VIRGINIA ERNST hat mit nur 25 Jahren bereits mehr geschafft als viele andere in diesem Alter. Sie nahm als Profi-Eishockeyspielerin an sechs Weltmeisterschaften teil, brachte mit der Damen-Nationalmannschaft 2008 sogar eine Goldmedaille nach Hause. Als Singer-Songwriterin veröffentlichte sie 2014 und 2015 drei Singles, von denen es eine auf Platz 1 („Soldier“) und eine auf Platz 2 („Rockin‘“) der österreichischen Charts schaffte. Nun hat sie ihre neueste Single „If Not Tonight“ am Start. Die Künstlerin sprach mit Petra Ortner.
Beginnen wir mit Ihrer Karriere als Eishockeyspielerin. Ihre erste Weltmeisterschaft haben Sie in Nordkorea absolviert. Wie war es dort?
Virginia Ernst: Schräg. Man kann sich nicht wirklich vorstellen, was dort abgegangen ist. Wir sind erst mal von Peking nach Pjöngjang, und das in einem Flugzeug, das auf der Schwarzen Liste der EU ganz oben steht. Das war eine Propellermaschine, wo man die Sitze nach vorne klappen konnte. Wir waren drei Mannschaften. Österreich, die Niederlande und die Slowakei. Und immer wenn die Maschine leiser wurde, dachte ich: „Jetzt ist es vorbei, aus [lacht].“ Wir haben wirklich nicht geglaubt, dass wir das überleben und die WM spielen werden, aber der Pilot hat es irgendwie über die Chinesische Mauer geschafft. In Pjöngjang angelangt, war ich dann auf dem kleinsten Flughafen, den ich jemals in meinem Leben gesehen habe. Wir wurden die ganze Zeit von einem Bodyguard begleitet, wir durften nirgendwo allein hingehen. Die Gesellschaft dort ist ein Wahnsinn. Wie soll ich sagen? Die Frauen bekommen von den Männern überhaupt keinen Respekt. Es ist nicht wie in Europa, wo man sagen kann, dass Frauen und Männer gleichgestellt sind. In Nordkorea war das ganz schräg. Sie hatten auch nicht wirklich Verkehrsmittel, Autos oder so. Ich habe in den ganzen zwei Wochen, in denen ich dort war, nur ein Auto gesehen. Die „Ampel“ war ein Kreis, in dem eine Frau stand, die wie eine Polizistin gedeutet hat, in welche Richtung man fahren darf. Wirklich sehr schräg! Das war ein Erlebnis, das ich wahrscheinlich nie wieder vergessen und nie wieder machen werde [lacht].
Sie waren dann drei Jahre in Schweden. Was war für Sie ausschlaggebend dafür, dort zu bleiben?
Virginia Ernst: Ich wollte zunächst nur ein Jahr in Stockholm bleiben. Ich wollte ein Jahr in Schweden spielen und das als Sprungbrett für Amerika oder Kanada nutzen. Ich wollte unbedingt nach Amerika gehen und dort Eishockey spielen. Ich hatte aber dann in Schweden eine Beziehung, habe im ersten Jahr gleich jemanden kennengelernt und habe dann beschlossen, dort zu bleiben. Dann bekam ich einen Schulplatz, wollte die Schule beenden.
„Um ehrlich zu sein, ich habe nur Musik gehört, um mich zu motivieren.“
Wie wichtig war die Musik in der Zeit als Sportlerin für Sie?
Virginia Ernst: Um ehrlich zu sein, ich habe nur Musik gehört, um mich zu motivieren. Um Trauer zu verarbeiten, um Spaß zu haben, aber da habe ich nicht im Traum daran gedacht, selbst Musik zu machen. Ich habe nie im Leben gedacht, dass ich mit Eishockey aufhöre. Das ging für mich nicht. Ich habe schon immer wieder gerne gesungen, aber ich habe nie gesagt: „Ich muss jetzt Sängerin werden.“ Der Sport war das wichtigste Element in meinem Leben. Ich habe erst gegen Ende meines letzten Jahres in Schweden mit der Musik begonnen.
Sie haben sich das Gitarrenspielen selbst beigebracht. Wie lange dauerte es, bis Sie die ersten Songs spielen konnten?
