Unter dem Titel “20 Digital Years plus 1988 – 2010” (Verlag für Moderne Kunst Nürnberg) ist gerade ein dickes Buch inklusive CD und DVD als Werkschau der mannigfaltigen Tätigkeiten des audiovisuellen Cyberart-Unternehmens Station Rose erschienen. Bestehend aus Gary Danner (Sound/Musik) und Elisa Rose (Visuals) gehört das ursprünglich in Wien 1988 gegründete und seit den 1990er Jahren im Frankfurt am Main lebende und arbeitende Duo zu den weltweit anerkanntesten Pionieren und Innovatoren digitaler Kunstformen zwischen Musik, Videokunst und Performance. Im mica-Interview unterhalten sich Gary Danner und Elisa Rose mit Didi Neidhart jedoch auch über vergangene Popstarphasen (The Vogue!), Psychedelic sowie die Zusammenhänge zwischen Pop, Avantgarde und Glamour.
Wie kam es zur Gründung der Pop-Band The Vogue, die 1981 mit “The Frozen Seas Of Io” sogar Platz zwei der österreichischen Charts belegte.
Gary Danner: Eigentlich wollte ich mit Kurt Holzinger (Sänger von Willi Warma, Anm.), der 1979 auch in Wien war, eine Band gründen. Eines Tages rief er mich an und sagte: “Ich habe einen komischen und witzigen Typen kennen gelernt, der will in unsere Band einsteigen und kann Schlagzeug spielen!” Das war dann Ronnie Urini. Wir beide fanden die The Clash und die Sex Pistols super, aber die Größten waren dennoch The Who mit „My Generation“. Kurt ging dann zurück nach Linz und Ronnie und ich blieben in Treue verbunden. In den Anfangszeiten von The Vogue spielte Robert Räudig von Chuzpe Bass, dann kam Erich „Frisbee“ Schindl von der Zytacorean Tirtum Gang mit seinen 5000 obskuren Westcoast-Platten zu uns. Später wurde durch Chris Mayer (später u.a. Ronnie Urini und die letzten Poeten) ersetzt.
Ihr hattet auch einen Proberaum im legendären Wiener Szeneclub U4.
GD: Das waren dann aber schon die Die Nervösen Vögel. The Vogue haben im U4 nur öfters gespielt. Aber das war toll. Einmal kam sogar Thurston Moore (Sonic Youth) nach einem Gig in unseren Probekeller und wir quatschten stundenlang über dies und das und natürlich auch über Musik.
Elisa Rose: Wir haben 1983 noch vor Station Rose das U4-Fashion-Movement mit unserer ersten Show „”Kreuze, Blumen, Drachen” gestartet. Zu dem Zeitpunkt war ich sogar noch Studentin in der Klasse von Karl Lagerfeld.
Wie sehr haben The Vogue deinen späteren Werdegang beeinflusst?
GD: Es beendete mein Unternehmung die 1960er zu verstehen und nach zu stellen. Ich kann sogar genau den Moment benennen: Es war als wir in der Wiener Stadthalle “Frozen Seas of Io” spielten und 10.000 Leute dazu ihre entzündeten Feuerzeuge schwenkten. Nur sah ich absolut keine Zukunft darin ein österreichischer Popstar zu werden. Ich war damals eher wieder an Konzepten interessiert, als an einer Nachfolgesingle zu “Frozen Seas of Io”. Also habe ich mich auf der Akademie für Angewandte Kunst eingeschrieben. Ich habe Kunst jedoch nie in Erwartung ein Künstler zu werden studiert, sondern um meine akustischen Sinne zu schärfen.
Der Bandname war ja schon sehr stylisch.
GD: Der Name stammt von Elisa Rose, die als Lagerfeld-Schülerin auf der Angewandten studierte und dort eine modische Lieblingszeitschrift hatte. Ich brauchte nur ein “The” davor setzen und fertig waren “The Vogue”. Uns war auch das Styling sehr wichtig. Wir begriffen uns ja (im Gegensatz zu The Jam) nicht bloß als Mods, sondern bezeichneten unsere Musik als “Psychedelic Beat”. ässig waren unsere Vorbilder die Small Faces,The Byrds oder The Creation 1966/67. Also nur ja keine zu langen Haare ! Auch die Wahl der Gitarren war extrem wichtig, um sich von den Bluesrockern der 70er abzugrenzen. Das bedeutete keine Fender Stratocaster, keine Gibson Les Paul! Also spielte Frisbee eine Fender Telecaster und ich eine Rickenbacker 330. würde übrigens die Musik von Station Rose auch immer noch als „psychedelische Beats” bezeichnen. Unsere erste LP auf Cassette 1980/81 war ja nicht umsonst “The Madcap” – also Syd Barrett gewidmet.
