United Colors of PRIMAVERA SOUND 2019

Es war das vielleicht beste PRIMAVERA SOUND 2019 aller Zeiten, 5K HD haben einen Teil dazu beigetragen.

Es gibt gute Festivals, außergewöhnliche Festivals und es gibt das Primavera Sound 2019. Line-up, Publikum, Sonne und Meeresluft, das ist ohnehin alles schön und gut, heuer wollte man aber noch mehr. Es sollten gleich viele Frauen wie Männer auf der Bühne stehen, natürlich auch bei den Headlinern, mehr people of color und generell mehr von den buntesten Facetten der ganzen Welt. Straight white dudes starben deshalb noch lange nicht aus, Helden des Britpop sangen in Mikros genauso wie zornige Männer mit zornigen Gitarren. Das Scheinwerferlicht mussten sie sich jetzt eben teilen. Das ist vor allem gerecht. Es spiegelt aber auch wider, dass sich die globalen Hörgewohnheiten verschoben haben. Rock und Pop sind nicht mehr so wichtig, Rap und Reggaeton dominieren. Deshalb ist das Line-up auf dem Primavera nur konsequent und richtungsweisend. Denn so viele Janelle Monáe, Erykah Badu, Robyn, Lizzo, Christine and the Queens, FKA Twigs, Rosalía, Solange, Charli XCX, Kali Uchis und Carly Rae Jepsen gibt es derzeit nirgendwo sonst auf diesem Kontinent. „The New Normal“ nennen sie das in Barcelona. Sollte normal sein. Wird normal sein.

Primavera 2019 (c) Primavera

Sind die Leute aber dafür nicht nur reif, sondern sind sie auch bereit, etwas zu zahlen? Immerhin ist man mit Flug, Hotel, Ticket, Bier und allem anderem Treibstoff schnell tausend Euro an einem Wochenende los. Da hätten manche eben gerne keine Überraschungen, denn tritt kein Liebling der „einfachen Leute“ aus den Suburbs auf, fragen sich viele schnell: „Ist es das schon für mich?“ Bis zuletzt gab es Festivalpässe, die früher schnell ausverkauft waren. Der erste Tag war leerer als sonst, am nächsten Tag war das aber vergessen. Menschen hatten ihre aufgeblasensten Turnschuhe an, ihre futuristischsten Einteiler, ihre katzenartigsten Brillen und ihre Blusen mit den wildesten Tiermustern. Um es mit sehr ehrlichen Worten zu sagen: „viel mehr menschen wuselten über die betonwüste und viel mehr hype schwirrte durch die luft!” (wienkonzert.com, Juni 2018). Freitags um elf Uhr tat das Miley Cyrus, die für Cardi B eingesprungen war. Sie ist für übertriebene Hallenshows bekannt. Weil aber große Plastiktiere, goldene Autos und ständige Kostümwechsel viel Technik und einen langen Aufbau voraussetzen, der hier nicht möglich ist, gingen viele weiter. Sie konnten etwa 5K HD aus Wien sehen und hören. Und auch gleich staunen.

5K HD sind fantastische Musiker. Und technisch gesehen brauchen sich die anderen Bands auf dem Festivals gar nicht vor ihnen zu verstecken. Trompete, Schlagzeug, Bass, Synth und Stimme sind bestens aufeinander eingespielt, werfen sich Themen zu, Loops sind schlau gesetzt, jeder kleine Tempowechsel stimmt und Lukas König ist ohnehin der einmaligste Schlagzeuger des Landes. Selbst wenn ein Song live in sich zusammenbricht, war es nur eine Falle, die Band fängt ihn Momente später ein und hatte immer die volle Kontrolle. 5K HD sind fantastische Musiker. Und das ist auch schon das Einzige, das man ihnen vorwerfen kann. Andere Bands auf dem Festival haben noch mehr Zug zu Refrains, die alles überstrahlen, und mehr Zug zu Shows, die alle Songs erstrahlen lassen. Davon lassen sich 5K HD aber vorerst nicht irritieren.

5K HD (c) Clemens Fantur

„Super war’s“, sagte Manu Mayr, der 5K HD mit Bass und Songwriting wesentlich prägt. „Sowohl als wir zu Mittag im Stadtzentrum gespielt haben, sind einige stehen geblieben, um enthusiastisch zuzuhören, als auch am Festivalgelände, wo sich eine solide Menschenmenge gebildet hat.“ Ungefähr dreihundert Leute standen vor der sogenannten Night Pro Stage. Sie wurde näher ins Geschehen versetzt und befand sich beim zentralen Eingang, dadurch kamen alle BesucherInnen mindestens zweimal vorbei, die Atmosphäre war heimeliger und intimer als in den Vorjahren. Um elf Uhr spielten 5K HD bereits als Headliner der Bühne. „Ich wusste, dass Leute da waren, die uns schon kannten und extra gekommen sind, gleichzeitig habe ich viele neue Gesichter gesehen, die wir einfangen konnten“, so Manu Mayr. „Es geht oft darum, das Grundrauschen zu erhöhen. Direkte Resultate sind schwierig zu beurteilen”, antwortete er auf die Frage, was ein Auftritt am Primavera bringen könnte. Am Ende des Konzerts verbeugte sich die Band gleichzeitig, Arm in Arm, das Publikum zerstreute sich sehr schnell.

Primavera (c) Christian Bertrand

Erstmals seit Jahren gab es beim Primavera keine Vice-Bühne mehr, die Strahlkraft des erfolgreichsten Magazins für Millennials scheint auch auf der iberischen Halbinsel langsam zu verblassen. Dafür waren andere Konzerne vor Ort, die raren Wein- und Aperol-Bars waren überlaufen, Shuttles sorgten für kürzere Wegzeiten zwischen den Hauptbühnen und dem Bereich, in dem vor allem elektronische Musik performt wurde, und das Publikum war noch diverser und angenehmer. „Groundbreaking” nannte NME diese Ausgabe, FM4 sprach von einem „temporären Utopia“ und der Musikexpress schrieb: „[….] ganz nah am Nerv der Zeit“. Manu Mayr sieht das ganz ähnlich: „Mir ist erst aufgefallen, dass das Festival eine super Quote geliefert hat, als es mir gesagt wurde. Es hat nicht aufgesetzt oder bemüht gewirkt. Ein Festival so zu buchen ist eigentlich ganz leicht, das Primavera Sound 2019 hat das bewiesen.”

Stefan Niederwieser

Termine:
29. Juni 2019: Open Air Ottensheim
10. August 2019: Haldern Pop Festival
24. August 2019: Europäisches Forum Alpbach
5. September 2019: FAQ Festivals
29. Oktober 2019: Arena Wien

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