Sirene Operntheater: Sisifos

Die Betrachtung von Sisyphos’ ewiger Unbelehrbarkeit ist ein Basisbeispiel der Geschichtsbetrachtung: Gibt es Fortschritt und Entwicklung? Kann man aus Fehlern lernen oder ist jede Generation zu den gleichen Fehlern verdammt? Ist Vergessen ein Fluch oder eine Gnade? Hat Hoffnung mehr als therapeutische Wirkung etc.?

Und was die Wissenschaft selbst betrifft, stellen sich die Fragen: Lohnt es den Versuch, die Schleifen der Wiederholung immer genauer zu analysieren? Wird die Beobachtung am Beobachteten etwas ändern können? Können die Beobachter, die Berater, die Erforscher von Sisyphos ihm bei seinem täglichen Geschäft helfen, ihm seinen Stein endlich aus den Händen nehmen, den Stein am Berg festhalten und Sisyphos von seiner unerfüllbaren Pflicht lösen?

Text: Kristine Tornquist. Musik: Bernhard Lang

Premiere am 23. Oktober 2015 (20.00 Uhr) Weitere Vorstellungen am 24., 25., 26. und 27. Oktober 2015 (20.00 Uhr)
Grosser Festsaal der Universität Wien Universitätsring 1, 1010 Wien.
U2 Schottentor, Tram D, 1, 37,38, 40, 41, 42, 43, 44, 71, Bus 1A, 40A
Karten: sirene@sirene.at, € 28.- / ermäßigt € 18.-
Ermässigungen für Ö1-Club-Mitglieder, MICA-Club-Mitglieder, Der-Standard-Abonnenten, Studierende, SchülerInnen. Es gilt der Kulturpass.

Musik – Bernhard Lang

Die Verschiebung der Differenz in den Geist bzw. die Wahrnehmung des Betrachters ist an sich eine Strategie des Minimalismus; die Konsequenz, welche der Minimalismus daraus zog, war die einer der Reduktion der Differenz im wiederholten Objekt, um den subjektiven Differenzierungen Raum zu geben. Hier weicht Deleuzes Konzept ab: Wiederholung bedeutet für ihn nicht unbedingt ein Einfaches, ganz im Gegenteil: Wiederholung kann Träger einer hoch komplexen Differentation im Objekt sein.

Text und Szene – Kristine Tornquist

Vieles, was aus der Nähe betrachtet in linearer Erzählung ein einzigartiges, dramatisches Ereignis – ein Tag, ein Leben, eine Generation – abgibt, das seinem unverwechselbaren Handlungsverlauf in historischem Bogen folgt, erscheint aus der Distanz vom Sprung eines ewigen Repeat unterbrochen und fortgeführt. Die Vielzahl der Sonnenaufgänge, der Lebensgeschichten, der Ideen ergibt eine Welt-Tapete im Rösselsprung: lauter einzelne Teile und doch zusammen nur ein einziges, unpersönliches, symbolisches Prinzip.
Der zweite Teil des Sisyphos-Mythos – seine posthume Bestrafung – ist ein solches Loop, das mit boshaftem Humor Ende und Anfang gleichsetzt. Und so wie sich Ende und Anfang nicht mehr unterscheiden lassen, so lässt sich auch kein Urteil darüber beweisen, ob es sich nun um unendliches Ende oder um unendliches Beginnen, um unendliches Versagen oder unendliches Hoffen handelt oder einfach nur um sinnlose Plackerei. Der lebendige und bewegliche Unterschied des Immergleichen liegt in dessen Interpretation.
In sieben Versuchen dreht sich Sisifos im Auf und Ab, dem das Leben und damit all seine Begleiterscheinungen unterworfen sind. Dabei scheint er permanent gegen sich selbst zu arbeiten: Was er schafft, zerstört er, was er zerstört, baut er wieder auf. Mit Text und in einer Pantomime mit den beiden Charakterdarstellern Klaus Rohrmoser und Rudi Widerhofer erforscht Autorin und Regisseurin Kristine Tornquist die Triebkräfte von Hoffnung und Vergeblichkeit.

