„Schweine im Weltall. 1. Auflage gut.“ – WENZL DNATEK im mica-Interview

WENZL DNATEK ist zuerst zum Duo, dann zum Trio gewachsen und besteht heute aus dem Saxofonisten WERNER ZANGERLE sowie der BULBUL-Rhythmusfraktion DIDI KERN (Schlagzeug) und DERHUNT (Bass).

Benannt nach dem legendären Ö1-Radiosprecher Josef Wenzel Hnatek werkt Wenzl Dnatek seit 2008 in eigenen Planetenbahnen nach eigenen Gesetzen, um sie im selben Moment schmunzelnd krachen zu lassen. Der Saxofonist Werner Zangerle und die Rhythmusgruppe von Bulbul, namentlich Didi Kern (Schlagzeug) und derhunt (Bass), legen mit ihrem Debüt „hug box“ (Listen Closely) ein Werk zwischen charmanten Beuschelreißern, gandenlosem Experiment und geschmeidigen Verschiebungen vor. Grund genug also für ein Gespräch mit Zangerle (Braaz, Trio Zavocc, Sweet & Lovely, Valina) und Kern (Fuckhead, Wipeout, im Duo mit Philipp Quehenberger und nunmehr einmal im Monat Gestalter der Musikschiene im Wiener Club Celeste). Clemens Marschall stellte die Fragen.

Fand der erste Wenzl-Dnatek-Gig im Rahmen von Hotel Pupik 2008 statt, damals noch als Josef Wenzl Dnatek Duo?

Didi Kern: Ja… nein… doch, schon! Im Hackstadl, dort war unser erstes Konzert. Ich glaub, als Josef Wenzl Dnatek Duo waren wir nur dieses eine Mal angekündigt, weil derhunt dort die Geschichte vom Josef Wenzel Hnatek erzählt hat. Die waren gleich so begeistert, dass sie den ganzen Namen abgedruckt haben.

Böse gefragt: War der Rhythmusgruppe von Bulbul fad und hat sie deswegen ohne ihren Gitarristen und Länger Raumschiff Engelmayr musiziert?

Didi Kern: Nein, im Gegenteil, eigentlich aus der Not heraus, weil der Herr Raumschiff einmal keine Zeit gehabt hat. Dann sind wir zwei übriggeblieben und haben noch einmal bei einer Feier von Rhizom – das ist ein angenehm wildes Künstlerkollektiv – in Graz gespielt, und zwar in einer Fußgängerzone in einem kleinen Geschäftslokal. Am Schluss haben wir mit allen eine Polonaise durch die Fußgängerzone gemacht: mit Tschinellen und Umhängeverstärker [lacht]. Wir haben also ein paar Duokonzerte gespielt, aber uns ist damit relativ schnell fad geworden, das hat nirgends hingeführt. Immer nur Rhythmus-Ausflipperei. Es hat dann latent einen Studiotermin gegeben, und im Zuge dessen wollten wir wen mitnehmen. Ohne große Ausschweifungen oder Überlegungen ist dann die Wahl gleich einmal auf den Herrn Zangerle gefallen.

Werner Zangerle: Wann unser erster Gig zu dritt war … das wüsste ich jetzt gar nicht. Aber es war sicher sehr schön [lacht].

Didi Kern: Ich steh auch grad völlig auf der Seife. Im Blue Tomato vielleicht? Da haben wir unsere größten Erfolge gefeiert.

Ich kann mich erinnern, im Blue Tomato wurden Sie mit diesem obskuren Pressetext angekündigt: „Schweine im Weltall. Streiflichter eines Raumfluges in Tondokumenten. Besatzung: Zangerle, Rathmair, Kern. Dem Alter entsprechender guter sauberer Zustand. Hülle etwas geknickt. 1. Auflage gut. 30 Minuten, 4x2m, 280kg broschiert.“ Wer hat das geschrieben?

Didi Kern: Wenn das nicht auch irgendetwas mit Herrn Josef Wenzel Hnatek zu tun gehabt hat … Das könnte sein erster Wikipedia-Eintrag gewesen sein. Ich glaube, da ist nichts gestanden außer eben so einer Beschreibung.

„Wenn jeder zuständig ist, ist keiner zuständig.“

2012 ist Wenzl Dnatek dann ins Studio gegangen. Aufgenommen wurde in zwei Tagen, aber dann hat es zwei Jahre gedauert, bis das Material rausgekommen ist. Wieso diese Diskrepanz?

Werner Zangerle: Zwei Jahre? Ich glaube, es war eins.

Didi Kern: Vielleicht hat es zwei Jahre gedauert, bis es die Welt mitgekriegt hat, aber ich glaube, es hat nur eins gebraucht, bis es heraußen war.

Bild Wenzl Dnatek
Wenzl Dnatek (c) Alternativa Festival Prag

Werner Zangerle: Ich glaube der Prozess, dass die Welt das Album mitkriegt, dauert noch immer an. Aber nein, im Ernst, warum es solange gedauert hat: Wenn jeder zuständig ist, ist auch keiner zuständig. Das war das Problem, dass jeder geglaubt hat, dass der andere was macht – so war es aber nicht.

Didi Kern: Es hat schon relativ schnell einen Pool von Nummern aus den Aufnahmen gegeben, wo wir gesagt haben, was passt und was nicht. Nur die Treffen festzulegen und gemeinsam Entscheidungen zu treffen hat dann noch einmal so lange gedauert. Aber als das Cover fertig war, ist es auf einmal schnell gegangen.

Haben Sie sich etwas ausgemacht, bevor Sie ins Studio gegangen sind?

