„Spielen, üben und Glück finden” – MARTIN KLEIN im mica-Interview

Eben wurde eine gemeinsame Single mit ELEKTRO GUZZI (“Walk with me”) releast, schon stehen mehrere andere Veröffentlichungen an. Zeit für ein Gespräch mit dem Songwriter und Pianisten MARTIN KLEIN, das zeigt: Auch wirklich arrivierte und erfolgreiche Musiker wie er grübeln darüber nach, wie das nächste Album aussehen wird. Es gibt viel Material, aber was davon nehmen? Die ganze Bandbreite zeigen oder nur einen Teil davon? Selbst produzieren oder produzieren lassen? Ein Gespräch mit Markus Deisenberger über Lampenfieber, anarchistische Elemente und das private Glück auf kleinem Keyboard.

Du hast für das kommende Album in den sozialen Medien angekündigt, man möge sich bitte anschnallen. Klingt erst mal spannend. Was hat es damit auf sich?

Martin Klein: Prinzipiell ist es, wenn man meine künstlerische Arbeit betrachtet, so: Es gibt sehr viel Material. Ein fertiges Piano-Solo-Album mit klassischen Kompositionen, das sich “Klavierbüchlein für Weltenbeobachter” nennt. Das hab´ ich in jungen Jahren notiert und dann im Radiokulturhaus aufgenommen. Ist also fertig gemischt und gemastert. Das ist mir sehr viel wert, weil es künstlerisch sehr viel mühevolle und aufwändige Arbeit war, das mit der Hand auszunotieren. Du musst wissen: Ich arbeite nicht gerne mit dem Computer, wenn ich notiere. Das ist etwas anderes als Songs zu komponieren oder elektronische Musik zu produzieren. Wenn ich “klassische” Musik mache, sitze ich da ewig dran. Das sind teils komplizierte, teils einfache Stücke, die auch Kinder und Jugendliche spielen können. Meine Vision ist es, als Gegenbewegung zu Spotify und dem Internet ein Büchlein rauszugeben, in dem man diese Stücke auch handschriftlich nachvollziehen und nachspielen kann, wenn einem danach ist. Kompositionen von Martin Klein als Zeitdokument. Das ist ein Aspekt. Nebenher schreibe ich nach wie vor Songs. So wie immer. Manche auf Englisch, manche auf Deutsch. Da sind auch schon einige fertig aufgenommen. Und dann habe ich in den letzten Jahren viel elektronische Musik gemacht. Nicht, indem ich hinter dem Computer sitze und komponiere, sondern mit alten Keyboards und meiner Loop-Station. Da produziere ich einfach Tracks, was mir irrsinnig viel Freude bereitet. Wenn ich Zeit habe in meinem Alltag und etwas Elektronisches für mich schaffe, macht mich das sehr glücklich.

Was von all diesen Dingen kommt nun zuerst?

Martin Klein: Da sind wir beim Thema. Fürs Jahr 2023 habe ich mir zum Ziel gesetzt, etwas zu veröffentlichen, was diese Aspekte verbindet. Das Elektronische und das Songwriting. Bis jetzt war das Songwriting bei mir ja oldschool: Klavier solo, Klavier mit Band, Klavier im Trio. Jetzt würde ich gerne für meinen Fans und die Leute, die sich dafür interessieren, ein Album machen, das bei manchen Tracks auch die Mischung zeigt: Wie ich zuhause einen Song mache, ihn selbst produziere.

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Wie den roten Faden finden, wie sich entscheiden, was Sinn macht?

Martin Klein: Da triffst du mich an einem sehr interessanten Punkt. Ich stelle mir nämlich gerade die Frage, ob es Sinn macht, die elektronischen Sachen unter einem anderen Künstlernamen zu veröffentlichen, und unter meinem Namen Martin Klein die traditionellen Lieder. Was sagst du dazu?