War das eine Retro- oder eine Revival-Sache?
Werder noch! stehender Spruch Ende der 1970er war: “In Wien kommt immer alles erst 10 Jahre verspätet an”. Also nannten wir 1969 als Gründungsjahr von The Vogue und begriffen uns nicht als eine der ersten Neo-Psychedelic Bands, sondern als die letzte “echte” Band aus den Sixties.
Waren The Vogue und später Die Nervösen Vögel so gesehen konzeptuelle Intellektuellen-Bands?
GD: Bei The Vogue ging es um Pop. Die Nervösen Vögel spielten damit. Und mit Krautrock, der jetzt ja auch wieder bei Station Rose thematisiert wird. Ob unserer Beschäftigung mit „Minimal“ wurden wir in damaligen Presseartikeln auch immer wieder mit Cluster und Faust verglichen.
War Punk dabei ein Initialzünder?
GD: Durch Punk sahen wir eher eine Riese-Chance, uns die Stunden zu sparen, die wir gebraucht hätten, um uns die Finger beim Üben von Claptonriffs wund zu nudeln. Punk brach das das Diktat des Blues. Dazu kam der Ausverkauf der Sixties als Massenware für uns Teenager: Led Zeppelin als leichtere Yardbirds, Emerson, Lake & Palmer als leichtere The Nice, die Faces als leichtere Small Faces, David Bowie als Super-Vermarkter von Swinging London. Lange Haare bedeuteten auch nichts mehr und sahen an den meisten Männern sowieso einfach beschissen aus. Im Vergleich zu 1966 war es schlicht einfacher und problemloser “hippiemässig” daher zu kommen. Es war schlicht Mainstream geworden.
Aber Psychedelic spielt bei Station Rose immer noch eine Rolle.
GD: Ich bin mit 14 Jahren darauf gekommen, dass das Wort “Psychedelic” immer mit der Musik verknüpft war, die mir am meisten gefallen hat. Das war 1974. Zu diesem Zeitpunkt war der Zenit zwar schon überschritten, aber man spürte immer noch leichte Nachbeben. Ich verband mit dem Begriff eine intelligente Verknüpfung von Harmonie und Aggression. Die Sixties haben nie darin versagt mich zu begeistern, zu amüsieren, zu überraschen und zu faszinieren. Ich weiß selber nicht, was es ist. Vielleicht einfach die Luft in den Studios, zwischen den Klangquellen und den Mikrophonen. Zwischen 1965 und 1968 hat Musik einfach supergut geklungen. Dieser Sound ist unerreicht.
Psychedelic ist ja auch gekennzeichnet von Klangmodulationen. Ist das mit ein Grund, warum dieses Thema immer noch aktuell ist?
GD: Ja klar. Instrumente, die den Klang modulieren, waren in allen Phasen von Psychedelic vorhanden: Vom Moog-Synthesizer über die Wah-Wah-Pedale bis hin zur TR-303 von Roland, die ja als „Acid-Maschine“ bekannt wurde. Um 1966/67 wurden in der psychedelischen Popmusik zudem Ideen der musique concrete verwendet. Ich fand es immer großartig, wenn Popmusik avantgardistische Klänge und Geräusche in die Hitparade schmuggelte.
Psychedelic und Fluxus standen sich ja auch teilweise sehr nahe. Der frühere Kunststudent Pete Townshend übernahm ja auch Gustav Metzgers Idee der „Auto-Destructive-Art“ und experimentierte daraufhin mit Feedbacks und den Geräuschen, die Gitarren und Verstärker von sich geben, wenn sie zerstört werden. Könnte man die Arbeit von Station Rose auch als Avantgarde goes Pop goes Avantgarde bezeichnen?
