Statements zur Corona-Krise – Wie geht es der heimischen Musikszene? (Teil 1)

Seit 16.März dürfen aufgrund der Corona-Krise in Österreich keine Veranstaltungen mehr stattfinden. Die heimische Kulturszene befindet sich im Ausnahmezustand. mica – music austria hat nachgefragt, wie Musiker*innen und Veranstalter*innen, Agenturen, Labelbetreiber*innen und Kurator*innen mit der derzeitigen Situation umgehen.  


David Helbock (Musiker)

David Helbock (c) Lynhan Balatbat

Meine fast ausschließliche Einnahmequelle sind Konzerte. Einen kleinen Teil machen auch CD Verkäufe aus, allerdings brechen die jetzt ohne Konzerte ebenso ein.

In den Monaten März, April & Mai wurden bei mir bis jetzt mehr als 20 Konzerte abgesagt mit dem entsprechendem Verdienstentfall. Ich hoffe, dass im Sommer vielleicht doch wieder Veranstaltungen stattfinden können.

Es ist aber natürlich nicht nur das Geld, sondern auch die ganze Mühe und Arbeit, die passiert sind, um diese Konzerte zu organisieren. Einige abgesagte Konzerte wären auf tollen Festivals gewesen. Ich habe teilweise schon über 15 Jahre kontinuierlich und im Zuge vieler Stunden darauf hingearbeitet, um diese Konzerte zu bekommen. Das ist natürlich psychologisch auch nicht einfach.

Zwei bis drei Konzerte konnte ich schon auf nächstes Jahr verschieben, aber viele Veranstalter*innen sind jetzt so gestresst und wissen selber nicht wie es weiter geht, dass verschieben jetzt auch noch nicht möglich ist.

Obwohl jetzt mein komplettes Einkommen weggebrochen ist, jammere ich immer noch auf Recht hohem Niveau, da ich letztes Jahr extrem viel gespielt habe und so doch etwas Rücklagen habe, um einige Monate auch ohne Verdienst auszukommen. Ich weiß, dass das bei manchen meiner Kolleg*innen anders ist.

Auch was die längerfristige Planung betrifft, hoffe ich im Moment, dass sich das alles nur etwas verschiebt. So war mit meiner Plattenfirma eigentlich schon das nächste Album fix geplant, aber auch hier denke ich, dass es zu einer Verschiebung kommen wird. Im Moment traut sich eigentlich fast niemand, sei es die Plattenfirma, das Tonstudio oder die Veranstalter verbindliche, fixe Zusagen zu geben, insofern wissen wir alle nicht wirklich wie es weiter geht.

Zu meiner privaten Situation: Ich habe meine Südafrikatour abgebrochen und bin noch mit einem der letzten Flieger über Dubai und Zürich nach Vorarlberg gereist. Hier, wo ich aufgewachsen bin, habe ich es mir nun gemütlich eingerichtet – habe einen Flügel und gute Mikrophone hier und bin am Aufnehmen, Filmen, Komponieren. Vor Kurzem habe ich angefangen Heilzufasten. Ich meditiere jeden Tag ein wenig und mach auch längere Spaziergänge. Insofern ist es eine gute Zeit, um auch wieder zu sich zu kommen und für das Immunsystem ist das auch besser als ständiger Medienkonsum und Panikmache.

Auch ich produziere jetzt gerade viele Videos, wir planen Livestreams, obwohl ich dem aber etwas skeptisch gegenüberstehe. JedEr stellt jetzt Videos von seiner Musik online, es gibt viele Livestreams und die meisten davon sind gratis. Mit Geld verdienen ist da sowieso nichts. Ich befürchte aber auch, dass wir da auch niemandem nützen, weil sich der Gedanke von „Musik/Kunst ist nichts wert, kostet ja nichts“ noch mehr festigt.

Diese Krise wird extrem weitreichende wirtschaftliche Folgen haben, sprich die Leute werden generell weniger Geld haben und dieses dann auch nicht für die Kunst ausgeben, die es im Moment eh überall gratis gibt.

So sicher die Inflation kommen wird, jetzt nachdem so viel Geld ins System gepumpt wird, müssen wir, finde ich, schon aufpassen, dass im Internet die Inflation von verfügbaren Streams und Videos nicht zu groß wird und uns auf jeden Fall neue Wege überlegen. Vielleicht kann man jetzt ja auch die Krise als Chance nützen und über alternative Gesellschaften, Stichwort : bedingungsloses Grundeinkommen, vermehrt nachdenken.


