Eben haben VIENNA REST IN PEACE ihr zweites Album veröffentlicht. Im Gespräch mit Jürgen Plank erzählt die Band, was es ist mit dem Titel „Album für die Jugend“ auf sich hat – schließlich gibt es bereits eine gleichnamige Sammlung von Klavierstücken von Robert Schumann. Die tröstende Wirkung von trauriger Musik haben wir im Gespräch ebenso thematisiert wie Querverweise zu Bands wie ELEMENT OF CRIME und NICK CAVE & THE BAD SEEDS, deren „The Weeping Song“ VIENNA REST IN PEACE ins Deutsche übertragen und gecovert haben.
Der Bandname Vienna Rest in Peace verweist in Richtung Tod, was ist die Idee dahinter?
Wolfgang Wiesbauer: Wenn man ein bisschen weiter ausholt, kann man sagen, dass ein Großteil des Personals von Vienna Rest in Peace die Band Aber das Leben lebt war. Schon damals wurden nicht die fröhlichsten Lieder gemacht, beeinflusst von Leonard Cohen bis Nick Cave und ähnlichen Sachen. Irgendwann haben wir beschlossen etwas anderes zu machen, mit deutschen Texten, aber wir haben es nicht geschafft eine andere Grundstimmung zu bekommen. Wir sind wieder in diesem Fahrwasser gelandet und der erste gemeinsame Song hat Vienna Rest in Peace geheißen und so haben wir beschlossen, dass auch die Band so heißt.
Inwiefern deutet der Name auch die Musik an?
Wolfgang Wiesbauer: Das ist ein bisschen plakativ, aber andererseits kann sich schon jeder etwas darunter vorstellen und man ist nicht überrascht, dass die Lieder eher langsam und melancholisch sind. Der Name ist ein wenig sperrig und das trifft dann auch auf die Musik zu. Es ist eben keine zugängliche, Austropop-hafte Musik, sondern es ist schon eine Art Grundsperrigkeit drinnen und das hat der Name eigentlich auch.
Aber das Leben lebt ist auch ein Satz über den Tod.
Wolfgang Wiesbauer: Genau. Wie unser großer Freund Fritz Ostermayer immer sagt, bedeutet der Name eigentlich ‘trotzdem’. Alles, was man im Leben so macht, macht man sozusagen gegen die Widrigkeiten, die diese Existenz mit sich bringt.
Kommen wir zu eurer jüngsten Veröffentlichung „Album für die Jugend“. Der Titel ist von Robert Schumanns gleichnamigem Werk entlehnt. Was bedeutet sein „Album für die Jugend“ für euch?
Wolfgang Wiesbauer: Schumanns „Album für die Jugend“ ist für mich tatsächlich Teil meiner Autobiographie. Ich komme ja aus einer kleinbürgerlichen Familie, in der man es noch für sinnvoll erachtet hat, dass Kinder das Klavierspiel erlernen. Und Schumanns „Album für die Jugend“ beinhaltet eher leichtere Klavierstücke, die man zum Lernen nutzen kann. In meiner Pubertät hat mich das begleitet, einerseits mit Zwang, andererseits hat mich in den 1990er Album auch Grunge begleitet und diese No Future-Geschichte. Da passt Schumann auch gut hinein, der hatte ziemliche Probleme mit seiner Existenz und die Musik ist auch himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Er hat auch viele Gedichte von Heinrich Heine vertont, Liebesgedichte. Andererseits auch wieder depressive Texte. Das hat mich in meiner Jugend begleitet und lustig dabei ist, dass heute ein Album eine LP ist und früher war das ein Notenheft.
Hast du Schumanns „Album für die Jugend“ auch geübt, gehasst und geliebt, wie es im Text bei euch heißt?
Wolfgang Wiesbauer: Ja, es war eine Hassliebe. Wenn man im Alter von 15 oder 16 Jahren das Gefühl hat, dass einen die ganze Welt schlecht behandelt, kann man sich schon in romantische Klavierstücke flüchten. Ich habe das als Ventil für den Weltschmerz der Pubertät entdeckt.
„Wir spielen immer ein wenig mit der Schwermut“
Im Pressetext steht, dass ihr mit eurer Platte auch Trost in apokalyptischen Zeiten spendet. Wie ist denn das gemeint?
Marilies Jagsch: Wir spielen immer ein wenig mit der Schwermut. Zu den apokalyptischen Zeiten muss ich nicht viel sagen. Es stellt sich die Frage: Wie geht man mit den Dingen um, die auf der Welt passieren? Gibt es einen richtigen Weg, sich damit auseinanderzusetzen? Ist es in Ordnung, von persönlichen Dingen zu erzählen oder muss man sich dem großen Ganzen stellen? Wir versuchen, den Themen mit Humor zu begegnen, das ist nicht immer ganz einfach. Auf einer Meta-Ebene, auf der trotzdem immer mitschwingt, dass uns bewusst ist, was alles schiefgeht. In alldem ein Gefühl wie Trost zu finden und zu vermitteln, ist eine Herausforderung, der wir uns gerne stellen.
Wolfgang Wiesbauer: Paradox ist ja: traurige Musik macht nicht zwingend traurig. Sie kann auch das Gegenteil bewirken und im besten Fall eine Resonanz auslösen, sodass man sich aufgehoben fühlt. Man hört sich ja nicht traurige Musik an, damit sie einen traurig macht, sondern man will in einen Status versetzt werden, der einen auch tröstet. Die Krisen, die die heutige Jugend erlebt, und die über allem stehende Klimakrise, sind schon ziemlich heftig, im Vergleich zu meiner Jugendzeit.
Das Lied „Die Polierten“ kann man als Protestlied hören: „Fall nicht auf die Polierten rein“, heißt es im Text.
