pitches zu fertigen Videokonzepten funktioniert das bei mir nicht.

Bils Mavi Phoenix live at Apolo
Mavi Phoenix live at Apolo (c) Nikolaus Ostermann

Hören Sie noch viel Musik?

Mavi Phoenix: Ich hatte früher mehr Zeit und kenne mittlerweile so viel Musik, obwohl ich erst 22 bin, ich habe viel, auf das ich gern zurückkomme. Ich höre extrem viel Musik, aber nicht SoundCloud-Newcomer, sondern Billboard. Ich digge nicht, das ist zeitaufwendig, das ist wirklich Arbeit.

Wer war Ihr liebster Jonas Brother?

Mavi Phoenix: [Aus der Pistole geschossen.] Nick Jonas. Bin voll der Fan.

Auch von One Direction?

Mavi Phoenix: Auch. Nicht so. Aber ich kenne mich voll aus.

Würden Sie bei „You dont know you’re beautiful, that’s because you’re beautiful“ zustimmen?

Mavi Phoenix: Das stimmt schon, es gibt Leute, die nicht checken, wie schön sie sind, wie liab sie sind.

Was ist früher daheim gelaufen?

Mavi Phoenix: Meine Mama hat viel Pop gehört, viel 80er, Boy George oder Madonna, so richtig trashig teilweise, oder David Bowie.

Dabei standen Boy George, Madonna und Bowie für viel mehr als nur Musik, für ihre Identität. Ist das etwas, was Pop können soll?

Mavi Phoenix: Genau, das ist es auch, was bei One Direction fehlt. Es ist voll geil, wenn man das verbinden kann, wenn man Visionen hat und ein Leader ist. Die Leute müssen dir followen wollen.

Wofür stehen Sie?

Mavi Phoenix: Ich werde oft damit verbunden, man selbst zu sein, das höre ich bei jedem Interview. Ich glaube, dass viele Leute nicht wissen, wer sie sind. Und dass sich viele nicht genug mit sich selbst beschäftigen, damit, was sie wollen, was für sie wichtig ist und warum sie so sind, wie sie sind. Ich bin bei meinen Freunden dafür bekannt, dass ich tief gehende, persönliche Fragen stelle, warum sie etwas sagen, etwas gut finden.

Früher sind Sie gerne mit MØ, Nerd, Kaytranada verglichen worden. Sollte sich das ändern?

Mavi Phoenix: Das sind gute Namen, aber für mich sind andere interessanter. Ich höre viel lieber Cardi B, Ariana Grande, weil das fett ist, weil das so das Phänomen ist. Gerade auch U2 oder Snow Patrol. Ich bin da ein bisschen proletig.

Bild Mavi Phoenix live at Apolo
Mavi Phoenix live at Apolo (c) Nikolaus Ostermann

Sie meinten, bei alten Sachen wollten Sie jemand sein, der Sie nicht sind.

Mavi Phoenix: Wenn man unter 20 oder 18 ist, kupfert man fett ab. Mit dem Alter wird das immer weniger, ich habe das Gefühl, dass ich schon so alt bin.

Die Spur Ihres Großvaters hat sich verloren?

Mavi Phoenix: Gut gesagt. Ich überlasse es meiner Mama, dieser Geschichte nachzuforschen, er ist ihr Vater. Ich habe das einmal erzählt und seither steht detailliert im Wikipedia-Artikel – den ich nicht wie 90 Prozent der österreichischen Musikerinnen und Musiker selbst geschrieben habe –, dass er in den Siebzigern als syrischer Flüchtling nach Österreich gekommen ist. Zeitgleich mit der Flüchtlingskrise war das für die Medien ein gefundenes Fressen, kann man schon schreiben. Ich habe das in mir. Ich will mich aber nicht mit dieser Kultur schmücken, wenn ich von ihr nichts weiß.

Sammeln Sie neue Ideen für Texte, Videos, Beats, Outfit mit Textfiles, über Post-its, in Sprachnotizen?

Mavi Phoenix: Eigentlich nicht, ich muss das noch viel mehr machen. Ich setze mich zu Beat-Skizzen hin und schreibe, das ist gar nicht glamourös. Ich habe in der Leiste am Laptop über 30 Texte offen, die noch nicht fertig sind, voll das Chaos, ich kenne mich schon nicht mehr aus. Manchmal kopiere ich etwas, aber das ist schon advanced. Die Melodie ist immer vorher da, ich schaue, welche Wörter darauf gut klingen.

Ein Sample wie bei „Aventura“ findet man nicht einfach so?

Mavi Phoenix: Alex The Flipper hatte das Sample schon lange rumliegen, ich habe was darauf probiert, habe es zurückgeschickt, er hat das Motiv im Chorus geschrieben …

Wann sind Sie erstmals mit der Desigual-Kampagne in Berührung gekommen?

Mavi Phoenix: Letztes Jahr im Mai, ich war für Gespräche in London. Ein Anruf kam rein, sie haben uns das Konzept erklärt, sie wollten ihr Image verjüngen. Ich habe mich voll gefreut, weil dieser edgy Low-Fi-Song dann jeden Tag in drei Ländern im Fernsehen gespielt wurde, in Frankreich, Spanien und Italien. „Aventura“ war vorher schon Nummer eins auf Hype Machine, das hat die Agentur draufgebracht. Uns hat es sehr viele Türen geöffnet, die Branche hat uns wahrgenommen. Die Zahlen des Songs waren gut, aber da, wo ich hinschiele, waren sie noch nicht. Will man einen Welthit wie „Despacito”? Wer will das nicht?