Julia Lacherstorfer (Musikerin, intendantin)

Julia Lacherstorfer (c) Julia Geiter
Julia Lacherstorfer (c) Julia Geiter

Was bedeutet der Ausfall der Konzerte für dich?

Finanziell ist es natürlich eine Katastrophe! Mein Einkommen und das meines Partners besteht zu 100% aus selbstständiger Tätigkeit, das heißt für uns konkret, 0 Einkommen für einen ungewissen Zeitraum. Das geht für eine gewisse Zeit, in denen man finanzielle Pölster aufbraucht, die eigentlich für andere Projekte oder die SVS gedacht waren, aber es geht nicht viel länger als 1-2 Monate. Es gibt ja mittlerweile viele Stellen, die ihre Unterstützung zugesagt haben (Stadt Wien, Ksvf, SKE & AKM), allerdings wird auch betont, dass nur den wirklichen “Härtefällen” geholfen werden kann, und wie das genau definiert wird und wie rasch und unbürokratisch die Abwicklung tatsächlich vonstattengeht, werden wir alle erst sehen. Angenehm ist auf jeden Fall die Tatsache, dass an uns gedacht wird.

Abgesehen von der finanziellen Situation, kann ich dem erzwungenen Stillstand aber auch viel Positives abgewinnen! Wir Freischaffenden sind ja oft wahnsinnig zerspragelt in unserem Arbeitsalltag! Wir arbeiten meistens an vielen Projekten und Produktionen gleichzeitig, sind es gewohnt auch viele Stunden unbezahlt zu arbeiten und so etwas wie Freizeit oder Wochenende gibt’s für uns auch nur selten. Wir haben ja meist eine hohe Identifikation mit dem was wir tun, und stellen daher die Arbeit an einem künstlerischen Projekt oft ganz an erste Stelle. Das ist für die Qualität der Arbeit oft gut, für das persönliche Wohlbefinden und die eigene Gesundheit manchmal nicht so.
Insofern gibt es gerade viele in meinem näheren Umfeld, die auch als freischaffende Musiker*innen tätig sind, die innerlich Aufatmen und eine gewisse Dankbarkeit verspüren über diese kollektive Pause.
Natürlich immer mit einem lachenden und einem weinenden Auge! Wir alle vermissen unsere kulturelle Vielfalt und unsere Bewegungsfreiheit wahnsinnig, und eine Pause ist ja auch nur eine Pause, wenn klar ist, dass es danach wieder weitergeht. Die Unsicherheit, wie sich unser kulturelles Leben in den nächsten Monaten entwickeln wird, macht natürlich schon auch ein mulmiges Gefühl.

Wie lässt sich damit umgehen? Wie lässt sich solidarisch agieren? Was erhoffst du dir von Seiten der Politik?

Ich denke, es ist eine Chance auch politisches Gehör und Bewusstsein für die fragile Situation der freien Szene zu schaffen!
Unsere Kulturstadträtin hat letztes Jahr ein bemerkenswertes Symposium zur Sachlage der freien Szene in Wien anberaumt, bei der sehr klar rausgekommen ist, dass die freischaffenden Musiker*innen sich viel stärker vernetzen und in IG zusammenschließen müssen, um ihre Anliegen auch politisch vorbringen zu können. In anderen Bereichen, wie der Literatur, ist das schon seit vielen Jahren sehr strukturiert der Fall. Insofern nützen wir diese Gelegenheit jetzt auch um uns zusammenzuschließen und aus vielen Stimmen eine gemeinsame zu machen.