Schwierige Frage. Mit Pseudonym man kann die beiden Welten besser trennen. Andererseits sind es zwei Seiten, die Dich ausmachen, die Dich beide in Deiner Vielfalt zeigen. Und was mich an den Pseudonymen abschreckt ist: Es wirkt mitunter ein wenig eitel, und ist oftmals mit einer gewissen Missbilligung für das Genre verbunden, in dem man das Pseudonym einsetzt. Jemand schreibt z.B. Krimis unter Pseudonym, weil er sich ja eigentlich zu gut dafür ist. Und die Frage ist natürlich, was kommerziell geschickter ist. Eine neue Marke macht unter Umständen Sinn.

Martin Klein: Kann aber natürlich auch Leute verschrecken. Ich stelle mich mit meiner Kunst auch der Musikwirtschaft. Das, womit ich Geld verdiene, sind Konzerte. Ich bin schon lange aktiv, habe künstlerisch gearbeitet und einiges veröffentlicht, von dem ich froh bin, dass es passiert ist. Leute haben mich unterstützt: Kleine Labels, Plattenfirmen auch in Deutschland. Aber man muss halt schon auch ehrlich sagen: Dieser Markt ist überschaubar. Allerdings hatte ich das letzte Mal, als wir beide uns getroffen haben, noch nicht den Release mit den “Lost Songs”. Die gibt es auf Vinyl, und das hat mich schon glücklich gemacht. Das ganze Team der Medienmanufaktur Wien, allen voran Charlie Bader und Stefanie Krön, hat sich da reingehängt. Das war sehr viel Arbeit und ein guter Schritt. Das Album wurde gut produziert von Filippo Gaetani.

Wie kamst du zu dem?

Martin Klein: Filippo kenne ich schon ewig. Der wurde über Youtube auf mich aufmerksam, weil ich “Don´t let it get you down” im Proberaum eingespielt und einfach ins Internet gestellt hatte. Ein toller Musiker und Produzent, der eigentlich aus Italien kommt und in der Nähe von Wien lebt. Er hat mich immer wieder unterstützt, Songs wirklich gut aufzunehmen. Trotzdem ich mehrere Produzenten wie ihn kenne, stellt sich die Frage, ob ich für das kommende Album einen Produzenten hinzuziehe oder das alleine durchziehe. Ich habe in den letzten Jahren mehr Vertrauen bekommen, was mein Home-Recording betrifft. Ich bin kein perfekter Tontechniker, habe aber dazugelernt, weiß, wie man das Mikro gescheit hinstellt, wie man den Song aufnimmt, wie man Bass und Streicher dazufügt. Vor Weihnachten habe ich mir nach langer Zeit wieder ein neues Instrument gekauft, einen Roland-Synthesizer.
Ich hatte ja jahrelang immer nur ein Keyboard, mein Stage Piano. Das hab´ ich, obwohl sehr schwer, herumgeschleppt, war damit auf Reisen, in München, Berlin, Holland. Aber ich werde älter, habe Rückenprobleme. Der neue Synth ist portabler. Ich will damit wieder mehr in die Jazzszene eintauchen, mit anderen spielen und proben.

Das heißt, es geht Dir darum, das Musikantendasein zu genießen und den Austausch zu suchen?

Martin Klein: Ja, ich habe mich in den letzten Jahren sehr geöffnet. Ich finde, Wien hat insofern tolle Seiten, als es viele Möglichkeiten bietet, mich mit interessanten Musiker:innen zu treffen, in den Proberaum zu gehen und zu jammen. Unterm Strich ist das wichtig und macht mich glücklich. Die Improvisation habe ich eingangs noch gar nicht erwähnt. Es gibt noch gar keine Veröffentlichung, die diese Seite von mir zeigt. Dabei komme ich da eigentlich her. Ich komme aus den Innsbrucker Jazzclubs, habe dann lange überlegt, wo ich hingehe, und habe mich aufgrund der Größe der Stadt, der Clubszene und der Gemütlichkeit für Wien entschieden, gehe auch nach wie vor mindestens einmal pro Monat zu Sessions, hau mich in eine Mainstream-Session und spiel mit, oder in eine Songwriter-Session und spiele ein Lied. Oder ich treffe die Leute von Electro Guzzi und mache Musik.

