„Überall öffnen sich neue Pfade.“: ROIA im mica-Interview

Die internationale Musik der Salzburger Formation ROIA ist ein Geheimtipp der österreichischen Musikszene. Die geheimnisvolle Atmosphäre haben die Drei in all den Jahren ihrer Karriere nicht verloren, was auf der einen Seite an ihrer bedächtigen Arbeitsweise liegen mag. Auf der anderen halten sie die Nebelschwaden dicht um sich, in dem sie sich auch bei ihren aufwendigen Auftritten mysteriös in Szene setzen. Für das kommende Jahr steht ein neues Album in den Startlöchern. Mit Anne-Marie Darok sprachen die Salzburger und die Salzburgerin über eine symbiotische Zusammenarbeit, Innovationen und ihre Idole.

Wie fühlt es sich an, auf eine fast 15jährige Karriere zurückzublicken? Gibt es Dinge, die ihr sofort anders machen würdet oder seid ihr durch und durch zufrieden mit eurer Leistung?

ROIA: Wir arbeiten tatsächlich schon lange in dieser kreativen Konstellation zusammen, das ist ein Geschenk. Über die Jahre hinweg haben wir uns nicht nur musikalisch unglaublich gut kennengelernt, wir sind uns vielmehr auch menschlich entgegengewachsen. Wir haben unsere eigene Arbeitsweise gefunden, unseren eigenen Stil. Mittlerweile wissen wir, ganz ohne viele Worte, wo und wie wir uns musikalisch treffen. Dabei scheuen wir uns allerdings nicht vor Konfrontationen und scharfer Kritik. Natürlich gibt es in jeder Geschichte einige Passagen, die man im Nachhinein eventuell anders gestaltet hätte. Aber was würde man erfahren, wenn man alles vorher wüsste?

Auf eurer Homepage schreibt Walter Gröbchen, dass ihr die „unbekannteste Band Österreichs“ seid. Wie steht ihr zu dieser Aussage?

ROIA: Roia gibt es jetzt seit über zehn Jahren, wir haben zwei Alben veröffentlicht, einige Single-Auskoppelungen gemacht, sind auf einigen  Samplern vertreten, wurden auf FM4 gespielt, es gibt Videos und wir sind live unterwegs. Trotzdem könnte unsere Bekanntheit größer sein. Es liegt sicher an unserer Musik, die nicht ganz dem Mainstream entspricht. Und sicher auch daran, dass wir uns so lange für ein neues Album Zeit nehmen. Und wir sind nicht aus Wien – das darf man nicht unterschätzen.

Wie habt ihr euch als Band gefunden? Sind da drei Menschen zusammengekommen, die von Anfang an dieselbe Idee hatten, oder hat jeder seine eigene Persönlichkeit und Vision in das Projekt gesteckt?

ROIA: Wir sind drei vollkommen unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten. Was uns eint, ist der gemeinsame Wunsch, berührende Musik zu schaffen, die den Zuhörer nicht nur bedient, sondern ihm auch die Chance gibt, sich selbst in einen musikalischen Kosmos hineinzusetzen, sich wiederzufinden. Wir sind Realisten und schauen uns jedes Gefühl von allen Seiten an. Die Auseinandersetzung mit sich selbst und dem uns Umgebenden ist dabei konkreter Auseinandersetzungsmittelpunkt. Wer sich nicht gerne selbst in die Seele schaut und Angst vor Bekenntnissen hat, braucht vielleicht ein zwei Songs länger, um von Roias Welt Notiz zu nehmen.

„Was würde man erfahren, wenn man alles vorher wüsste?“

Wie arbeitet ihr als Band zusammen? Gibt es da eine strenge Rollenverteilung zwischen schreiben, singen und musizieren oder sind die Grenzen fließender?

ROIA: Nun, wir machen schon so lange miteinander Musik, dass es ganz automatisch zu einer gewissen Arbeitsteilung kommt. Man weiß über Stärken, Talente und Motivationen des anderen Bescheids. So entwickelt sich eine ganz eigene, kompromisslosere Arbeitsweise. Mit dem Austauschen dieser Rollen bleibt es immer spannend und wir begrenzen uns da bewusst nicht. Dogmatisches Arbeiten ist eher kontraproduktiv. Aber ja, natürlich hat jeder seinen Part gefunden, den er mit Hingabe erfüllt.

Traf es euch unerwartet, dass sich eure erste Single „Suicide Butterfly“  zu einem FM4-Hit entwickelt hat? Und wie wichtig kann eurer Meinung nach ein Radiosender wie FM4 für junge Indie-Bands sein?

