Volkmar Klien im mica-Interview

Neue Haltungen werden ausprobiert, Sprachen zerlegt und neu zusammengesetzt, Klangumgebungen geschaffen, die unsere Wahrnehmung irritieren und vor allem die Notwendigkeit betont, in direkten Austausch miteinander zu treten – Shilla Strelka traf den Klangkünstler und Komponisten Volkmar Klien zum Gespräch.

Er führt Operationen durch, die als Kommunikationsangebote an den Rezipienten gehen. In kritischer Reflexion auf das hierarchische Verhältnis zwischen Künstler und Rezipient, stellt Volkmar Klien das unmittelbare Erleben und die Interaktion in den Vordergrund. Seine Arbeiten gleichen Versuchsanordnungen, die um das Neuverkabeln gesellschaftlicher und sprachlicher Ordnungen bemüht sind. Wie es möglich sein kann, Löcher in den Horizont des Normativen zu bohren und dabei auf eine blitzhafte Erkenntnis zu hoffen, erklärt der Künstler in einem Gespräch mit Shilla Strelka.

Du unterrichtest seit 2015 an der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz. Was hat dich dorthin verschlagen?

Es gibt dort schon länger elektronische Musikstudios und seit kurzer Zeit gibt es ein Kompositionsstudium, das als BA und MA angeboten wird und sich direkt und von Anfang an mit elektronischer Musik auseinandersetzt. Das ganze nennt sich Medienkomposition/Computermusik. Wir arbeiten mit zeitgenössischen Medien im Klang. Wir haben in unserem Neubau am Pöstlingberg großartige Produktions- und Präsentations-Studios. Das ist ein sehr empfehlenswerter Studienort.

Die Universität wird dieses Jahr auch mit der Ars Electronica kooperieren. In welcher Form wird das passieren?

Ja – Andreas Weixler, Se-Lien Chuang und ich haben gemeinsam mit der Universität und dem Ars Electronica Festival ein Symposium organisiert, das das Verhältnis von Soundart und Musik untersuchen möchte. Es wird ein Konzert an der Universität geben und der Music Monday wird dort beginnen. Der Plan ist, musikalische Aktivitäten der Ars Electronica in den Studios der Bruckner Universität zu fokussieren.

„Relative Realitäten“ bei der Ars Electronica

Im Zuge des Festivals wird auch deine Installation „Relative Realitäten“ im Linzer Mariendom zu sehen sein. Es handelt sich um die Variation einer Arbeit, die 2007 in Zusammenarbeit mit Thomas Grill entstanden ist. Könntest du die komplexe Anordnung kurz skizzieren?

Das zentrale Stück ist ein Pendel, das in Form eines uralten Röhrenmonitors, an 32 Meter langen Stahlseilen im Mariendom schwingt. Der Monitor verhält sich wie ein Fenster in eine andere Wirklichkeit. Dieser visuellen Welt, die zweifach ist – der schwingenden, physikalischen Welt und der virtuellen, visuellen Welt – wird eine akustische dritte Welt gegenübergestellt. Der Klang des Pendels wird im Computer durch virtuelle Architektur modelliert. Dort interagiert das Pendel auch mit anderen, virtuellen Objekten. Thomas Grill war für die Modellierung zuständig und hat eine durchaus recht komplexe Mathematik dazu gebaut.

Relative Realities from Volkmar Klien on Vimeo.

„Es geht um jene – meist kurzen – Momente, in denen sich etwas von unserer eingeübten Wahrnehmung ablöst.“

Es gelingt dir Aktualität und Virtualität als zwei tatsächlich ineinander verschränkte Sphären erfahrbar zu machen. Die Wirklichkeit, die der Monitor abbildet, drängt an den Rändern nach außen und greift in den aktuellen Raum über. Es sind eigentlich die Nachbilder, die hier einen virtuellen Raum entstehen lassen.

Du doppelst dieses visuelle Verfahren dann auf der akustischen Ebene, indem du das Pendel durch einen Algorithmus mit virtuellen Objekten interagieren lässt. Wie relativ ist unsere Wahrnehmung?