Von Seiten der Politik erhoffe ich mir vor allem, dass nicht nur jetzt an uns gedacht wird, sondern generell ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, dass wir in der freien Szene keinerlei Sicherheitsnetz haben. Wir können nicht in Krankenstand gehen, was dazu führt, dass viele von uns schon unzählige Konzerte gespielt haben, bei denen sie eigentlich besser im Bett geblieben wären.
Unsere Sozialversicherungsbeiträge sind wahnsinnig hoch und das System für viele sehr belastend, weil oft 2 Jahre rückwirkend große Nachzahlung gefordert werden, auf die viele nicht vorbereitet sind. Wir werden mit vielen Aufgaben sehr alleine gelassen, und wir müssen im Grunde alles können und alles selber machen: Buchhaltung, Steuerausgleich, Marketing, Management, etc… Diese Liste ließe sich endlos fortführen. Alles Dinge, die wir in unserer “Freizeit” machen.
Wir sind Einzelpersonenunternehmen, in denen wir für alles zuständig sind, aber nur für eines bezahlt werden, und das ist – in meinem Fall – Musik machen. Und genau dafür bleibt oft am wenigsten Zeit. Es müsste viel mehr staatliche Unterstützung geben! Klar, man kann Förderanträge stellen, aber die eigene Arbeitszeit kann man da auch in den seltensten Fällen reinrechnen.

Alle wollen Kultur konsumieren!
Dann müssen auch alle einen Teil dazu beitragen, dass wir gut existieren können.

Meinst du, dass Live-Streams der Konzerte einen Beitrag leisten könnten?

Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass alles was online stattfindet es einen finanziellen Ausgleich schaffen kann. Ich finde es toll und auf einer emotionale Ebene so toll, dass viele ihre Musik und Live-Konzerte zur Verfügung stellen – eine wirkliche Alternative zum Konzertbetrieb ist es für mein Gefühl aber nicht.

Gleichzeitig bist du Intendantin des Festivals wellenklænge, das im Juli stattfindet. Inwiefern verändert die Krise das den Arbeitsprozess?

Klar, wir machen uns natürlich Gedanken darüber, auch weil die Corona Krise nur einen Tag nach unserem Vorverkaufsstart so richtig in Kraft getreten ist. Es ist aber noch zu früh, um sich ernsthaft Sorgen darüber zu machen, ob das Festival im Juli stattfinden kann. Wir werden alle erstmal abwarten müssen, ob und wie die Maßnahmen greifen. An eine Absage will ich ehrlich gesagt gar nicht denken. Ein Großteil der Arbeit für unser Festival 2020 ist ja bereits geschehen! Wir warten jetzt einfach mit der konkreten Produktion noch ein paar Wochen länger zu, um nicht unnötige Arbeitszeit zu verschwenden.

Wie gehst du persönlich mit dieser Belastung um?

Wir haben das große Glück am Stadtrand von Wien zu wohnen, einen Garten und den Wienerwald vor der Nase zu haben. Ich versuche meine Tage so produktiv zu gestalten wie sonst auch – Home Office bin ich ja gewöhnt und ich liebe es auch, hier im Grünen zu arbeiten. Wie auch sonst starte ich meinen Tag mit Meditation & Yoga, mache Büroarbeit, komponiere und übe und – ganz wichtig vor allem jetzt – mache jeden Tag Sport. Es gibt ja viele Menschen, die sich gerade ärgern über andere Menschen, die Spazieren gehen oder Laufen. Das kann ich natürlich einerseits verstehen, weil es sicher wahnsinnig mühsam und nervenaufreibend ist, in einer Stadtwohnung mit Familie eingesperrt zu sein. Der Wienerwald ist aber groß genug für viele, man kann genug Abstand halten und man kann hier viele, viele Kilometer Laufen, ohne jemandem zu begegnen. Ich halte das für extrem wichtig, vor allem für die mentale Gesundheit, die noch ziemlich die Probe gestellt sein wird in den nächsten Wochen.


PETER NACHTNEBEL (Konzertveranstalter, Fluc Wien)

Peter Nachtnebel (c) Anne Feldkamp
Peter Nachtnebel (c) Anne Feldkamp

Der 10.März 2020 wird in der österreichischen Veranstalterszene als der Tag der glühenden Mobiltelefone eingehen. Eine bis dato nie dagewesene Regierungsverordnung löschte mit einem Mal Klein- und Großveranstaltungen aus. Auf beiden Seiten der Leitung herrschten Ratlosigkeit gepaart mit einem Rest Zuversicht. Weitere Maßnahmen sollten rasch folgen. Knapp drei Wochen später steht der Betrieb global still. Die Katastrophe ist groß, ist die Katastrophe groß?

