Salzburg hat neue “Festspiele” für die neue Musik – Das erste Wochenende der Salzburg Biennale verlief außergewöhnlich erfolgreich.

Leiter des Teams (Geschäftsführer: Wolfgang Laubichler) und Programm-Macher der Salzburg Biennale ist bekanntlich federführend Hans Landesmann. Das erste Wochenende (Schauplätze: Solitär, Universität und Großer Saal im Mozarteum) brachte Begegnungen vor allem mit Beat Furrer (auch als Dirigent des formidablen Ensemble Contrechamps plus Chor und tollen Solisten), ferner mit György Kurtág und Mauricio Sotelo. Dessen Stück “Audeéis” verwob aufregend und wirklich neu eine Komposition für Streichquartett mit cante jondo-Gesang des Flamenco-Sängers Arcángel.  Zwei Konzerte galten separat Flamenco vom Feinsten.  
Einmal in Form des schwärzesten Flamenco-Gesangs, eben dem uralten cante jondo, dargeboten vom Sänger Arcángel und seinem Ensemble, das zweite Mal von der Flamencotänzerin Fuensanta “La Moneta”, zwei hervorragenden Gitarristen und drei Sängern, die die Tänzerin von zur Schau getragener äußerster Ruhe zu schierer Explosivität anstacheln konnten.

In den SN von heute bezeichnet Karl Harb dieses erste Wochenende als “überzeugenden Erfolg in der Qualität des Programms und beim Publikum (.) Beat Furer und Cante Jondo und Flamenco mit insgesamt sieben Konzerten wurden vom Publikum mit nachhaltiger Begeisterung aufgenommen. Das betraf nicht nur die populäreren Aspekte des Programms, sondern auch speziellere, vielleicht sprödere Angebote wie den Abend des stadler quartetts im vollen Solitär der Universität Mozarteum oder den intensiven Abschluss, zu dem Beat Furrer eigene Werke und zwei famose, aufwändig in den ganzen Raum projizierte Kompositionen von György Kurtág dirigierte (.) Wie es in der Klassik zwischen Karajan und Harnoncourt Unterschiede gibt: Wo lägen diese in den Darbietungen des Cante Jondo? Dem Gefühl nach haben Fuensanta und ihr Ensemble die pure, erdige Karft des Flamenco repräsentiert: ,Gefährliche’ Ruhe entlädt sich rapid als Explosion. Selbst unter ,Kunstbedingungen’, im Großen Studio des Mozarteums, musste man mitgerissen sein. Spätestens da war jedes Eis gebrochen, das Publikum im doppelten Sinn ,aufgesprungen’: auf die Biennale und von den Sitzen. Das nächste Wochenende bietet Steve Reich und Gamelanmusik aus Bali – wir warten gespannt.”

 
Institut für Neue Musik am Mozarteum

Nicht vergessen werden soll auch auf das zweiteilige Konzert mit PreisträgerInnen des Interpretationswettbewerbes des 2006 gegründeten Instituts für Neue Musik mit Studierenden der Universität Mozarteum aus aller Welt, dann vor allem  mit faszinierender Vokalmusik von Giacinto Scelsi, Sylvano Bussotti, Younghi Pagh-Paan, Sandeep Baghwati und Steve Reich, bei dem auch die drei Preisträger des diesjährigen Kompositionswettbewerbs zu verdienten Aufführungsehren kamen. In der Jury waren Friedrich Cerha und Gerd Kühr und gesungen und gespielt (!) wurden vom Vokalensemble “vocal arts” Stuttgart Werke von Silvia Rosani (“La nube e Issione” für Vokalquintett, die Vertonung eines Textes von Cesare Pavese über das erste Verbrechen an der Natur in der griechischen Mythologie), Amr Okba (“Adid”, eine Komposition der traditionellen ägyptischen Totenklage Nadaba, an deren Ende die von Frauen bejammerte scheinbar Tote lachend und singend aufstehen darf) und Marios Joannou Elia (“Tempus tantum nostrum est”. Als Anregung für die Komposition diente diesem die ,Fataldemonstration’ der Motorradfahrer in Zypern, bei denen zwei Motorräder der Marke Harley Davidson als musikalisches und theatralisches Element akustisch integriert werden).