GD: Ja. Obwohl mir die Grenze zwischen Avantgarde und Pop immer eine verschwommene war. Aber in den 1980ern gab es noch Vorbehalte, da war man dann schnell für die Musikszene zu sehr “Avantgarde” und für die Kunstszene zu sehr “Pop”. Das ist heute, wo jeder Kunsthochschüler und Künstler in drei Bands spielt und fünf mal pro Woche Platten auflegt, unvorstellbar.
Andererseits gibt es beinahe gerade Linien von der Psychedelic zum Silikon Valley, von den Light Shows zu den Fraktalen (wo sich ja auch jemand daran erinnet hat, solche Muster schon mal in psychedelischen Kontexten gesehen zu haben), von LSD zum Cyberspace (etwa bei Timothy Leary). Wie seht ihr euch in diesem Feld? Gibt es bei euch einen spezifischen Zugang zu “Psychedelic”?
GD: Ende der 1980er die “Cyberpunk”-Bewegung los ging tauchten durch die Entwicklungen in Kalifornien plötzlich wieder Leute wie Timothy Leary wieder auf. Andererseits ist das Genre “Psychedelic” immer noch sehr umstritten. Als Ende der 1990er die Goa/Trance-Bewegung stark wurde und einige schlaue Musikkritiker und -kenner auch uns dazurechnen wollten, hatten wir uns schon lange davon distanziert. Für uns war Goa/Trance einfach schwache Musik zu eintönigen Visuals. Psychedelic in der Musik basiert auf Gegensätzen, die ineinander verfliessen und/oder dialektisch kommunizieren. Es geht um Stilbrüche innerhalb einer LP/CD oder innerhalb eines Stückes. Jüngstes Beispiel Dubstep: erschütternde Bässe und zwingende Kickdrums, mit weiten, entrückten Klangflächen.
Was reizt dich so an Dub-Step?
Dubstep hat seit ca. 2004 endlich die verkrustete Clicks´n´Cuts-Bewegung als interessanteste Erscheinung innerhalb Dance und Electronica abgelöst. Die war, nachdem jahrelang zerbröselnde filigrane Soundstrukturen durch eine langweilige 4-to-the-floor Kickdrum zusammengehalten werden mussten, nämlich ziemlich morsch geworden.Bei Dubstep stimmt der Rhythmus wieder zum Überbau, bzw. der Bass ist so stark, dass er streckenweise nur mehr als Fläche erkennbar ist und somit selbst zu einer “Sphäre” wird.
Wie kam Techno ins Spiel?
GD: Als Acid-House 1988 losbrach und dadurch auch Techno ein Thema wurde, änderte das für mich alles. Ich hatte keine Lust mehr ein Sänger und Gitarrist in einer Rockband sein, sondern wollte das Studio auf die Bühne bringen und mit Computern und Samplern live performen. Aber schon nach dem Ende von The Vogue wurde elektronische Musik für mich immer wichtiger. Zuerst habe ich noch Tonbänder in musique concrete-Art zerschnitten, aber 1986 kam dann ein Sampler dazu und 1989 haben wir mit unseren Gunafa-Clubbings begonnen. Das waren die ersten “Clubculture-Techno”-Events in Österreich. Die Frische des Techno-Undergrounds war faszinierend. In Wien verstanden wir als Underground ein paar Studenten, die sich für einen solchen hielten. In Frankfurt konnten wir später endlich das realisieren, was wir in Wien angedacht hatten.
Station Rose kann auch als Forschungsstation betrachtet werden, wo die jeweiligen Aktionen, Performances und Veröffentlichungen als Art Forschungsberichte zu einzelnen Phasen gelesen werden können. Welche unterschiedlichen Phasen waren dabei wichtig?
Gary Danner: Zu Beginn war unsere Kunst technologiebedingt sowohl analog und digital. Das war die Wiener Phase 1988-1990. Dann kam 1988/1989 die immens wichtige Cairo-Phase. Unsere Kunst hat sich dann immer mehr, bis zur Ausschließlichkeit ins rein Digitale entwickelt und für die Zukunft interessiert (“Digital Cocooning”/”Digitale Boheme” 1995, “Digital Communities” ab 1996, Webcasting ab 1999). Seit ca. 2006 besinnt sich unsere Kunst (wieder) auf das Jetzt und das Materielle (Gitarre, Stoffobjekte, Installationen), ohne jedoch das Digitale auch nur eine Sekunde lang aus den Augen zu lassen. Wir sind schnell von etwas gelangweilt, wenn es Mainstream wird. Das war 1994 bei Techno so, 1999 beim Internet und betrifft aktuell das Web2.0.