Man muss nicht zu den drastischen Worten des gegenwärtigen Gouverneurs der Österreichischen Nationalbank – Joseph Schumpeter zitierend  („schöpferische Zerstörung“)    greifen, um vorausahnen zu können, dass einige Agenturen, PR-Firmen, Clubs, Technikverleihfirmen u.a. die Epidemie nicht oder nur stark angeschlagen überleben werden. Ob sich der Markt „schöpferisch“ neu ordnen wird, ist bis dato nicht abzusehen. Naiv wäre es allerdings zu glauben, dass potente α-Firmen nicht schon längst an Übernahmen von Krisenverlierern feilen. Hinter der freundschaftlichen Bussi-Bussi-Fassade der österreichischen Musikwirtschaft herrscht frostiges Unternehmertum wie überall sonst auch. Des einen Krachen, des anderen Lachen.

„So what?“, fragt man sich also, einen Gedanken von Rainer Krispel aufgreifend, der dieser Tage in einem Facebook-Posting das Rennen um die besten Termine und Kapazitäten nach Corona „diese Terminkeilerei, dieses Weiter-Weiter-Weiter der fast automatisierten Buchungs-Maschinen und Häuser/Location-Befüllung“ kritisierte. Jene Wochen, die es noch dauern wird, bis der „Normalbetrieb“ zurückkehrt, sollten uns Gelegenheit geben, darüber nachzudenken, wie dieser Betrieb eigentlich aussehen soll.

Seit der Anglifizierung der alternativen Musikszene um die letzte Jahrtausendwende wird auch in Österreich „professionell“ gearbeitet:  Ein Netzwerk von Agenturen, Festivals, Getränkeherstellern, Radiojournalisten und Blogs baut „Artists“ nach Jahresplänen auf. Diese werden gemäß dem Schema A-B-C (kleine Halle, mittlere Halle, große Halle) durchs Land getrieben.  Eine Erwähnung von Eberhard Forcher, ein Auftritt im  Frühstücksfernsehen, ein ausverkauftes Konzert in Berlin lässt die Branche jubeln.  Die tatsächliche künstlerische Leistung ist sekundär. Darüber spricht man nicht. Oder man spricht nicht darüber, weil man es nicht so genau weiß. Wer hat schon Zeit, sich ein ganzes Album eines Künstlers oder einer Künstlerin anzuhören, wenn die nächste Produktion ruft?

Die Covid-Krise wird die dritte Dekade des 21., vielleicht des gesamten Jahrhunderts prägen. Der Gedanke einer radikalen Nachhaltigkeit sollte sich keinesfalls auf die Ökologie beschränken, sondern auch die Kultur miteinbeziehen.  Ein Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt, dass wir uns Unmengen von musikalischem Fast Food rein gestopft

haben – auch im alternativen Musikbereich. Der wusste es doch schon mal besser.


Jakob Bouchal (Agent, Matches Music)

Jakob Bouchal (c) Karin Hackl
Jakob Bouchal (c) Karin Hackl

Wir haben uns bis jetzt recht bewusst gegen Live-Streams entschieden. Ich denke, es hat schon einen Grund, warum es sich bis jetzt nicht wirklich durchgesetzt hat, Konzerte per Live-Stream daheim auf der Couch anzusehen – technologisch ist das ja schon viel länger möglich, nicht erst jetzt seit der Krise. Bei einem Konzert, einem DJ-Set, eigentlich bei jeder künstlerischen Performance geht es darum, einen Moment zu konstruieren, eine Stimmung oder ein Gefühl,und das funktioniert auf einem kleinen Bildschirm einfach nicht so gut.

Ich möchte niemandem auf die Füße treten, aber ich habe das Gefühl, viele Künstler*innen tun sich momentan keinen Gefallen damit, schnell zusammengestöpselte, abgespeckte Versionen ihrer Live-Sets per Handykamera vom Wohnzimmer ins Internet zu schicken. Noch dazu, wo große Festivals und sogar komplett musikferne Brands gerade viel Geld in Live-Streams pumpen, ist es für Indie-Artists umso schwieriger, was Ton- und Bildqualität, Licht, Kamera und Schnitt betrifft, mitzuhalten.

Meine große Sorge ist, dass die gefühlte Wertigkeit von Musik jetzt noch weiter sinkt. Viele Menschen sind es mittlerweile gewöhnt, dass Musik im Internet nichts kostet, es fehlt oft das Bewusstsein dafür, dass Musik eine Leistung ist, die auch etwas wert ist. Ob es da jetzt wirklich ein smarter Move ist, das Internet inflationär mit Streams von Konzerten zu überfluten?