Die drei Preisträger waren sämtlich einst oder heute noch Studierende des Mozarteums; eine Italienerin, ein Ägypter, ein Grieche, die versuchten, in oft ungewohnter, neu erlebbarer und doch an die Traditionen anknüpfender Art und Weise zu komponieren. Zu deren Uraufführungen, so das Programmheft des Instituts und der Biennale, “. kommen Stücke von großen Klangerforschern des 20. Jahrhunderts und des indischen Komponisten Sandeep Bhagwati. Die Überschreitung von Grenzen und das Verbinden musikalischer Welten stehen im Mittelpunkt zeitgenössischer vokaler Virtuosität.” Ganz hervorragend die sieben Sänger-SolistInnen, geleitet von Angelika Luz.

 
Ausstellung “Neue Musik in Salzburg” 1922-2009

Im Foyer der Universität Mozarteum gibt es die von der IG Komponisten – IGNM Salzburg in Kooperation mit der Salzburg Biennale zusammengestellte Ausstellung mit “Initiativen-Uraufführungen-Komponisten” noch bis 29.3.2009 zu sehen.

Die erste der Klangaktionen Salzburger Komponisten, jeweils Samstag, 16.00 Uhr fand am 7. März statt. Gespielt vom ensemble acrobat wurden Stücke von Wolfgang Danzmayr (“Friedrich Hölderlins Traum vom Turm” für Oboe solo, 1999), Alexander Müllenbach (“Darkness” für Ensemble, 2008), Klemens Vereno “Drei Klangbilder für Ensemble, 2009) und Stefan David Hummel (“Soul & Light” für Ensemble, 2008). Weitere solche “Klangaktionen wird des am /14./21./28. März geben.

Neue Furrer-CD bei KAIROS

Im Anschluss an das wirklich fulminante abschließende Konzert am Sonntagvormittag im Großen Saal des Mozarteums, bei dem Beat Furrer eigene Werke sowie solche von György Kurtàg (“Quasi una fantasia” für Klavier und im Raum verteilte Instrumentengruppen und “What ist the word” für Alt, im Raum verteilte Chorstimmen und Ensemble) fulminant leitete, luden Peter Oswald (Kairos) und das Musikhaus Katholnigg ins Foyer zur CD-Präsentation mit Werken Furrers und vorangehendem Gespräch mit diesem. Die CD enthält u. a. das Konzert für Klavier und Orchester (2007), das soeben (wieder mit Nicolas Hodges als Solist) als Schlusspunkt des Programms verklungen war.

 
Einen bedeutenden Stellenwert hat bei Beat Furrer die Auseinandersetzung mit der menschlichen Stimme und mit der Sprache. In “Xenos” (2008) etwa, dem jüngsten Ensemblewerk, das beim Konzert zu hören war, verarbeitet er die Eindrücke vom einstimmigen Gesang der Imame, wie er ihn in einer Moschee zu Istanbul erlebt hat. Man hörte im Mozarteum auch die Szene VI aus dem Musiktheater “Fama” für Stimme (Isabelle Menke) und Kontrabassflöte (grandios spielend: ein weibliches Ensemblemitglied bei contrechamps, auf der CD ist das Stück ebenfalls: Eva Furrer).
Im Dialog zwischen Instrument und Stimme wird der Monolog Fräulein Elses (Schnitzler-Novelle) auch im Ungesagten, Unartikulierten zum Gegenstand der Musik.

Das Konzert für Klavier und Orchester (auf der CD  ebenfalls Nicolas Hodges mit dem WDR Sinfonieorchester Köln unter Peter Rundel) schließlich ist ein immens energetisches Spiel zwischen dem Klavier und der Klanglichkeit des immer wieder auch solistisch agierenden Orchesters (inklusive einem “Schattenklavier”, das am Ende die Musik abschließt, da das Soloklavier in einem “gläsernen Loop” der höchsten Tasten erstarrt). Weiters auf der CD: “invocation VI” für Sopran und Bassflöte, “lotófagos” für Sopran und Kontrabass (Uli Fussenegger),  “retour an dich” für Klaviertrio und “spur” für Klavier und Streichquartett. Das letztgenannte Werk war auch im Konzert tags zuvor mit dem hervorragenden stadler quartett und Hsin-Huei Huang (Klavier) sehr eindrucksvoll aufgeführt worden – mit Sotelo und Nono (“Fragmente – Stille, An Diotima”) war das ein so intensiver Abend, dass man sich fast schwer tat, anschließend auch noch den Flamenco-Tanzabend zu rezipieren.

Heinz Rögl