Es gibt in unserer Wahrnehmung nur von uns Konstruiertes. Damit meine ich natürlich nicht, dass alles ausschließlich menschliche Konstruktion ist. Ich glaube durchaus, dass man von einem Stein erschlagen werden kann, auch wenn man ihn nicht gesehen hat. Musik vor zweihundert Jahren war schon ein Versuch virtuelle Welten zu bauen. Über tonale Beziehungen schaffst du so etwas wie ein Fundament, von dem du dich entfernen kannst. Die Tonika hat einen Zentralton, von dem kannst du weg-modulieren und – nicht begrifflich formulierte – Abenteuer bestehen. “Relative Realitäten” ist unter anderem der Versuch, die eigene Wahrnehmung zum Thema zu machen.

Eine Schwierigkeit in der Musik und Kunst ist, dass am Ende stets ein Stück übrig bleibt, das alle Formen von Differenz zu sich selbst, die du einbringen möchtest, verschwinden lässt. Es geht mir um jene – meist nur kurzen – Momente, in denen sich etwas von unserer eingeübten Wahrnehmung ablöst. Das wirklich Wichtige sieht man nie, weil das die Grundregeln der eigenen Verhaltensmuster sind. Wenn du etwas ganz stark beschleunigst und dann schnell abbremst, gibt es die Hoffnung, dass der Schatten kurz sichtbar wird. Das sind Augenblicke, in denen kurz etwas aufschwimmt, das zuerst ganz sicher war. Das wäre ein Ziel dieser Arbeit. “Relative Realities” ist ein Versuch und auch eine Intervention.

Ein zentraler Ansatz deiner Arbeit ist es, Dinge sinnlich erfahrbar zu machen und möglichst ohne Text auszukommen. Aber in dieser Arbeit weiß ich als Besucherin nicht, dass diese virtuellen Klangobjekte mit dem tatsächlichen Raum interagieren. Erschließt sich das, wenn ich in der Installation stehe oder ist das nicht eher ein Konstrukt von dir?

Es ist ein Konstrukt, aber eines, das für alle nachvollziehbar ist, weil wir alle in der gleichen physikalischen Welt, in der gleichen Körperlichkeit leben. Es geht darum eine Klangwelt zu kreieren, nicht um Regelbasiertheit per se. Das scheint mir eine der zentralen Irrtümer vieler Kompositionen in Computermusik oder auch neuer Musik zu sein; es gibt keine Regeln, die du dir selber geben kannst und die dann Verpflichtung entwickeln könnten.

Naja, aber du programmierst ja. Da gibt es dann auch einen fixen Algorithmus.

Ja, aber nach vorgegebenen, d.h. in gemeinschaftlicher Praxis vorgefundenen Regeln. Ich borge mir für die Klangwelt der Relativen Realitäten die Physik aus, unseren Alltag, unsere Lebenswelt. Das ist ja mehr ein Abnehmen von Verhaltensweisen als ein Generieren.

„Klang, Musik ist eine virtuelle Welt, aber sie umgibt dich tatsächlich.“

Was interessiert dich daran, die Wirklichkeit nachzubauen und synthetisch werden zu lassen?  Du arbeitest z.B. viel mit Artificial Soundscapes.

Ich denke das ist das Eigentümliche an der elektronischen Musik. Wenn du rein synthetische Musik machst und nicht mit einem der großen kommerziellen Software-Pakete, in denen schon sehr viel vorprogrammiert ist, arbeitest, dann merkst du, dass in allem, was wir Musik nennen, ganz viel Körperlichkeit steckt, die auf unserer Erfahrung basiert. Wenn du z.B. mit einem Schlagzeug interagierst, dann folgt das bestimmten Gesetzen. Je stärker du draufschlägst, desto lauter wird es und je größer das Instrument ist, desto tiefer klingt es. Das ist einfach so. Wenn du im Computer Klänge baust, merkst du, dass du all diese Dinge auf einer metaphorischen Ebene einbringen musst. Wenn du den Leuten Rauschen, d.h. totale Sinnlosigkeit vorspielst, versuchen sie noch immer etwas zu hören. Dazu haben wir Ohren. Auch “Relative Realitäten” folgt so einer Überlegung: wie kannst du Soundscapes generieren, in denen wir uns tatsächlich sinnvoll umgeben fühlen? Das interessiert mich sehr: du nimmst Musik ja immer als deine Umgebung wahr. Klang, Musik ist eine virtuelle Welt, aber sie umgibt dich tatsächlich.