Auch dass viele Musikschaffende aktuell versuchen mit Live-Streams Spenden zu lukrieren, sehe ich leider eher problematisch. Um Notfälle zu überbrücken kann das vielleicht funktionieren, aber der Narrativ “Musikerinnen und Musiker können jetzt ja auch durch Konzerte per Live-Stream Geld verdienen” wird den Musikschaffenden längerfristig mehr schaden als er ihnen jetzt hilft. Wer Musiker*innen unterstützen möchte, sollte einfach ihre Musik kaufen, und das so oft und so direkt wie möglich.


Konstantin Drobil (Substance Recordstore, Trost Label)

Konstantin Drobil (c) Peter Gannushkin
Konstantin Drobil (c) Peter Gannushkin

Als Einzelhandelsgeschäft haben wir seit 16.3. behördlich angeordnet geschlossen. Fast 100% unserer Umsätze sind dadurch weg – ohne die täglichen Verkäufe können wir die Fixkosten nicht decken. Das geht sich im März und mit Zähneknirschen im April aus, aber danach wird es für die Firma existenzbedrohend! Durch den sogenannten “Härtefonds” für KMUs ist das Auskommen der beiden Betreiber finanziert, aber wir würden einen Zuschuss für die Geschäftskosten benötigen – mal sehen, was da noch kommt…

In den April würde der jährliche Recordstore Day fallen, der im gesamten Jahr unser Tag mit dem weit besten Umsatz ist. Dieser ist nun verschoben, die kalkulierten Einnahmen fallen weg, und es ist ja noch keineswegs sicher, dass der neue Termin im Juni halten wird.

Das einzig Schöne an dieser Situation ist die Unterstützung der Stammkunden durch lokale Solidaritäts-Mailorder. Natürlich macht das die Umsatz-Einbußen in keinster Weise wett, aber es ist eine Geste, und macht Hoffnung darauf, dass, wenn dieser Wahnsinn vorbei ist, die Leute weiterhin mehr darauf achten, wo sie einkaufen und Regionalität den schnellen one-click Bestellungen bei anonymen Konzernen vorziehen.

Als Label spüren wir die Auswirkungen der Krise auf verschiedenen Ebenen:

Für März waren drei Alben vorgesehen, die zwar fertig beim Presswerk liegen, aber noch nicht ausgeliefert werden konnten. Präsentationen verschieben sich, Inserate wurden gebucht, aber es gibt noch keinen Tonträger dazu, usw. In den folgenden Monaten wird sich die Situation nochmals verstärken – für April sind bereits zwei Alben in Produktion, für Mai sind drei geplant. Die Produktionen sind zum Großteil vorfinanziert, aber es gibt keine Möglichkeit, die Kosten durch Verkäufe bald wieder reinzubekommen.

Bei der von uns veröffentlichten Musik sind Konzerte eine sehr wichtige Möglichkeit die Alben zu verkaufen. Daher treffen uns die zahlreiche Absagen sehr: im März z.B. eine zweiwöchige Südamerika Tour (Steamboat Switzerland), dann Im April eine USA Tour (Peter Brötzmann), vier Termine in UK und Skandinavien (Arashi), eine UK/Benelux-Präsentations-Tour zum neuen Release (Kodian), eine einwöchige Brasilien-Tour (Full Blast), mehrere internationale Dates von Mopcut (Lukas König) etc.

Weiters sind natürlich international auch die Schallplatten-Geschäfte geschlossen, daher kommen keine Bestellungen. Vertriebe kämpfen mit ihrer Liquidität und mit eingeschränkten Fracht-Möglichkeiten, daher ebenfalls – fast – keine Bestellungen.

Ich habe eine Angestellte, die weiterbezahlt (und nicht gekündigt) wird, eine relativ hohe Büromiete und die üblichen infrastrukturellen Fixkosten.

Neben dem Fonds von der AKM gibt es auch den Fonds der LSG für Labels – allerdings nur unter der Bedingung, dass ein bestimmter Mindestbetrag an LSG Tantiemen im Vorjahr erreicht wurde. Wenn das Label keine radiotaugliche, in den Mainstream ragende Musik veröffentlicht, ist es fast unmöglich diese Grenze zu erreichen. Ich hoffe, dass dies kulanter gehandhabt wird (wie ja auch der generelle Härtefonds nachgebessert wird) und nicht nur die kommerziellen Firmen unterstützt werden.