Dieses Stückes feiert zum Anlass des 650-jährigen Bestehens der Universität Wien die Wissenschaft, die seit Jahrtausenden den Menschen zu verstehen und beeinflussen versucht und die im Hoffen und Verzweifeln darüber immer neue Erkenntnisse gewinnt und beiseite legt. So unermüdlich wie Sisiphos und sein Stein sich um sich selbst drehen, kreist die Wissenschaft hoffnungsvoll auf der Suche nach der “Weltformel” des Ziels, des Sinns weiter.

Schauspieler. Klaus Rohrmoser. Rudolf Widerhofer

Musikalische Leitung. François-Pierre Descamps Regie. Kristine Tornquist Bühne. Cornelius Burkert Kostüm. Markus Kuscher Maske. Csilla Domjan Licht/Technik. Edgar Aichinger Korrepetition und Studienleitung. Petra Giacalone Assistenz und Inspizienz. Louise Linsenbolz

Vokalensemble. Sopran 1. Astrik Khanamiryan. Susanne Kurz. Alexandra Prammer. Nataliia Ulasevych. Michiko Yokouchi Sopran 2. Cathrin Chytil. Roberta Cortese. Mathilde Neubauer. Barbara Pichlbauer Sopran 3. Mariana Garci-Crespo. Erika Gruber. Kanako Hayashi. Anna Leithner. Adrienn Meszaros Alt 1. Keiko Hasegawa. Nelly LiPuma. Sarah Mühl. Barbara Ramser. Aleksandra Savenkova Alt 2. Barbara Diaba. Julia Fürst. Martina König. Henrietta Kraus. Maria Mitterlehner Alt 3. Mana Auersperg. Gertrud Baumgartner. Isabelle Gustorff. Silvia Nagy. Hazuki Yoshida Tenor 1. Patrick Maria Kühn. Martin Rysanek. Yo Sato. August Schram. Wolfram Wagner Tenor 2. Josef Baumgartner. Makoto Fujimoto. Daniel Ottischnig. Johann Pichler Tenor 3. Sean Michael Azucena. Anton Eckhardt. Oskar Gigele. Christoph Leitl. Robert Schönherr Bass 1. Guillaume Fauchère. Hannes Höfenstock. Gerasim Mangurov. Rainald Padlewski. Marko Traikowsky Bass 2. Andreas Egger. Jörg Espenkott. Peter Lukan. Kerem Sezem. Joachim Unger Bass 3. Akos Banlaky. Gebhard Heegmann. Michael Hiller. Kurt Georg Hooß. Clemens Kölbl. Apostol Milenkov. Karl Vsedni

Zeitschatten. Eine Zeitreise mit sieben Dioramen. Ausstellende Künstler. Barbara Graf. Markus Guschelbauer. Iris Kohlweiss. Leo Peschta. Lea Titz. Vesna Tusek. Natalia Weiss Dioramen. Cornelius Burkert Kuratorinnen. Isabelle Gustorff. Kristine Tornquist

Produktion. Jury Everhartz Eine Produktion des sirene Operntheaters für die Universität Wien
Einen schweren Marmor mit großer Gewalt fortheben. Angestemmt, arbeitet’ er stark mit Händen und Füßen, Ihn von der Au aufwälzend zum Berge. Doch glaubt’ er ihn jetzo Auf den Gipfel zu drehn, da mit einmal stürzte die Last um; Hurtig mit Donnergepolter entrollte der tückische Marmor. Und von vorn arbeitet’ er, angestemmt, daß der Angstschweiß Seinen Gliedern entfloß und Staub sein Antlitz umwölkte.
Homer, Odyssee, deutsch von Johann Heinrich Voss

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