Virginia Ernst: Ich habe mir mit zwanzig Jahren via YouTube das Gitarrenspielen beigebracht. Und ich wollte keine Songs covern. „Wonderwall“ von Oasis war ein Song, den ich gecovert habe, aber ich wusste gleich, dass das nicht zu mir passt. Ich wollte meine eigenen Emotionen in einem Song rüberbringen. Meinen eigenen Stil aufbauen. Und nach circa drei Wochen, habe ich mit zwei Akkorden meinen ersten Song geschrieben. Mit dem Song habe ich dann in London einen Singer-Songwriter-Wettbewerb gewonnen, wo ich mir wirklich nur dachte: „Wow!“ Irgendetwas hat hier anscheinend gepasst, dass das mit der Musikkarriere dann geklappt hat. Ich habe gar nicht so lange herumgetan. Ich bin sehr zielstrebig und das Einzige, was ich hatte, waren der Sport und die Schule. Und an meinen freien Tagen habe ich mich dann zu Hause hingesetzt und gesungen und Gitarre gespielt. Sicher sieben Stunden am Tag.
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Wie lange arbeiten Sie im Durchschnitt an einem Song?
Virginia Ernst: Das kommt darauf an. Bei mir ist es manchmal so, dass ich in einer oder zwei Stunden einen Song schreibe. Ein anderes Mal sitze ich auch länger dabei. Wo ich mir dann denke: „Da kann ich noch was ausarbeiten, da muss der Text noch her und da muss das noch passen.“ Es kommt auch immer auf die Situation an, darauf, welche Emotionen man rüberbringt. Es gibt auch Songs, die beginne, aber nicht beende. Ich schreibe nicht jeden Song fertig. Mir fällt eine Melodie ein, aber ich kann keine Zeit nennen, bis ich ein Lied fertig habe. Das ist wirklich ganz unterschiedlich.
Wer sind Ihre musikalischen Vorbilder?
Virginia Ernst: Als Kind war ich ein ganz, ganz großer Pink-Fan. Was ich auch weiterhin bin. Mittlerweile bin ich auch ein sehr großer … also „Fan“ kann ich nicht sagen, weil ich jetzt auch in dieser Branche bin, aber ich schaue auf zu Ed Sheeran. Er schreibt von seinem Herzen aus, für das Publikum. Ich mag seine Art und Weise, seinen Stil. Also diese beiden Künstler sind es.
Mit den Singles „Rockin‘“ und „Soldier“ hatten sie gleich Topplatzierungen in den Charts. Kann man so einen Erfolg irgendwie planen?
Virginia Ernst: Nein, Erfolg kann man nicht planen. Wenn man ihn plant, geht der Plan nicht auf. Man kann nur darauf hinarbeiten und schauen, dass es ein Erfolg wird. Aber davon ausgehen, dass etwas ein Erfolg wird, in der Musik, im Schauspiel, das kann man nicht. Das ist immer eine Fifty-fifty-Chance. Mich hat das mit „Rockin‘“ und „Soldier“ total überwältigt. Für mich war das, als ob ich über Nacht zum Superstar geworden wäre. Das war nicht geplant. Natürlich haben wir uns hingesetzt und gesagt, dass wir irgendwann einmal dort und dort hinkommen wollen. Man muss sich ja Ziele stecken. Aber das so zu planen, wie es passiert ist, das geht nicht. Das ist einfach so gekommen.
Ehrgeiz ist sehr wichtig. Wie ist es mit Glück?
Virginia Ernst: Man macht sich sein eigenes Glück. Glück kommt nicht einfach auf einen zu und sagt: „Hui, da bin ich jetzt.“ Sondern es ist eher so, dass man auf etwas hinarbeitet. Ist man ein ehrlicher Mensch, hat man ethische Werte, macht man seine Sachen richtig, aufrichtig, dann kommt das Glück von allein. Ich kenne niemanden, der depressiv ist und davon ausgeht, dass das Glück ihn überhäuft. Glück kommt nicht einfach, das macht man sich.
„Das war für mich wie die erste Einberufung ins Nationalteam.“
Im Jänner hat sich der Robbie-Williams-Produzent Steve Power bei Ihnen gemeldet. Wie war Ihre Reaktion darauf?