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Ihr habt unlängst die gemeinsame Single “Walk with me” releast. Wie entstand die Paarung?

Martin Klein: Das war ein bewusster Schritt, wir kennen uns schon lange. Vor allem mit Jakob Schneidewind habe ich intensiven Kontakt. Wir treffen uns oft in seinem Studio und machen gemeinsam Musik. Das Video drehte Berni Hammer. Elektro Guzzi waren immer ein wichtiger Motor für mich, um am Ball zu bleiben. Ich fand das immer sehr cool: Dass sie nach Japan fliegen, dort ihre Kunst performen, und dann wieder zurück nach Wien kommen und weiter ihr Ding machen. Ich sitze ja am liebsten hier und komponiere.

Nur damit da jetzt kein falscher Eindruck entsteht: Du spielst schon auch viel im Ausland, vor allem in Deutschland, wo Du eine große Fangemeinde hast.

Martin Klein: Ja, und das brauche ich auch. Ich habe auch schon in London gespielt und die Vision, dass das Solo-Ding noch mehr ins Ausland kommen könnte. Unterm Strich war ich immer ein bisschen verwöhnt. Nach Wien zu gehen, war der richtige Schritt. Ich spiele gern hier. Es ist noch gar nicht lange her, da hatte ich einen sehr engagierten Auftritt im Konzerthaus. Das hat mich so gefreut. Ein echtes Highlight in meinem Leben, dass ich das erleben durfte.

„Lampenfieber ist also ein wesentlicher Aspekt, ja. Jeden Tag brauche ich das nicht.“

Hast Du eigentlich Lampenfieber vor solchen Auftritten?

Martin Klein: Wenn ich Jazz oder Covers spiele oder als Sideman jemanden begleite, habe ich weniger Lampenfieber, aber wenn ich auf die Bühne gehe, und das ist von vorne bis hinten ein Martin Klein-Konzert, die Leute kommen also wegen deiner Lieder, deiner Kompositionen da hat man dann schon Muffensausen. Lampenfieber ist also ein wesentlicher Aspekt, ja. Jeden Tag brauche ich das nicht. Das ist irrsinnig anstrengend und wunderschön zugleich. Ich habe in den letzten Jahren dazugelernt, weiß heute besser mit der Nervosität umzugehen
Ein Beispiel: Ich hatte ein Solo-Konzert in Bayern, ich solo am Flügel im Klosterhof in Bayerisch-Gmain, einem Hotel, das auch Konzerte veranstaltet. Die hatten mich eingeladen. Es gab in Deutschland mal einen kleinen Hype mit Songs von mir. Ich fahre also hin, bekomme ein gutes Essen, der Abend nähert sich, und ich merke, wie viele Leute da wirklich kommen, auch aus Graz und Linz, nur um mich zu hören. Das war schon sehr cool, aber ich war halt dann auch irrsinnig aufgeregt.

Bild Martin Klein
Martin Klein (c) Martin Klein

Legt sich das dann?

Martin Klein: Ja, es wurde ein wunderschönes Konzert. Einen Tag brauchte ich aber danach, um wieder zur Ruhe zu kommen. Ein Tag ist wesentlich, um das Erlebte zu verarbeiten.

Eine längere Zeit “on the road” würde also nicht funktionieren?

Martin Klein: Das geht schon auch, hat den Vorteil, dass man am Ball bleibt, drin ist im Musikmachen. Da brauche ich dann halt nach der Tour ein paar Tage, um wieder runterzukommen. Den Aspekt, dass das eine Challenge ist auf der Bühne zu stehen, sollte man nicht unterschätzen. Abzuliefern macht Spaß und mach glücklich, aber…

Eine Band bzw. das Können der anderen Bandmitglieder sorgt mitunter auch für Sicherheit. Ganz allein mit den eigenen Songs am Klavier ist das noch einmal eine andere Dimension, oder?