Wolfgang Wiesbauer: Es ist ein Protestlied, aber – wie soll ich sagen – ich habe immer ein Problem mit Protestliedern, mit denen man auf jemanden Bestimmten zeigt. Derjenige ist dann der Böse und das Lied hören nur die, die ohnehin derselben Meinung sind. Die Polierten sind alle, die sich mit dem spätkapitalistischen System abfinden und arrangieren, ohne es zu hinterfragen. Das sind nicht nur die bösen Politiker:innen, sondern es sind auch ganz normale Menschen, die man kennt und die versuchen, das Beste daraus zu machen. Das Setup lenkt einen immer in eine bestimmte Richtung: man soll immer alles für seine Karriere machen und man wird mehr oder weniger dazu erzogen, dann etwas zu machen, wenn es einem etwas bringt. Die Polierten sind alle, die da mitmachen, durchaus in der Hoffnung, dass sie dann ein ordentliches Leben führen. Das ist aus meiner Sicht meist ein Trugschluss.
In Artikeln über euch werden immer wieder Bezüge zu Element Of Crime hergestellt. Was sagt ihr dazu?
Wolfgang Wiesbauer: Ja, Element Of Crime hat insofern gewisse Ähnlichkeiten, weil die auch sehr melancholische Songs haben. Ich mochte sie immer schon, weil sie aber auch ein bisschen Humor und eine doppelte Ebene in die Texte einbauen. Das hat bei ihnen mehr diese berlinerische Schlagseite, die bei uns nicht da ist, und sie haben immer diese Unaufgeregtheit im Vortrag. Das gefällt mir sehr gut und das würde ich für uns auch gerne in Anspruch nehmen. Ich mag es nicht, wenn jemand expressiv und übertrieben über den Tod singt, das sollte man eher ruhig und gechillt machen.
Ihr covert „The Weeping Song“ von Nick Cave & The Bad Seeds. In eurer Übertragung ins Deutsche heißt das Stück „Das Weinelied“, was ist das Besondere an diesem Stück für euch?
Marilies Jagsch: Das Lied passt natürlich zu unserem Konzept als Band perfekt dazu. Der Text – und das Lied grundsätzlich – ist eine gute Ergänzung zu unseren anderen Songs. Es ist live auch immer gut, so einen Hit im Repertoire zu haben.
Wolfgang Wiesbauer: Wir spielen live gerne ein oder zwei eingedeutschte Melancholie-Hits. Natürlich sind Lieder von Nick Cave oder Leonard Cohen dabei, das sind die großen Titanen des melancholischen Songwritings.
„Eine ganze Platte mit übertragenen Liedern zu machen, wäre mir zu wenig“
Was ist der Reiz daran, ein Lied in eine andere Sprache zu übertragen? Und das Werk dadurch zu bearbeiten.
Marilies Jagsch: Spannend ist daran, dass daraus dann immer ein neues Lied wird. Wenn Wolfgang die Texte übersetzt, dann macht er sich jedes Lied bis zu einem gewissen Grad auch zu eigen und dadurch passt es wiederum besser in unser Programm. Das ist eine andere Ebene von Covern. Eine Übersetzung ist ja auch ein künstlerischer Akt.
Wolfgang Wiesbauer: Wir haben bei unserem letzten Konzert „Where the wild roses grow“ übertragen und bei uns ist die Frau die Mörderin und der Mann das Opfer. Grundsätzlich schreibe ich lieber eigene Lieder. Eine ganze Platte mit übertragenen Liedern zu machen, wäre mir zu wenig. Aber für ein Konzert ist es ganz nett, eine oder zwei Markierungen zu setzen und zu sagen, dass das sozusagen die Vorbilder sind. Man überträgt ja nicht nur in die deutsche Sprache, man überträgt das Arrangement und das Lied auch in seine musikalische Sprache. Die Leute, die das Original kennen, hören dann die Unterschiede. Wenn man ein Lied covert, erkennt man daran die Eigenheiten einer Band, die das Lied einfach anders spielt.
Was ist für dich das Besondere an Vienna Rest in Peace im Vergleich zu anderen Band-Konstellationen, die du kennst?
Marilies Jagsch: Für mich stechen Wolfgangs Texte heraus, die jedes Lied tragen und ihm eine ganz besondere Poesie verleihen. Rund um diese Texte bauen wir dann gemeinsam eine kleine musikalische Welt, aber ohne das Gerüst der Worte könnte diese Welt nicht existieren.
Bitte greife ein Lied der neuen Platte heraus, das für dich eine besondere Bedeutung hat.
Marilies Jagsch: Mein Lieblingslied ist „Mit schlafenden Hunden“. Bei diesem Song war ziemlich schnell klar, dass es die Schlussnummer wird, und es war spannend, wie sich das Lied im Proberaum weiterentwickelt hat. Beim Arrangement war es eine Herausforderung, dieses lange Lied auf eine besondere Weise zu steigern und ich finde, das haben wir ganz gut hingekriegt.
Wolfgang Wiesbauer: Dem kann ich mich nur anschließen. Manche Lieder verändern sich auch in der Wahrnehmung. Vor allem wenn wir es live spielen, finde ich das Lied „oh ja“ cool, mit dieser gefälschten Wirtshausstimmung. Da geht es schon um die Bejahung des Lebens, mit all seinen Schwierigkeiten und Problemen. Für mich ist es ein Corona-Lockdown-Lied, obwohl es schon längst fertig war, als Corona angefangen hat. Es ist auch manchmal lustig, wie Lieder manchmal zu Situationen passen, für die sie ursprünglich nicht geschrieben worden sind. Dieses volksliedartige bei diesem Lied funktioniert auch live sehr gut.
Herzlichen Dank für das Interview.
Jürgen Plank
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