„SINGEN IST EINE SEHR INTIME ANGELEGENHEIT” – CHRISTOH IM MICA-INTERVIEW

Man kennt ihn unter anderem als Support-Act von HOZIER im Konzerthaus und von seiner ehemaligen Band GOSPEL DATING SERVICE. Seit 2019 ist CHRISTOPH ERTL solo als CHRISTOH unterwegs. Im Oktober 2021 wird sein Debüt-Album „Heavy Heart“ erscheinen. Clemens Engert sprach mit dem Musiker und Produzenten über die Zurschaustellung der eigenen Person, die Magie von Kollaborationen und die hohe Kunst des stimmlichen Ausdrucks. 

Im Text deiner neuen Single „Your Stage“ singst du die Zeile “Sucked up fucked up faces, sometimes I felt related” – wie ist das gemeint?

Christoh: Ich habe einfach mal darüber nachgedacht, was ich in den letzten Jahren so erlebt habe. Die Nummer handelt von dieser Zeit und davon, wie es sich anfühlt, sich als Künstler zu präsentieren. Die Zeile Sucked up fucked up faces, sometimes I felt related” steht sinngemäß für die Entblößung und Zurschaustellung der eigenen Person und den ständigen Kampf, seinem eigenen Weg treu zu bleiben und – vor allem – sich selbst zu vertrauen.

Der Song ist gänzlich in Berlin entstanden.  

Christoh: Ja, ich war von September bis Dezember 2020 dort – einerseits für Songwriting- bzw. Production-Sessions mit anderen Künstlerinnen und Künstlern, andererseits wollte ich mir ganz konkret Zeit nehmen, um Musik für mein Album zu schreiben. Es war eine sehr spannende Erfahrung und hat mir durchaus geholfen, mein Leben einmal aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Dieses Setting war sehr inspirierend für den Schreibprozess von Your Stage.

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Neben deinen elektronischeren Stücken hast du in der Vergangenheit auch gerne alleine am Klavier performt. Welche Seite von Christoh wird man auf deinem Album zu hören bekommen? 

Christoh: Das Album wird tatsächlich eher die elektronische Seite thematisieren und zeigen. Das Element Klavier spielt aber auch auf dem Album in sehr vielen Songs eine ganz wesentliche Rolle. Außerdem arbeite ich derzeit auch schon wieder an reinen Piano-Nummern – aber das sei nur so als kleiner Spoiler am Rande erwähnt.

Man kennt dich auch noch als ehemaliges Mitglied der Trip-Pop-Band Gospel Dating Service. Wie hat sich deine Herangehensweise an die Musik geändert, seit du als Solokünstler tätig bist?  

Christoh: Früher ist viel im Proberaum entstanden, beim gemeinsamen Spielen. Nun ist das etwas anders. Da ich ja nun solo unterwegs bin, habe ich die Möglichkeit, mit vielen verschiedenen Musikerinnen und Musikern zu schreiben, was ich wirklich sehr genieße. Ich habe auf meinem Album acht Feature-Gäste – allesamt wunderbare Musikerinnen und Musiker – und ich fühle mich geehrt, so viele tolle Gäste am Album zu haben.

Du produzierst und mischst deine Songs auch selber. Ist es dir wichtig, jeden Teil des Produktionsprozesses selbst zu kontrollieren?  

Christoh: Dass ich es selbst produzieren werde, war mir eigentlich von Anfang an klar. Nach und nach wurde mir aber auch bewusst, dass es auch nötig ist, die Songs selbst zu mischen, um mich kreativ noch unmittelbarer ausdrücken zu können. Natürlich lasse ich aber auch Einflüsse von außen zu – alleine schon durch die verschiedenen Songwriting-Sessions mit anderen Künstlerinnen und Künstlern. Und auch, was Mixing anbelangt habe ich ein paar vertraute Personen, von denen ich mir regelmäßig Feedback einhole.

Ich denke nicht, dass ich ein Künstler bin, der ab einem gewissen Punkt immer nur Songs oder Produktionen nach Schema F machen wird.

Deine stimmlichen Fähigkeiten sind wirklich eindrucksvoll. Hast du viel an deinem Gesang gearbeitet oder wurde dir dieses Talent quasi in die Wiege gelegt? 

Christoh: Ich singe, seit ich denken kann, und ab meinem 13. Lebensjahr war ich Sänger in diversen Bands. Außerdem habe ich ein Jahr Gesang studiert und mehrere private Lehrer gehabt. Also ja, ich habe schon sehr viel an meiner Stimme gearbeitet. Ich bin grundsätzlich der Meinung: Von nichts kommt nichts!

Du hast in der Vergangenheit auch selbst Vocal-Workshops geleitet. Was ist der wichtigste Rat, den du angehenden Sängerinnen und Sängern mit auf den Weg geben kannst? 

Christoh: Sei geduldig mit dir selbst. Jeder und jede hat einmal irgendwo angefangen. Erwarte nicht, dass du immer perfekt singen wirst, wenn du nicht regelmäßig daran arbeitest. Singen ist eine sehr intime Angelegenheit und hängt meiner Meinung nach noch viel mehr mit dem eigenen Körperbewusstsein zusammen als andere Instrumente. Es ist wichtig, die richtige Balance zwischen Technik und Gefühl zu finden. Das versuche ich, auch den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Vocal-Workshops so gut es geht zu vermitteln.

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Welche Künstlerinnen und Künstler haben dich im Zuge deiner musikalischen Sozialisation am meisten inspiriert?

Christoh: Puh, das sind viel zu viele, um alle aufzuzählen. Die Künstlerinnen und Künstler, die mich in den letzten Jahren wahrscheinlich am meisten inspiriert haben, sind wohl Childish Gambino, Anderson .Paak und Tyler, The Creator. Ich liebe es einfach, wenn der Kreativität keine Grenzen gesetzt sind.

Was ist dir persönlich als Künstler wichtiger – Innovation oder Authentizität?

Christoh: Ganz klar Innovation UND Authentizität. Ich denke nicht, dass ich ein Künstler bin, der ab einem gewissen Punkt immer nur Songs oder Produktionen nach Schema F machen wird. Das wäre mir ehrlich gesagt auch viel zu langweilig und ich denke auch nicht, dass die Leute so etwas von mir erwarten. Ich habe noch sehr viele Ideen, die ich umsetzen möchte.

Du bist auch als Produzent für andere Acts tätig und betreibst die Fiakka Studios in Wien. Was reizt dich an der Zusammenarbeit mit anderen Künstlerinnen und Künstlern?

Christoh: Das gemeinsame Erschaffen von Musik im Allgemeinen ist meine größte Leidenschaft. Dieser Leidenschaft mit den unterschiedlichsten Menschen gemeinsam nachgehen zu können, ist einfach wunderbar. Man begibt sich auf eine gemeinsame Reise und lernt dabei sein Gegenüber auf eine ganz einzigartige und in den meisten Fällen sehr tiefe Art und Weise kennen. Das finde ich am spannendsten. 

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Clemens Engert

 

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