Franz Hautzinger (Musiker)

Franz Hautzinger (c) Clara Zalan
Franz Hautzinger (c) Clara Zalan

Ich weiß ganz genau wie meine Situation ist:

Ich habe noch:

2100€ Geldreserven.

Ein paar Goldmünzen.

6 Pakete Zigaretten,

6 Flaschen Wein.

Nahrung für ca.1-2 Monate.

Monatliche Lebenskosten ca.600€.

Alle Konzerte im März abgesagt.

Alle Konzerte im April abgesagt.

Alle Konzerte im Mai abgesagt.

Juni? Juli?August? Wir werden sehen.

Ich sitze fest in Frankreich, 

mitten im Burgund am Land.

Altes Steinhaus mit Garten. 

Keine Nachbarn.

Ich übe Trompete, den ganzen Tag (unterbrochen durch Essen, Gartenarbeit, sonstige Arbeiten..)

Ich denke und komponiere, ich produziere.

Ich bin künstlerisch aktiv..

Feng Shui im Haus, im Garten, im ganzen Leben.

Ich arbeite im Garten.

Bild (c) Franz Hautzinger
Bild (c) Franz Hautzinger

Es ist still.

Es ist immer still hier, 

aber nun noch ruhiger weil keine Flugzeuge.

Nur der Wind, die Vögel und die Insekten höre ich.

Aber dann ist mir klar, dass das Land, die Länder in Europa, ruhen und Sperrzonen sind.

Eine Katastrophe sondergleichen.

Normalerweise fahre ich um den Globus und lebe davon..

Wirtschaftlich ein totales Desaster weil: kein Konzert, keine Produktion, kein Honorar..

Kein Geld im Umlauf. 

Ein paar Wochen geht das sicher, mit viel Disziplin übt die Menschheit!

Und selbst wenn in Österreich im Juli wieder Aufbau betrieben wird (was ich hoffe),

heißt das nicht, dass man national und vor allem (was mich betrifft) international wieder so 

ohne Weiteres touren kann.…

Und überhaupt, wie wird es sein, wenn man wieder ein Konzert spielen kann, live und vor Publikum. Will dass dann jemand? Mit vielen anderen in einem Raum zu sitzen und ganz nah zu sein? Das wird ein sehr spannender Moment..

Für den internationalen Konzertbetrieb sehe ich keine Chance vor 2021.

Wie so viele im Moment, teile ich die Vergangenheit mit anderen (über das Internet, Youtube, Facebook, Instagram etc. )

Und wir denken und sprechen über die Zukunft. 

Das finde ich sehr schön und es schließt soziale Kontakte.

Menschen nehmen sich Zeit und kommunizieren…

Ich hoffe, dass das Internet hält!!

Ich denke an die Zukunft… an welche denn?

Die Welt ist verändert und wird verändert bleiben.

Vieles kommt zurück und es wird sich viel neues entwickeln…

Bringt viel Gutes, Neues, Innovatives und Kreatives mit sich..

Die Kunst hat gerade Hochbetrieb. Vieles ist zu bewältigen und zu verarbeiten, 

ein starker Boden.

Dann gehe ich wieder in den Garten und danach übe ich wieder und denke und kreiere.

Es ist ein Experiment, in dem wir momentan leben. Man weiß nicht wie es ausgeht.

Alles löst sich auf.

Was bleibt für mich persönlich zu sagen?

Meine Bestimmung ist in jedem Falle ganz klar:

Künstler zu sein, 

Musiker zu sein, 

24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, 52 Wochen im Jahr, 

bis zum letzten Atemzug und darüber hinaus.

Das ist doch ein gutes Konzept, nicht?

Mal sehn wie mein Bericht in fünf Wochen ausfällt…


Ute Pinter (impuls, open music)

Ute Pinter (c) Matthias Wagner

Wie es mir als Veranstalterin geht?