Die Realität ist ja immer schon ein Abbild. Und unsere Wahrnehmung läuft nie bewusstseinsunabhängig ab, d.h. sie ist immer schon virtuell.

Aber Klang ist etwas, das dich umgibt. Es ist die Luft, die vibriert. Und wenn du dich mit zehn Lautsprechern umgibst, kannst du eine tatsächliche, immersive Virtualität erschaffen.

„Das waren Versuche einer spielerischen Neuverkabelung von gesellschaftlichen Zusammenhängen.“

Padded Perception from Volkmar Klien on Vimeo.

Einige deiner Arbeiten fungieren als Interventionen. Was verstehst du darunter?

Ein solches Kunstwerk ist dadurch bestimmt, dass es sich zwischen die Welt und eine Person schaltest. Eine Intervention war z.B. die Arbeit “Padded Perceptions”, ein wattierter Raum, quasi eine Gummizelle. Hier baue ich das Verhältnis deiner Interaktion mit der Welt, also mit dem Raum, in dem du dich befindest, um. Normalerweise hast du eine stabile Welt. In “Padded Cell” reagiert die physikalische Welt aber anders. Auch in den Social Media passiert das ganz stark. Es gibt keine direkte Kommunikation mehr. Alles ist in proprietären Systemen vermittelt und insofern auch immer gefiltert. Deshalb ist die Wahrnehmung dort auch immer geprägt durch eine andauernde Intervention anderer, d.h. die Intervention Facebooks ist für dich eigentlich das, was Wirklichkeit wird. Solche Überlegungen haben mich am Anfang digitaler Erweiterungs- und Augmentierungs-Möglichkeiten interessiert.

Eine Intervention war auch das Projekt “Aural Codes” – eine voll lizensierte Mittelwellen-Radiostation über Ost-London und danach Manchester. Dafür habe ich den lokalen Internetverkehr aus dem Netz in Klang umgewandelt. Das hat einfach gescheppert und gerauscht. Ich habe dann Interaktionsformen geschaffen und z.B. aus einer Wand ein Kabel mit Drehreglern gehängt mit denen du den Klang der Radiostation verändern konntest. Das waren Versuche einer spielerischen Neuverkabelung von gesellschaftlichen Zusammenhängen, ohne Erklärungen vor Ort. Das, was mich an Musik auch interessiert sind unterschiedliche Situationen von Kommunikation. Die Gummizelle und das Radioprojekt funktionieren anders als jemand, der mit einem Mikrofon auf der Bühne steht und von Anarchie und Gleichberechtigung singt und das dann für 20.000 Leute verstärkt. Das habe ich immer schon als zumindest schwierig empfunden. Weil es natürlich extrem hierarchisch ist, wie jede Form von Schallverstärkung.

Dekonstruktion mit dem Holzhammer

Ein zentraler Aspekt deiner Arbeiten ist das Heraustreten aus festgefahrenen Strukturen und Ordnungen. Das hat in dem Zusammenhang wohl auch Relevanz.

Ja, ich habe immer wieder Löcher gebohrt. Gleichzeitig muss man aufpassen, dass man nicht der Depp ist, der mit dem Hammer im Weinkeller die Fässer, randvoll mit gutem Wein, zerschlägt, nur um zu zeigen, dass sie eigentlich ja alle leer sind. Das ist das Eigentümliche an jeder Form von Dekonstruktion: nur weil etwas kulturelle Konstruktion ist, heißt es ja noch nicht, dass dies schlecht sei, oder überwunden werden müsste. Es gibt einfach nichts anderes.

Aber Dekonstruktion ist doch eigentlich Analyse, also nicht notwendigerweise wertend.

Ja, aber es ist dezidiert nicht die Aufgabe der Sängerin ihre Performance on stage zu dekonstruieren, weil sie dann kaputt geht. Du kannst die ganze Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts als eine Art Medienkritik, Methodenkritik oder Reflexion der Methoden der Musik verstehen. Das hat auch damit zu tun, dass du nach einer fundamentalen Kritik deines Tuns nicht mehr gleich weitermachst. Das, was gegeben war, erscheint danach gesetzt. Das beschäftigt mich stark: wo ist das Innen, wo das Außen?