Martin Klein: Eine Sicherheit, die ich schon habe ist: Ich habe Musik studiert und ich habe mich wirklich intensiv damit auseinandergesetzt; Am Konservatorium in Innsbruck, an der Uni in Wien, und in Holland. Das gibt mir schon auch Sicherheit, und trotzdem ist es eine Challenge.

Die Coronazeit hat bei vielen zu introspektive Werken geführt. Hat dich das auch beeinflusst?

Martin Klein: Nein, gar nicht. Natürlich war das eine Ausnahmesituation, kein Honiglecken. Ich will das auch nicht schönreden, aber in meinem künstlerischen Wesen, in meiner künstlerischen Arbeit, hat mich das gar nicht beeinflusst.

Du bist ein großer Fan von Werner Pirchner. Als Du vorher von Deinen Electro-Tracks gesprochen hast, hat sich mir eine Frage aufgedrängt: Ist es das anarchistische Element, das der Musik Pirchners stets innewohnte, das Dich fasziniert? Ist der Wagemut, bewusst mit Konventionen zu brechen und den Leuten auch mal was gänzlich Unerwartetes vor den Latz zu knallen, etwas, das auch in Dir schlummert?

Martin Klein: Vielleicht. Es ist auch so, dass ich oft mal auf Abenden, die als Liederabende angekündigt sind, einfach improvisiere. Aber aus dem Ruder laufen tut es nie. Pirchner war für mich insofern wichtig als Jugendlicher, als er in der Gegend, in der ich aufgewachsen ist, ein erfolgreicher und angesehener Musiker war, der mich inspiriert hat. Ich kann mich erinnern: Im Innsbrucker Treibhaus im Jazzkeller hing damals ein großes Foto von ihm wie vom Paten, in Schwarzweiß. Er war immer eine Art Vorbild. Ich hatte auch das Glück, ihn einmal live zu sehen, am Tiroler Landeskonservatorium.

Da musst du aber noch jung gewesen sein.

Martin Klein: Ja, sehr jung. Pirchner hat ein Stück geschrieben, das heißt “Himmelblau”. Für Vibraphon. Das ist eines der schönsten Stücke, die ich kenne. Ich spiele das auch oft am Klavier, weil es so wunderschön ist. Allein zu Hause, für mich. Johann Sebastian Bach und Werner Pirchner – das waren meine Heroes.

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Und jetzt?

Martin Klein: Immer noch Bach und der Groove. Jazz, Soul, ich spiele auch viel Schlagzeug als Hobby.  Bach und alles, was durch den Rhythmus Menschen zum Lachen bringt. Bach kann man ja ein Leben lang üben. “Das wohltemperierte Klavier” sind zwei große Bände. Da stecken so viele Dinge drin, und man weiß ja auch, dass das Mozart und andere gernhatten: Da kannst du spielen, üben und Glück finden. Und es entspannt mich, weil ich weiß: Mit so einem Genie kannst du eh nie mithalten. Oder im handgemachten Techno: Elektro Guzzi. Aber am Klavier: Bach. Bevor wir uns getroffen haben, habe ich in der Früh noch ein bisschen das D-Dur Preludium gespielt. Für mein eigenes, privates Glück. Allerdings nicht auf einem großen Flügel, sondern auf einem kleinen Keyboard.

Abschließend noch mal die Frage: Was kommt als nächstes? Neues Album, mehrere Alben oder doch das Klavierbüchlein?

Martin Klein: Weißt Du was? Wir treffen uns in fünf Jahren und schauen, was es war und ob es funktioniert hat.

Und bis dahin?

Martin Klein: Viel spielen, das Musikerleben genießen, und weitermachen, sich nicht unterkriegen lassen, weil das Musikerleben ist auch nicht einfach. Aber ich wusste schon als Kind, dass ich Musiker werden will. Das war eine bewusste Entscheidung, und ich habe es auch noch nicht bereut. Selbst wenn man zwischendurch mal down ist: Es ist einfach das, was ich am liebsten mache.

Vielen Dank für das Gespräch.


Markus Deisenberger

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