In vielen Belangen wohl ähnlich, wie vielen anderen Veranstalter*innen. Da ist nicht klar, und auch derzeit nicht verlässlich definierbar, wann Live-Veranstaltungen in welcher Form wieder stattfinden können; wie es mit zukünftiger Kostenentwicklung vor allem abseits der Künstler*innenhonorare, die ja auch bislang oft am Flexibelsten sein mussten, was Inflationsanpassung und Teuerungsrate betrifft, aussehen wird; in welcher Form internationaler Reiseverkehr wieder aufgenommen werden kann; ob Verschiebungen innerhalb des Kalenderjahres überhaupt sinnvoll sind (Thema Überangebot); ob Infrastruktur, Veranstaltungsorte weiterhin verfügbar sein werden, Kooperationspartner überleben; wie sich die Publikumsstruktur verändert haben wird (Stichwort finanzielle Möglichkeiten, aber auch ganz persönliche, psychostrukturelle Veränderungen); was die Gesellschaft in Zukunft brauchen wird, wo persönliche Präferenzen gesetzt werden; wie sich die Gesellschaft prinzipiell entwickeln wird,  und natürlich auch, welche Rückschläge es geben wird, was die Ausbreitung und Wiederkehr der Pandemie betrifft – von demokratie-politischen Fragen mal ganz abgesehen…

Eine große Frage, speziell auch für die Szene und kleine Veranstalter*innen ist natürlich auch, wie sich alles rund um Subventionszahlungen entwickeln wird. Das Land Steiermark hat da beispielsweise einen sehr wichtigen Schritt gesetzt, indem z.B. der Abrechnungszeitraum für Veranstaltungen auf 2021 ausgedehnt wurde, und damit Verschiebungen nicht nur innerhalb des laufenden Jahres möglich sind. Weitere wichtige Themen along this line sind z.B. Rechtssicherheit bei Absagen (inklusive natürlich Abgeltungsmöglichkeiten für Künstler*innen etc.), einfache Anpassungsmöglichkeit des Programmes entsprechend der Preisentwicklung, Tourneeangebote u.ä., Zeitpunkt der Subventionsauszahlung (Stichwort Liquidität) etc. 

Die lokalen, nationalen Partner sind da bereits mit ersten Schritten in die richtige Richtung aktiv geworden, auf EU-Projekt-Ebene harre ich noch konkreter Informationen …

Keine Krise ohne Chance sozusagen. So haben sich im kleinen, persönlichen Rahmen auch bislang gute Zusammenarbeit, gute Kontakte, Arbeitszugänge im Sinne der Sache, Vertrauensbeziehungen verstärkt und als in vielen Belangen lebenswertes und zukunftsträchtiges Modell erwiesen. Ob und in welcher Form es eine Katharsis auf breiterer Ebene geben wird, wird sich weisen.

Und es sind vor allem die Künstler*innen, die kreativen Parts, die sich nicht nur als flexibel, sondern auch als überaus initiativ erwiesen. Als Beispiel: das vielteilige Großprojekt “Klangmanifeste”, das ich über meine Konzertreihe open music als Kooperationsprojekt erstmals nach Graz bringen wollte (21.3.-8.4.), ist in vielen Teilen ins Netz migriert und bietet Online-Live-Beiträge an. Dafür wurde wiederum im Kollektiv mit anderen Initiativen eine eigene, unabhängige Online-Plattform, echoraeume.klingt.org, etabliert, die nunmehr auch für weitere Beiträge genutzt werden kann, also auch nachhaltig ist.

Mit impuls habe ich für die Akademie, das Festival im Feber 2021 und den Kompositionswettbewerb ja einen gewissen Zeitpuffer, arbeite aber schon intensiv am konkreten Programm, Ausschreibungen etc., und hoffe, dass die Internationalität auch in Zukunft gewahrt werden kann. Aktuelle Projekte wie “Text im Klang” müssen verschoben werden, die “impuls MinutenKonzerte” im Juni auch.

Und für meine Beiträge im Bereich der zeitgenössischen Musik und des Jazz für Jeunesse ist die kommende Saison natürlich schon lange geplant und der Aboverkauf eröffnet. Wie es mit in dieser Saison geplanten Konzerten aussieht, hängt komplett von den Regierungsvorgaben ab, die hoffentlich bald Klarheit bringen.

Was das in diesen Tagen so oft gebrauchte Wort „Entschleunigung” betrifft, so hat sich ebendiese wenn überhaupt, dann nur in gewissen Aspekten eingestellt. Umso wichtiger sind also schnelle Rechtssicherheit und finanzielle Sicherstellungen für Veranstalter*innen und KünstlerInnen wie in den klassischen Wirtschaftsbereichen und Arbeitsverhältnissen.