ROIA: Ja, wir haben damit nicht gerechnet. Es war ein schöner Zufall. Ein Radiosender und ein Track auf Rotation sind absolut hilfreich. Gerade als sogenannte Nischenmusik-Band fehlt einem oft der Zugang zum Hörer. Wir wissen, dass viele Menschen von unserer Musik begeistert sind – dieses Feedback kriegen wir bei Live-Auftritten immer wieder direkt -, es ist aber keine leichte Sache, die Musik auch zu genau den begeisterungsfähigen Menschen zu bringen. Das Internet hat es leicht gemacht, Musik öffentlich zu machen, in einem Weltall aus Myriaden täglich frisch hochgeladener Songs dann aber auch gehört zu werden, ist jedoch umso schwieriger geworden.

Man kann in eurer Musik viele Anleihen an das Genre Trip Hop heraushören, das ja bekannt für seine melancholische, aber auch starke Atmosphäre ist. Ist dieses Genre eine Inspirationsquelle für euch oder nervt es, wenn ihr immer damit in Verbindung gebracht werdet?

ROIA: Viele unserer musikalischen Wegbegleiter und Alltime-Favourites, die uns als Referenz und Inspiration  dienen, sind und waren im Trip Hop verhaftet – natürlich kann man da etwaige Verbindungen und musikalische Parallelen nicht leugnen. Wozu auch? Ein Vergleich mit den eigenen Idolen ist wenig ärgerlich!

„Der Ehrgeiz, in allen diesen Bereichen besser zu werden, ist sicher stark ausgeprägt.“

Zwischen euren Alben liegen einige Jahre. Was passierte und passiert in dieser Zeit?

ROIA: Diese Zeit ist eigentlich die musikalisch intensivste. In unserem Salzburger Studio arbeiten wir an neuen Songs. Es ist ein weiter Weg von den ersten Ideen bis zum fertig produzierten Track. Viele dieser Stücke werden verworfen oder verändern sich sogar mehrmals während dieses Prozesses – sowohl musikalisch als auch textlich. Wir sind ja Komponisten, Texter, Arrangeure, Produzenten, Musiker, Promoter und Manager in Personalunion. Der Ehrgeiz, in allen diesen Bereichen besser zu werden, ist sicher stark ausgeprägt.

Ihr seid bekannt dafür, sehr viel Wert auf eure Live-Auftritte zu legen. Es ist immer wieder von Lichtshow und Visuals die Rede. Weswegen integriert ihr solche Elemente in eure Musik?

ROIA: Wir legen auf alles viel Wert, nicht nur auf die Live-Auftritte, auch auf Artwork und alles rundum. Es ist uns einfach wichtig, ein Gesamtbild zu kreieren und nicht nur in Single Downloads zu denken, wie das weitverbreitet Usus ist. Vielleicht kommen wir von der alten Schule? Vielleicht ist es uns auch einfach ein Bedürfnis, unsere bildstarke und emotionale Musik auf mehreren Ebenen wahrnehmbar zu machen, so vermitteln wir annähernd das, was in unseren drei Köpfen vorgeht, wenn wir die Songs schreiben. Wir unterhalten uns schon im frühen Entstehungsprozess der Songs über Stimmungsbilder oder starke visuelle Eindrücke, um einander zu vermitteln, was wir fühlen. Diese zusätzliche Ebene nehmen wir gerne mit auf die Bühne. Es ist eben eine zusätzliche Ausdrucksform.

Anderthalb Jahre für „Prototype of a Heart“ – „für Roia-Verhältnisse rasant schnell“

Seid ihr eher eine Live- oder Studio-Band?

ROIA: Bislang hatte Roia hier zwei Gesichter. Könnte gut sein, dass sich diese immer ähnlicher werden. Im Grunde ist Roia ein Studioprojekt und auch als solches identifizierbar. Je mehr wir allerdings live spielen und uns aus der autistisch-hermetischen Studiosituati-on heraus begeben, desto mehr vermischen sich diese Welten, musikalisch, wie auch einstellungstechnisch. Man nimmt Erfahrungen von der Bühne mit in den Studioalltag und auch die Instrumente und Menschen, mit denen wir live spielen, werden Teil der Albumaufnahmen. Überall öffnen sich neue Pfade. Es ist eine Tendenz spürbar, wir lassen uns aber auch da immer wieder gerne von uns selbst überraschen.

Das neue Album steht schon in den Startlöchern. Welche Wege habt ihr diesmal eingeschlagen?

ROIA: Es ist immer schwer, nach einem langen, intensiven Prozess des Komponierens, Arrangierens und Produzierens das neue Werk selber einzuschätzen. Wir haben die neuen Songs für das kommende Album „Prototype of a Heart“ für Roia-Verhältnisse rasant schnell fertig gestellt – in anderthalb Jahren. Das hat sicher für mehr Klarheit in den Arrangements und den Formen gesorgt und auch die Texte gestrafft. Unsere beiden musikalischen Pole, nämlich das nordisch Weite, Verspielte einerseits und das elektronisch Klare, teilweise Harte andererseits sind deutlicher hörbar.

Anne-Marie Darok

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