Bild Mavi Phoenix live at Apolo
Mavi Phoenix live at Apolo (c) Nikolaus Ostermann

Haben Sie Leerphasen?

Mavi Phoenix: Mir fällt meistens etwas ein, es kann halt sehr scheiße sein. Ich bin diszipliniert, wenn es um meine Karriere geht, mich stresst es, wenn sich länger nichts tut. In den letzten Monaten habe ich aber so viel geschrieben, wir haben so viele Demos auf der Seite, dass ich erst einmal releasen möchte. Shows, Interviews, Fotos, Pressetour, Video, ich bin froh, wenn ich mal einen Tag nicht viel machen muss.

Gibt es Zeiten, in denen Ihr Handy aus ist oder stumm?

Mavi Phoenix: Leider nicht, dieses Interview ist die längste Zeitspanne, in der ich es nicht in der Hand hatte. Ich bin echt addicted. Ich versuche, die erste halbe Stunde am Tag nicht draufzuschauen. Aber meistens schaue ich trotzdem gleich.

Was war Ihre schlechteste Entscheidung bisher?

Mavi Phoenix: Dass ich durch eine Gastritis drei wichtige Konzerte absagen musste. Das habe ich so entscheiden müssen. Wenn du selbstständig bist, musst du dich dauernd fragen, ob du die richtigen Entscheidungen triffst. Wir gehen einen vorsichtigen Weg, es dauert vielleicht länger, aber man weiß, warum Dinge so passieren.

Warum sind Sie so überlegt?

Mavi Phoenix: Ich habe Angst, dass es mir schlecht geht, dass ich Fehler mache. Meine Träume gehen viel weiter, ich will nicht alles verpulvern, ich will jetzt arbeiten, weil ich das jetzt kann. Vielleicht genießt man das Leben nicht genug [lacht].

Bild Mavi Phoenix live at Primavera
Mavi Phoenix live at Primavera (c) Nikolaus Ostermann

„Jetzt merke ich, dass ich eine Verschnaufpause vertragen könnte. Aber ich will immer mehr.“

Viele österreichische Musikerinnen und Musiker sind mit einigen Schulterklopfern schon zufrieden.

Mavi Phoenix: Ja, ich weiß! Wenn es das Lebensziel ist, dass man auf dem Donauinselfest spielt oder einen FM4 Award beim Amadeus gewinnt, ist man bei mir an der falschen Adresse. Jetzt merke ich, dass ich eine Verschnaufpause vertragen könnte. Aber ich will immer mehr.

Bono von U2 meinte einmal, mit ihm müsse etwas nicht in Ordnung sein, weil er jeden Abend die Bestätigung von 80.000 Leuten braucht. Ist mit dir etwas nicht in Ordnung?

Mavi Phoenix: Ja, bestimmt nicht, bestimmt nicht. Man bekommt so viel Liebe und Aufmerksamkeit. Wenn man immer wieder vor Tausenden Leuten steht und die einen fett anhimmeln, kann mir niemand erzählen, dass das nicht etwas mit einem macht.

Wie hat sich das Livespielen entwickelt?

Mavi Phoenix: Ich habe am Anfang alles gespielt, was ich bekommen konnte, auch schon vor fünf Leuten. Jetzt muss ich das zum Glück nicht mehr, aber ich spiele gerne, das ist das beste Training. Bald kommen Roskilde, Rock am Ring und Rock im Park. Ab Mitte Juli habe ich eine Liveband mit Drummer und einem Bassisten zusätzlich zum DJ.

Und ein Album?

Mavi Phoenix: Will ich machen, wird nicht heuer sein. Ich bin noch nicht auf dem Level, dass ich mein Debüt rausbringen will. Es gibt viele Musikerinnen und Musiker, die kleiner sind als ich und schon ein paar Alben veröffentlicht haben. Aber ich möchte, dass mein Album in die Billboard Charts einsteigt. Und wenn das noch drei Jahre dauert, dauert es noch drei Jahre.

Mit dem Debütalbum in die Billboard Charts, das hätte dann nicht einmal Falco geschafft.

Mavi Phoenix: Falco ist schon lang tot [lacht].

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Stefan Niederwieser

Mavi Phoenix live
14.06. Spring Festival, Graz Austria
22.06. Donauinselfest, Wien, Austria
23.06. Grünland Schlosspark Festival, Steyr, Austria
29.06. Kosmonaut Festival, Chemnitz, Germany
07.07. Roskilde Festival, Roskilde, Denmark
13.07. Melt Festival, Gräfenhainichen, Germany
26.07. Popfest, Vienna, Austria
27.07. Juicy Beats Festival, Dortmund, Germany
02.08. 29th Szene Openair, Lustenau, Austria
09.08. Musikfestwochen, Winterthur, Switzerland
11.08. FRAC Festival, Roccelletta di Borgia, Italy
17.08. MS Dockville, Hamburg, Germany
18.08. Funk am See, Luzern, Switzerland

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