Unmittelbares Erleben und direkte Kommunikation spielen eine wichtige Rolle in deinen Arbeiten. Für “Rezeptionshaltungen” trittst du als Komponist in direkten Austausch mit dem/der Rezipienten/Rezipientin. In so eine Situation kommst du sonst vermutlich selten.

Ja, es handelt sich um zwanzig-minütige Konzerte, in denen man sich aufeinander einlassen muss und ich eine Person, die ich nicht kenne, dazu animieren muss, bestimmte körperliche Haltungen einzunehmen und sich zu guter Letzt in einer Apparatur fixieren zu lassen. Was mich daran interessiert, ist auch das eigentümliche Machtverhältnis zwischen Kunst und Rezipient. Die Bereitschaft des Rezipienten, der Rezipientin sich auszuliefern. Es soll als gelebter Akt des Rezipierens interessant sein und ist etwas, das nur im Hier und Jetzt passieren kann. In dieser Welt, in der wir leben, scheint sich alles in reinen Geist aufzulösen, deshalb interessiert mich diese Interaktion, in der man sich tatsächlich noch angreifen kann und muss. Dieser Live-Charakter und das eigentümliche Verhältnis von Vorgabe und Annahme, das immer dabei ist, sind sehr interessant. Zudem ist die Arbeit auch wunderbar ineffizient: du gehst auf Tournee, spielst hundert Konzerte und hast hundert Leute gesehen.

Rezeptionshaltungen from Volkmar Klien on Vimeo.

„Was mich daran interessiert, ist auch das eigentümliche Machtverhältnis zwischen Kunst und Rezipient.“

Inwiefern lässt sich auch ein pädagogisches oder zumindest aufklärerisches Moment in deiner Arbeit ausmachen?

Da gibt es zwei Antwortstränge. Auf der einen Seite ist es erstaunlich, was für eine Distanz zwischen dem, was ich mache oder was in der Soundart passiert und der Alltagskultur der Musik besteht. Ich habe keinen pädagogischen Impetus in meinen Arbeiten im Sinne von Vermittlung bestimmter Konzepte durch Musik oder danach, absichtlich zugänglich sein zu wollen. Gleichzeitig glaube ich, dass Musik oder Kunst von meiner Seite immer ein Kommunikationsangebot an andere ist, das schon bestrebt ist, aus sich selbst heraus verständlich zu sein. Wenn in einer künstlerischen Arbeit eigentlich nur drei Lichter blinken und dies für irgendetwas stehen soll, das jedoch niemand nachvollziehen kann, dann ist das eigentlich eine Text-basierte Arbeit.

Mir geht es in meiner künstlerischen Arbeit darum, dass sie sich auf einer sinnlichen Ebene, die natürlich stets eingebettet ist in einen kulturellen Kontext, vermittelt, ohne dass du einen Beipackzettel lesen musst. Es ist eigentlich eine Einladung, Dinge bewusst wahrzunehmen. Mich interessiert etwas, dass ich mit Freude hören kann. Gleichzeitig weiß ich aus meiner eigenen Biographie, dass Kunst durchaus die Welt verändern kann. Als ich erste Mal von Dada, Hugo Ball, Christian Wolff oder die ‘Atmosphères’ von Ligeti oder eine paar Stücke von Thelonious Monk gehört habe, war die Welt danach eindeutig anders für mich. Und nicht weil jetzt irgendjemand ein Lied über den Frieden geschrieben hätte.

Kunst ist ein Kommunikationsangebot.

Komponierst du denn noch im klassischen Sinn?

Ich schreibe gerade auch an ein paar Klavierstücken und einem Ensemblestück – das erste Mal nach fünfzehn Jahren. Ich fand es immer schon eigenartig, dass man in einer Partitur eigentlich Befehle in die Zeit schreibt. Das ist doch keine Kommunikationsform zwischen Erwachsenen. Das hat etwas stark Militärisches. Wenn da z.B. ein Fis steht und dann stehen zehn Takte Pause. Da hast du als MusikerIn keine Ahnung, was kommt und was deine Rolle ist. Du wirst zum Teil einer Klangproduktion, eines Klangkörpers, des Orchesters in dem Fall, und wirst zum Schallgeber.

