„Es gibt kaum noch Musik, die nicht elektronisch ist“ – WALDECK im mica-Interview

Nach 9 Jahren Abwesenheit veröffentlichte der österreichische Elektronikmusiker WALDECK am 24. Juni 2016 das Album „Gran Paradiso“, ein Album voller Hymnen an das Italien der 20er und 30er Jahre. Antonia Seierl sprach mit KLAUS WALDECK über seine lange Pause, die Ö3 Debatte und den Aufschwung der elektronischen Musik seit seinem letzten Album „Ballroomstories“ (2007).

Von Ihnen gab es länger kein Album, gibt es dafür einen Grund?

Klaus Waldeck: Dafür gibt es mehrere Gründe. Eigentlich wollte ich schon früher ein Album machen – der ursprüngliche Plan war eine Fortsetzung von „Ballroom Stories“, aber da habe ich mich verrannt. Ich habe mich einige Zeit mit Live-Aufnahmen beschäftigt, auch teilweise ganz ohne Metronom, damit sich die Musikerinnen und Musiker freier bewegen können, aber das war dann von der Produktionsseite her sehr schwer einzufangen. In den vergangenen Jahren habe ich mir jeden Sommer vorgenommen, endlich ein Album fertigzustellen, aber ich habe mich dann oft verzettelt und so sind die Jahre vergangen. Irgendwann hatte ich auch keine Lust mehr auf Electro Swing – nicht, dass ich ihn nicht mehr schön finde, aber es ging nicht mehr. Eine Zeit lang habe ich mich mit Italien auseinandergesetzt und auch italienische Aufnahmen gemacht, aber das dann nicht weiterverfolgt und mich dann eher mit Western beschäftigt. So vergingen die Jahre, bis ich über die Verbindung mit Italien dann endlich auf „Spaghetti-Western“ gekommen bin.

Wie sind Sie auf Heidi Moussa-Benammar als Sängerin gekommen?

Klaus Waldeck: Zufällig, wie alle guten Dinge im Leben. Sie hat als Statistin in einem Musikvideo zu meiner Single „Make My Day“ mitgespielt. Wir haben dann lange nichts voneinander gehört, doch eines Tages kam eine Demoaufnahme von ihr hereingeflattert. Ich wusste gar nicht, dass sie singt. Wir haben uns dann in meinem Studio zu Probeaufnahmen verabredet und da hat sich – auch ein Zufall – herausgestellt, dass sie Italienisch spricht. Sie hat auch eine schöne Stimme, die nicht so typisch „italienisch“ klingt. Italien ist musikalisch in den 1980er-Jahren steckengeblieben und ich wollte mich eher mit der Zeit davor beschäftigen, daher hat das mit Heidi sehr gut gepasst.

Sie haben sich bis jetzt immer mit einer bestimmten Epoche der Musik auseinandergesetzt, zuletzt mit den 1920er- und 1930er-Jahren. Warum sind Sie diesmal in die 1960er gereist?

Klaus Waldeck: Das war keine bewusste Entscheidung.  Das Italien der 1960er war einfach eine unheimlich spannende Zeit – Wirtschaftswunder, Cinecittà usw. Ich habe auch bei „Ballroom Stories“ nicht einfach so das Amerika in den 1920er- und 1930er-Jahren genommen, sondern diese Epoche hat mich einfach angezogen.

Wie unterscheidet sich Ihr jetziger Sound von dem im Jahr 2007?

Klaus Waldeck: Die Bläser haben auf jeden Fall einen wichtigeren Part bekommen.

„Die Bilder und die Musik, die man mit Italien verbindet […]“

Was oder wer war Ihre wichtigste Inspirationsquelle beim neuen Album?

Klaus Waldeck: Die Bilder und die Musik, die man mit Italien verbindet – nicht wirklich irgendwelche realen Dinge, sondern diese Vorstellung von Italien. Wir leben ja doch in einer eher gemäßigten Klimazone und da ist Italien ein klimatisch wärmerer Ort, von dem man träumt.

Wann haben Sie entschieden, wieder ein Album zu machen, und wie lief die Produktion des Albums in etwa ab?