Virginia Ernst: Das hat mich überwältigt. Innerhalb der kurzen Zeit, in der ich Musik mache, ist das großartig. Ich bin sehr, sehr zielstrebig und ehrgeizig. Und ich bin sehr ungeduldig. Ich weiß, wie es ist, sich Ziele zu setzen und wohin zu wollen. Manche Musikerinnen und Musiker brauchen etwas länger, bis sie einen Erfolg sehen, und sie machen weiter und weiter. Das ist auch für mich ausschlaggebend. Immer weitermachen. „Kiss“ ist zum Beispiel letztes Jahr nicht so wirklich angekommen, aber ich habe mir gesagt, dass ich weitermachen muss. Ich wusste, dass sich irgendwann einmal etwas Cooles ergeben wird, etwas Internationales, was noch keine Österreicherin und kein Österreicher geschafft hat. Dann habe ich mein neues Management kennengelernt, Scheibmaier & Schilling, die Kontakte zu internationalen Plattformen haben, unter anderem auch zum Robbie-Williams-Produzenten Steve Power. Dem habe ich extrem gefallen. Er hat sich „Soldier“ angehört und hat gemeint, dass er gerne etwas mit mir machen möchte. Er hat mir, also meinem Produzenten, geschrieben, und das war für mich anfangs nicht zu glauben. Denn welche Künstlerin, die wie ich am Anfang ihrer musikalischen Laufbahn steht, hat schon die Möglichkeit, mit einem Mega-Produzenten wie Steve Power zusammenzuarbeiten? Das war für mich „Wow“, ich kann das gar nicht in Worte fassen. Ich war so aufgeregt, dass ich irgendeinen Scheiß baue oder ich keine gute Nummer finde. Da wird man einfach extrem nervös. Das war für mich die erste Einberufung ins Nationalteam.
Im März waren Sie in London, um die Single „If Not Tonight“ aufzunehmen. Wie lange waren Sie dort und wie war es?
Virginia Ernst: Ich war drei Tage in London, um die Vocals aufzunehmen. Und das war irre. Wir haben in so einer kurzen Zeit so viel geschafft. Rein von der Stimme her habe ich mich total weiterentwickelt. Ich bin jetzt wirklich auf einem höheren Niveau als bei „Rockin‘“, „Soldier“ und „Kiss“. Wir haben in einem Team zusammengearbeitet, das wirklich professionell war. Ich hätte mir nie gedacht, dass ich die nächste Österreicherin bin, die mit einem internationalen Produzenten zusammenarbeiten darf. Steve Power ist generell so ein bodenständiger, lieber Typ, der sich grundsätzlich nur für deine Geschichte interessiert und nicht prahlt, was er schon alles erreicht hat. Das macht einen wirklich erfolgreichen Künstler aus. Das war einfach nur hammergeil.
Wann wird es das erste Album von Ihnen geben?
Virginia Ernst: Wir haben schon nach „Rockin‘“ und „Soldier“ gesagt, dass ein Album kommt. Aber im Musikbusiness kann man nicht wirklich davon ausgehen, dass gleich ein Album erscheint, weil einfach sehr viel passieren kann. Wir warten jetzt einmal die Single „If Not Tonight“ ab. Doch es wird natürlich jetzt bald ein Album kommen. Ob es jetzt schon im Herbst oder Winter 2016 ist oder Frühjahr 2017, ist natürlich abhängig davon, wie es mit uns als Team weitergeht. Wo wir produzieren werden, ob wir international produzieren werden. Es sind so Kleinigkeiten, auf die wir achten müssen. Darum sage ich jetzt einmal: „Es wird in den nächsten acht Monaten ein Album von mir geben.“
„Mein erstes großes Ziel ist jetzt einmal, international erfolgreich zu sein.“
Was sind Ihre nächsten großen Ziele?
Virginia Ernst: Ich habe so viele Ziele, die ich auch sehr zielstrebig angehen werde. Mein erstes großes Ziel ist jetzt einmal, international erfolgreich zu sein. National ist natürlich eine wahnsinnige Ehre für mich. Dass ich für mein Land stehen darf – als österreichische Künstlerin. Aber ich habe es schon einmal geschafft, aus Österreich rauszukommen, darum werde ich es auch ein zweites Mal schaffen. Mein Ziel ist es, in Europa Fuß zu fassen, mehrere Hits zu haben und dass man mich nicht mehr vom europäischen Pophimmel wegdenken kann. Der nächste Schritt ist dann Amerika. Viele Konzerte zu spielen, Konzerte, die gut besucht sind, und mit irgendwann einmal auch von der Musik etwas leisten zu können. Das ist ja nicht so leicht in der österreichischen Musikbranche.
Julia Ortner