Didi Kern: Dass der Werner mitspielt, haben wir uns ausgemacht [lacht]. Am ersten Tag waren wir noch ein bisschen laut und übermotiviert. Das meiste ist also von der zweiten Session gekommen, da ist plötzlich alles wie geschmiert gelaufen. Es hat ein bisschen gedauert, bis die Bude gestanden ist, weil das Studio damals auch erst im Entstehen war. Der Ronald von den Sternen hat uns aufgenommen, und Werner Angerer hat uns dann im WUK mit der Mischerei geholfen.

Werner Zangerle: Ein paar Kurzkonzepte haben wir uns im Vorhinein überlegt, von denen es sogar ein paar auf die Platte geschafft haben.


Also improvisiert, aufgenommen und hinterher sinnvoll zerschnitten?

Didi Kern: Ja, aber generell haben wir nicht viel geschnippelt. Es sind eigentlich nur Start- und Endpunkte der Aufnahmen ausgewählt worden.

Wie wichtig ist es für Sie, ins Studio zu gehen und aufzunehmen? Oder geht es Ihnen eher um die Live-Energie bei den Gigs?

Didi Kern: Eigentlich schon mehr um die Live-Energie. Ich träum immer von guten Live-Mitschnitten, weil da schon im Normalfall die Energie zu Hause ist und Sachen passieren. Im Studio passiert zwar auch was, aber anders.

Werner Zangerle: Bei dieser Band finde ich den Unterschied jetzt gar nicht so groß, aber live gibt’s eine andere Spannung. Der Prozess, dass man einfach in ein Studio geht und dort frei spielt, da ein Album herausdestilliert und gut verpackt – das hat schon was.

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Das Album heißt „hug box“, aber es klingt weder so, noch schaut es so aus.

Werner Zangerle: Es schaut ziemlich genau so aus wie eine Hug Box. Die Wissenschaftlerin Temple Grandin, eine Autistin, hat ihre PhD-Thesis darüber geschrieben, wie man Rinder möglichst artgerecht zur Schlachtung führt. Sie kann sich unglaublich gut in Tiere hineinfühlen und sich vorstellen, wie sie möglichst stressfrei dorthin kommen, bis es dann zack macht. Sie hat selbst ziemliche Probleme mit körperlicher Nähe, ist aber irgendwann draufgekommen, dass sie es eigentlich mag, wenn sie ein bisschen eingequetscht wird, also „gesqueezt“. Und für Rinder gibt es eine „Squeeze Box“, wo das Rind eingeklemmt wird, so dass man bei den Füßen was machen kann …

Didi Kern: … oder ein Brandzeichen, damit man es nicht „lassoisieren“ muss. Das Rind geht durch die „Squeeze Box“ durch, wird ein bisschen zusammengezwickt, damit es nicht aus kann…

Werner Zangerle: … und Temple Grandin hat dann eine „Squeeze Box“ für sich selbst adaptiert, mit Hydraulik links und rechts bei ihrer Matratze: Das drückt sie dann soweit zusammen, bis es sich für sie gut anfühlt. Das ist also die „Hug Box“. Es gibt auf dem Album auch ein Lied namens „Hug Box“, wo wir ein bisschen autistisch nebeneinander herspielen, aber das Resultat ist dann trotzdem gut. Da sind wir auf diesen Themenkomplex gekommen.

Okay, so macht das alles schon mehr Sinn.

Didi Kern: Das weiß natürlich keiner, aber vielleicht ist es gut, wenn das jetzt mal draußen ist. Und auf dem Cover ist eine stilisierte Rinder-Hug-Box, wie sie heutzutage vielleicht noch verrostet auf irgendwelchen Farmen herumsteht. Das hat Theresa Eipeldauer gestaltet.

„Ich spachtle ungern an meinem Saxofon herum.“

Proben Sie vor einem Gig oder gehen Sie einfach auf die Bühne und spielen drauflos?

Didi Kern: Als Werner dazukam, haben wir uns zwei-, dreimal getroffen. Das waren die einzigen Proben, die wir gehabt haben, und das war eher so zum Gusto holen.

Werner Zangerle: Und vor einem Gig machen wir uns nur bedingt etwas aus. Wir schauen und hören lieber beim Spielen aufeinander.

Teilweise manipulieren Sie Ihre Instrumente so, dass nur mehr schwer zu erhören ist, woher ein Sound eigentlich kommt: also Ketten am Schlagzeug, Spachteln am Bass, Stecken …

Didi Kern: Die Rhythmusgruppe hat schon viel präpariert. Manchmal verwenden alles, was so herumliegt, und bauen es ein. Aber das Saxophon ist eigentlich gar nicht präpariert, Werner macht die ganzen schrägen Sachen mit dem Mund.

Werner Zangerle: Ich spachtle ungern an meinem Saxophon herum [lacht]. Ich hab mich auch nie so viel mit Präparation auseinandergesetzt. Man steckt als Saxofonist so viel Zeit in das Instrument, damit man endlich einen guten Sound bekommt. Mir würde es leid tun, das dann durch einen Soundfleischwolf zu drehen.

Warum war es in letzter Zeit eher still um Wenzl Dnatek?

Werner Zangerle: Weil jeder zuständig ist. [lacht] Aber es geht jetzt definitiv wieder weiter.

Didi Kern: Ich glaube, weil mit Bulbul letztes Jahr relativ viel los war, Konzerte, eine Platte … Als Raumschiff Engelmayr Vater geworden ist und er das Musikalische aufs Notwendigste reduziert hat, haben wir viel mit Wenzl Dnatek gemacht. Für uns wären aber jetzt ein paar Konzerte mehr und Live-Mitschnitte super. Wir müssen nur schauen, dass sich einer von uns dreien wieder ein bisschen mehr zuständig fühlt als die anderen.

Clemens Marschall
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Wenzl Dnatek