Trotz Sampler, Computer und Cyberspace ist die Gitarre jedoch all die Jahre nie wirklich verschwunden.
GD: Die Gitarre ist das Instrument, mit dem am Schnellsten und Zuverlässigsten ein guter Sound erzeugt werden kann, und mit dem sehr verlässlich komponiert werden kann. Ich habe ja Mitte der 1980er auch bei Minus Delta T und später auf auf dem letzten offiziellen Album von Der Plan (“Die Peitsche des Lebens”, 1990) Gitarre gespielt. Man darf nie vergessen, dass Computer eigentlich nie wirklich funktionieren. Für eine Komposition am Rechner muss man sehr viel Zeit und Geduld voraussetzen. Jedoch ist eine Gitarre, etwa im Vergleich zum Sequencer, eingeschränkt in den Ausdrucksmöglichkeiten. Ein weiterer Nachteil ist die Tatsache, dass man relativ schnell, bedingt durch den “sinnlichen” Körpereinsatz beim Spielen, ein allgemeines Wohlgefühl erreicht, was der Kreation eines profunden künstlerischen Statements nicht unbedingt förderlich sein muss.
Wie wichtig sind euch die Wechselbeziehungen zwischen dem Akustischen und dem Visuellen?
GD: Das ist ein Kern unserer Arbeit! Schon bevor ich mit Elisa zusammengearbeitet habe, war diese Kombination war für mich enorm wichtig. Ende der 1970er fabrizierte ich aus Normal-8-Filmen Endlosloops und spielte dazu. The Vogue hatten sogar bei manchen Gigs einen vom Linzer Filmemacher Dietmar Brehm gemachten Film laufen. Ende der 1980er spürten Elisa und ich dann regelrecht das Kommen des Cyberspace inklusive all seiner Implikationen. Underground-Music allein war kein tragfähiges Konzept mehr.
ER: Diese zwei Atmosphären – das Akustische und das Visuelle – kreieren ein gemeinsames Drittes. Dieses „dritte Feld“ entsteht erst im Zusammenspiel.
GD: Am ehesten kannst du das mit den den abstrakten, an der Op-Art orientierten Lightshows der Acid-Tests um 1965/66 vergleichen. Aber diese Lightshows wurden nicht synchron zur Musik gemacht. Sie entsprechen also eher der VJ-Kultur, mit der wir nicht viel am Hut haben. Psychedelic sollte immer eine audiovisuelle Einheit sein. Am meisten beeinflusst haben uns daher eher die psychedelischen Sequenzen Hollywoods, wie in “2001-Odysee im Weltraum”, in “The Trip”, “Psych Out”, oder auch die Vorspänne zu Hitchcock-Filmen wie „Vertigo“ von Saul Bass.
ER: Lightshows sind frühe “Projektions-Kunst”. Und das ist definitv ein wichtiger Strang für uns. Projektionskunst – plus Sound – mitsamt seinem hellen und/oder dunklen Licht. Jetzt, mit Computern kann ich da natürlich supergenau agieren.
GD: Ein gelungenes AV-Konzert ist immer intensiver als ein reines Konzert. Wir versuchen, die verbale Denkebene auszuschalten und rein mit audiovisuellen Patterns und Loops zu arbeiten. Das vielleicht konsequenteste Projekt in dieser Richtung war unsere “Public Brain Session”, die wir von 1990 bis ca. 1996 performten. Da spielten wir mit 300 bpm gesyncte AV-Patterns – auch auf Raves. Meist 30 Minuten lang. Das brachte uns zwar in die “London Sunday Times”, wir mussten aber aufhören, da die Leute durchdrehten.
Vielen Dank für das Gespräch.
Nächste Termine:
Die, 12.10.2010: Präsentation und Medieninstallation, MAK/Wien
Mit, 13.10.2010: Live Präsentation & DJ-Set (Salon skug) fluc/Wien)
Don, 21.10. 2010: Präsentation und Diskussion mit Didi Neidhart, Lentos/Linz
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