Taschenopernfestival 2011: "Der Engel des Herrn"

Schon zum bereits vierten Mal findet heuer in Salzburg zur Festspielzeit das etwas anderes geartete “Taschenopernfestival” statt. Initiiert wurde diese “Auseinandersetzung mit der Kunstform Oper – einer Gattung also, die immer wieder für ‘unzeitgemäß’ erklärt wurde, und sich dennoch stets neu behauptet” vom 2004 als Kollektiv von jungen, internationalen KomponistInnen, AutorInnen und RegisseurInnen in Salzburg gegründeten “Klang21 – Verein zur Förderung von zeitgenössischer Musik und darstellender Kunst”. Klang21 versteht sich dabei “als Labor für neues Musiktheater, Begegnungsplattform und Ermöglicher von neuen Zusammenarbeiten im musikalisch-theatralen Raum” und untersucht “in wechselnden Konstellationen gemeinsam die Bedingungen und Möglichkeiten für Musiktheater der Gegenwart”. Bisher kann auf über 20 Musiktheaterproduktionen (alles Uraufführungen) sowie auf Zusammenarbeiten mit BühnenkünstlerInnen wie Nicola Gründler (Schaubühne Berlin/Schauspiel Frankfurt), Ernst M. Binder (dramagraz), Thierry Bruehl (Uni Mozarteum Salzburg, Biennale di Venezia) oder Hans-Peter Jahn (SWR, Eclat Festival Stuttgart) zurückgeblickt werden. Heuer wird das Klang21-Kollektiv u.a. um junge KünstlerInnen, wie etwa Constanze Passin und Maximilan Pfnür (Schauspielhaus Salzburg), das dreizehnjährige Ausnahmetalent Milena Schedle sowie die KomponistInnen Brigitta Muntendorf, Lisa Valerie Streich, Michael Beil und Silvia Rosani erweitert.

Seit August 2005 findet das Taschenopernfestival Salzburg im biennalen Rhythmus statt, wobei bisher durchwegs Uraufführungen exklusiv für das jeweilige Festivalthema entwickelt wurden. Spezielles Augenmerk wird dabei auf den Werkstattcharakter der einzelnen Produktionen gelegt. So versteht sich das “Taschenopernfestival” auch und vor allem als “ein Raum für Experimente, für den Austausch zwischen Komponistengenerationen und den unmittelbaren Kontakt zwischen jungen Sängerinnen und Sängern mit den Autoren Neuer Musik”. Auch stellen die mannigfaltigen Diskurse rund um das produzierende Schaffen im Bereich des Musiktheaters einen wesentlichen Aspekt der Taschenopern dar.

Vorrangig geht es dabei um einen direkten Kontakt des Publikums sowohl mit den Opern als work in progress wie mit verschiedenen künstlerischen Positionen, die an jeweils einem Abend zur Diskussion gestellt werden. So soll nicht zuletzt auch die Oper durch “individuelle Handschriften, mit jeweils eigenem Bezug zum Hier und Jetzt, neu erfahrbar” werden.

Auch thematisch wird ein grosser Bogen gespannt. Ging es beim ersten Festival 2005 um das lose gefasste Thema “„Begegnung“, so wurden 2007 ausgehend vom Begriff der “Angst” bei Edgar Allan Poe die Grenzen zwischen Sprache und Gesang ausgelotet.  Das Missbrauchsdrama von Amstetten sowie Episoden aus Ovids “Metamorphosen” bildete dann 2009 den Ausgangspunkt zur Frage “Wie viel Realität braucht und verträgt das Musiktheater?”, wobei Heiner Müller folgend der Versuch unternommen wurde “die Wirklichkeit mit mythologischer Genauigkeit“ zu beschreiben. Neben den “Taschenopern” initiierte Klang21 seit 2004 jedoch auch zwei Kammeropern unter dem Titel “Elegien der Verwandlung” (im April 2008) sowie eine Reihe weiterer Musiktheaterprojekten.