Wenn du in einer kleinen Gruppe spielst, dann kommt es auf die Noten an. Wenn du z.B. Musik von Mozart oder Schubert spielst, dann verstehst du, was deine Note im Gesamtkontext ist. Das ist ein ganz anderes Musizieren. Wenn ich mit Musikern und Musikerinnen arbeite, interessiert mich eher die Interaktion zwischen Menschen, als neue Klangstrukturen. Auch in der Musiktechnologie gibt es heute keine neuen Klänge im eigentlichen Sinn. Es gibt neue Möglichkeiten, aber an sich ist alles bereits etabliert. Die Rechengeräte werden vielleicht kleiner, es werden andere Arbeitsmethoden entstehen, aber an sich sind die Klangmöglichkeiten vorhanden. Du kannst jeden Klang verwenden, den du je gehört hast. Die Techniken sind da. Trotzdem klingt Musik zu einem großen Teil sehr ähnlich und – vor allem – spielt sie Rollen, die sie immer schon gespielt hat. Da hat sich so viel nicht geändert. Viel davon, was für die Zukunft angedacht war, ist einfach nicht eingetreten. Damit muss man sich auch auseinandersetzen. So zu tun, als wäre die Aufgabe nach wie vor, neue Strukturen für standardisierte Orchestersituationen zu schaffen, kann nicht der Weg sein.

Ich denke jede Kunstform muss als Kommunikation funktionieren. Der Aspekt von Kommunion und der Vergemeinschaftung des Augenblicks sind ganz zentral. Alles, was sich auf Kompositionstechnik allein konzentriert, spricht zu viel über Struktur im Signal und zu wenig über die Bedeutung für Gemeinschaften. Das finde ich sehr eigentümlich.

„Wenn ich mit Musikern und Musikerinnen arbeite, interessiert mich eher die Interaktion zwischen Menschen, als neue Klangstrukturen.“

Kollidierst du oft mit Kollegen und Kolleginnen? Dein Ansatz ist ja schon sehr konsequent.

Ja, sicher. Aber das ist auch nichts Neues. Es ist vielen klar, dass das man als Komponist, als Komponistin in eine absurde Situation geraten ist. Das Neue soll sich an den konservativsten Orten der Gesellschaft etablieren; in einer notengebundenen, klassischen Neuen Musik. Das sind doch Salonrevoluzzer. Das ist auch keine Kritik an einer klassischen Musik. Die finde ich nach wie vor großartig schön. Ich habe kein Bedürfnis, mich gegen tonale Musik zu wehren. Aber viel Musik hat ganz stark den Aspekt von Fernmasturbation. Alles soll schön sein für alle, deshalb muss es möglichst ergonomisch gebaut sein. Es soll für alle funktionieren und das auch ganz stark auf einer biologischen Ebene.

Sobald du darüber nachdenkst, bist du nicht mehr in dem Geschäft der massenhaften Befriedigung durch Musik dabei. Mit Fremdgefühl überschütten oder überschüttet zu werden interessiert mich nicht. Ich sehe da auch keinen Unterschied zwischen E- und U-Musik. Mich interessiert Musik tatsächlich als Musik, wie sie in der Wirklichkeit zu finden ist. Die Biologie der Musik ist etwas, das mich fasziniert. Schlamm interessiert mich als musikalische Idee auch sehr. Alles bewegt sich, keiner weiß etwas und die Hoffnung ist, dass sich etwas auskristallisiert. Da gibt es einige eingebaute Schwierigkeiten. Natürlich interessiert mich das Aufbohren, Zerlegen und neu Zusammenschrauben sehr, aber wenn man sich einbildet, so genau muss die Zukunft der Musik sein und das wird normativ für alle gelten – das war ja anfangs der Gründungsmythos der Avantgarde – dann muss man sagen, das hat so nie stattgefunden und wird auch nicht stattfinden.

Interview: Shilla Strelka

 

Links

Die Website des Künstlers: http://www.volkmarklien.com

Ars Electronica: http://www.aec.at/

Bruckner Uni: https://www.bruckneruni.at