Klaus Waldeck: Wie bereits erwähnt war die ganze Zeit die Idee eines Albums da, aber ich bin einfach nicht weitergekommen. Ich habe mich mit Italien und Western auseinandergesetzt, dazwischen mit anderen Dingen – irgendwann habe ich die zwei Themen verbunden und so entstand „Gran Paradiso“.

„Generell bin ich kein großer Fan von sozialen Netzwerken […]“

Bild Waldeck
Bild (c) Waldeck

Trotz Ihrer langen Abwesenheit haben Sie über 15.000 Likes auf Facebook, und das, obwohl die Onlineplattform zur Zeit Ihres letzten Albums noch ganz neu war. Was, glauben Sie, ist der Grund dafür?

Klaus Waldeck: Ich bin daran unschuldig! Ich glaube auch nicht, dass 15.000 Likes viel sind, oder? Ich weiß es nicht. Generell bin ich kein großer Fan von sozialen Netzwerken – da werden so viele Informationen geschaffen und fürchterlich aufgebauscht, und das mag ich nicht. Insofern bin ich da auch nicht wirklich präsent.

Das neue Album „Gran Paradiso“ hat meiner Meinung nach ein großes Filmmusik-Potenzial. Wäre das Album ein Film, welcher wäre es?

Klaus Waldeck: Es wäre auf jeden Fall ein Roadmovie und würde in Italien spielen. Es gäbe eine Liebesgeschichte und natürlich auch einen Bösewicht – wer das wäre, weiß ich nicht. Wahrscheinlich ich selbst, ohne es zu wissen.

„Österreichische Musikerinnen und Musiker bekommen auf jeden Fall Aufmerksamkeit, aber da ist noch Luft nach oben.“

In Ihrem letzten mica-Interview im Jahr 2007 wurden Sie auf die Ö3-Debatte über die fehlenden beziehungsweise sehr selektierten Österreich-Plays angesprochen. Das Thema ist heute immer noch aktuell. Hat sich für Sie in den letzten Jahren irgendetwas in der Musikszene – vor allem in Bezug auf Ö3 – geändert?

Klaus Waldeck: Das ist schwierig zu sagen. Österreichische Musikerinnen und Musiker bekommen auf jeden Fall Aufmerksamkeit, aber da ist noch Luft nach oben. Ich glaube generell, dass jedes Land die Radiosender hat, die es verdient, wenn ich das einmal so flapsig sagen darf. Ausgezeichnet ist jedenfalls Ö1, teilweise auch FM4. Aber das, was hier politisch mit der Absiedelung der Sender aus dem Funkhaus passiert, ist äußerst unappetitlich anzusehen.

„Die elektronische Musik ist mittlerweile omnipräsent […]“

2001 galten Sie als Trendsetter: Die elektronische Musik hat damals angefangen richtig einzuschlagen. Mittlerweile ist fast alles elektronisch und es werden immer neue Wege gefunden, um Musik zu produzieren. Glauben Sie, dass die elektronische Musik weiterhin einen Aufschwung erlebt, oder sehnen sich die Menschen wieder mehr nach instrumentaler Musik?

Klaus Waldeck: Ja, ich denke schon, obwohl das nicht einfach zu sagen ist. Die elektronische Musik ist mittlerweile omnipräsent – früher war elektronische Musik hauptsächlich in der Experimentalmusik anzutreffen. Dann wurde die Elektronik zunächst von Stilrichtungen wie Disco aufgenommen. Es folgten dann viele Neuerungen in den 1990er-Jahren – etwa Sampler – und es entstanden viele neue „elektronische“ Musikstile wie Hip-Hop und House, die alle zunächst aus dem Untergrund kamen. Heute wurde das alles vom Mainstream aufgesogen. Es gibt kaum noch Musik, die nicht elektronisch ist.

Wie planen Sie Ihre Zukunft? Wird man schon demnächst mehr von Ihnen hören?

Klaus Waldeck: Ich habe ein T-Shirt, auf dem steht, dass ich erst 2028 weitermachen werde. Aber ich hoffe doch, dass es schon früher sein wird! Der Plan ist auf jeden Fall, dass es vor 2028 noch etwas gibt.

Vielen Dank für das Gespräch.

Antonia Seierl

 

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