Heuer bilden nun “zwölf Minuten, ein Blitz und der Satz ‘Angelus Domini nuntiavit Mariae – Der Engel des Herrn verkündete Maria’ den Ausgangspunkt für sieben spezielle Uraufführungen. Die Spieldauer beträgt jeweils exakt zwölf Minuten, genau zur Mitte schlägt in jedem Stück der Blitz ein”.

Wie dieser Beginn des Angelusgebets (“Der Engel des Herrn verkündete Maria”) nun heute interpretiert werden kann, wird in Folge das Thema für sieben Musiktheaterproduktionen sein. Dabei wird es neben dem Thema Zeit (“Was sind denn zwölf Minuten, die durch eine elektronisch getrimmte Sanduhr laufen? Gefühlt, komponiert, gespielt, gehört, gesehen?”) natürlich auch um Glauben und Zweifel (was ist das “unbefleckte” an dieser “Empfängnis”) sowie möglicherweise auch um Außerirdische(s) gehen.

Auch diesmal fungieren wieder Klang21 und die ARGEkultur als AuftraggeberInnen für zeitgenössisches Musiktheater. Das oesterreichische ensemble für neue musik oenm ist bereits zum zweiten Mal hochkarätiger musikalischer Partner des Festivals. Dieser interdisziplinäre Ansatz setzt sich auch in und bei der regen Zusammenarbeit zwischen KomponistInnen und KomponistInnen, AutorInnen und RegisseurInnen aus ganz Europa fort. Vergeben wurden die Kompositionsaufträge für die Taschenopern 2011 dabei u.a. an Brigitta Muntendorf, geboren 1982 in Hamburg, 2009 mit dem ZONTA-Musikpreis, sowie mit dem Bernd-Alois-Zimmermann-Stipendium der Stadt Köln ausgezeichnet, an Silvia Rosani, Preisträgerin des Kompositionswettbewerbs im Rahmen des TOF 2009 und an Lisa Streich, geboren 1985, u.a. Finalistin des International Music Prize for Excellence in Composition, Greece, Thessaloniki 2009.

Auf alle Fälle bietet das “Taschenopernfestival” auch 2011 wieder anregende Reisen in Klangwelten, die aufzeigen, was Oper als Musiktheater für die Gegenwart bedeuten kann.

Taschenopernfestival 2011 – „Der Engel des Herrn“
Sieben Musiktheater-Uraufführungen zur Festspielzeit in Salzburg

Klang21 in Koproduktion mit der ARGEkultur Salzburg und in Zusammenarbeit mit dem oenm . oesterreichisches ensemble für neue musik unter Leitung von Juan García Rodríguez

Taschenopernfestival-Produktionen 2011

1. Michael Beil (D) /Thierry Bruehl (D/F): ” Wie jetzt?” ( UA)
2. Lisa Streich (SE) / Thierry Bruehl (D/F): “…mit brennendem Öle” (UA)
3. Hans-Peter Jahn (D): “KENNWORT: m?e?s?s?i?a?s” (UA)
4. Brigitta Muntendorf (D) / Thierry Bruehl (D/F): “Wer zum Teufel ist Gerty” (UA)
5. Reinhold Schinwald (A) / Sophie Reyer (A) / Ernst M. Binder (A): “fremd körper” (UA)
6. Silvia Rosani (I) / Reinhold Lay (D): “Versteinerte Flügel” (UA)
7. Hüseyin Evirgen (TR/D) / Thierry Bruehl (D/F): “Look at the Moon!”

Termine:
Premiere: Mit, 20.07. 20:00 Uhr

Weitere Aufführungen:
Fre 22.07., Don 28.07., Don 04.08., Fre 05.08., jeweils 20.00 Uhr
Son, 24.07. 17.30 Uhr – Im Rahmen des Festes zur Festspieleröffnung

Weitere Programmpunkte:
Mit 20.07. 19.00 Uhr – Komponistinnen-Gespräch „Oper, die“ (ARGEkultur)
Don 21.07. 19.00 Uhr – Ateliergespräch „Blitzgeschichten“, in Kooperation mit der Universität Salzburg, KunstQuartier, Bergstr. 12
Fre, 22.07. 19.00 Uhr – Lesung mit Sophie Reyer und Ernst M. Binder (ARGEkultur)

Foto 2: Sabine Bruckner