Wissenswertes zum Themenbereich Fair Pay und Mindesthonorarempfehlungen für den Musikbereich: Fairness Prozess, Fair Pay Konzept, Fair Pay Strategie, Fokusgruppe Fair Pay, Fair Pay Gap, Forum Fairness, Fairpay, Honorarrichtlinien, Honorarsätze, Mindesthonorare, Mindeststandards. Wie hoch ist die Gage für Musiker? Wie viel verdient man als Musiker pro Konzert? Wie viel kostet Musikunterricht? Wenn nach Durchsicht noch Fragen offen bleiben, beantworten wir diese gerne persönlich.
Mindesthonorarempfehlungen für den Musikbereich in Österreich der IG Freie Musikschaffende (IGFM), der Musikergilde, des Österreichischer Gewerkschaftsbund/younion und der Austrian Composers Association.
English Version: Minimum fee recommendations and collective agreements in the music sector
Dieser Artikel wurde anlässlich der Fair Pay-Strategie der Stadt Wien im Kulturbereich erstellt, und anlässlich der im aktuellen Regierungsprogramm vorgesehenen Kulturstrategie „Fair Pay“ überarbeitet. Er enthält einen Überblick über verschiedene Honorarempfehlungen aus dem Musikbereich sowie zu Vergleichszwecken Verweise auf Kollektivverträge und Beispiele für Mindestlöhne.
In Teilbereichen des Musiklebens existieren kollektivvertragliche Regelungen. So haben etwa die großen Orchester in den Bundesländern, aber auch das Staatsopernorchester oder die Vereinigten Bühnen Wien Kollektivverträge. Auch der Veranstalterverband hat mit dem Österreichischen Gewerkschaftsbund/younion einen Kollektivvertrag für seine Mitglieder abgeschlossen.
Für die freischaffenden Komponistinnen/Komponisten und Musikerinnen/Musiker haben die jeweiligen Interessenvertretungen Mindesthonorarempfehlungen entwickelt.
In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass die EU im Jahr 2021 eine Konsultation angestoßen hat, die darauf abzielt, Solo-Selbständigen kollektives Verhandeln zu ermöglichen.
Der vorliegende Überblick über Honorarempfehlungen wurde jedenfalls als Hilfestellung für Fördereinreichungen veröffentlicht. Zielgruppe sind Einreichende sowie Fördergremien.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es in der Verantwortung der Auftraggeberinnen und Auftraggebern liegt, festzustellen, ob eine anstellungspflichtige Tätigkeit vorliegt oder nicht. In diesem Fall wäre möglicherweise ein Kollektivvertrag anzuwenden.
In Österreich gibt es mehrere Berufsverbände, die Mindesthonorarempfehlungen entwickelt haben, unter anderem die Austrian Composers Union (ehemals Österreichischer Komponistenbund) und die Musikergilde. In die Entwicklung dieser Empfehlungen ist auch der Österreichische Gewerkschaftsbund/younion involviert. Die Austrian Composers Association hat ihre Empfehlungen aus Anlass der Fair Pay-Strategie für diesen Artikel zur Verfügung gestellt.
Im Sommer 2020 hat sich die IG Freie Musikschaffende gegründet, die ebenfalls aus Anlass der Fair Pay-Strategie speziell für den freien Orchesterbereich und den freien Instrumentalunterricht Empfehlungen entwickelt hat, die sich an Kollektivverträge anlehnen.
Der Honoraranspruch von Musikschaffenden ergibt sich aus den zwischen ihnen und ihren Auftraggeberinnen und Auftraggebern getroffenen Vereinbarungen. Diese sollten schriftlich getroffen werden. Falls eine schriftliche Vereinbarung nicht vorliegt, wird trotzdem vorbehaltlich etwaiger anzuwendender gesetzlicher Regelungen eine angemessene Entlohnung geschuldet und zwar gemäß den beiden Paragraphen 1004 und 1152 des ABGB: „Wird für die Besorgung eines fremden Geschäftes entweder ausdrücklich, oder nach dem Stande des Geschäftsträgers auch nur stillschweigend eine Belohnung bedungen, so gehört der Vertrag zu den entgeltlichen (—). Ist im Vertrage kein Entgelt bestimmt und auch nicht Unentgeltlichkeit vereinbart, so gilt ein angemessenes Entgelt als bedungen“.
Die Honorarempfehlungen setzen Leistungen von Musikschaffenden voraus. Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist zu berücksichtigen, ob die Leistungen den Durchschnitt erheblich über- oder unterschreiten.
Gemeint sind hier nur die einzelnen Musikschaffenden und ihre künstlerischen Leistungen sowie ihre Selbstorganisation. Die nachfolgenden Erläuterungen zielen nicht auf Leistungen von Agenturen, Managements oder Ensembleleitungen ab.
Erläuterungen
Wer sich die empfohlenen Mindesthonorare ansieht, könnte zunächst auf den Gedanken kommen, dass ein Honorar von 350 Euro für einen einzigen Auftritt von einer Dauer von ein bis zwei Stunden schon einen satten Stundenlohn darstellt. Sieht man jedoch etwas genauer hin, ist rasch ersichtlich, dass der Arbeitsaufwand, um überhaupt an Auftritte zu kommen, um ein Vielfaches höher als die reine Dauer des Konzerts ist. Wir möchten hier ein paar Beispiele anführen, um zu erläutern, welche zusätzlichen Tätigkeiten Musikschaffende in ihrem Arbeitsalltag erfüllen müssen und so aufzeigen, dass der tatsächliche Stundenlohn wesentlich mehr Arbeitsstunden abdecken muss, als nur die Zeit für die Aufführung.
Freie Musikschaffende verfügen nicht über eine Anstellung und in den meisten Fällen auch nicht über regelmäßige Einnahmen durch regelmäßige Auftritte. Das bedeutet, dass zur musikalischen Tätigkeit auch die Arbeit erbracht werden muss, sich um Aufträge zu kümmern – etwa Netzwerkarbeit, die zeitaufwendig und nicht von vornherein mit Erfolg gekrönt ist. Zusätzlich muss man sich auch um Notwendigkeiten wie Versicherung, Buchhaltung und diverse organisatorische Tätigkeiten kümmern, die oft einen nicht unwesentlichen Teil der Arbeit ausmachen. Weitere Kosten, die durch die Honorare abgedeckt werden müssen, bestehen in der Anschaffung der teilweise sehr teuren Instrumente und des technischen Equipments, Übungs- bzw. Proberäume müssen von freischaffenden Musikerinnen und Musikern selbst angemietet, Noten angeschafft werden etc.
Nun aber zu den tatsächlich musikalischen Tätigkeiten, deren Ausmaß für ein Konzert von Fall zu Fall sehr variieren kann. Egal in welchem Genre man sich bewegt, beginnt die Arbeit dafür bekanntlich nicht mit dem Konzert. Wir möchten hier ein paar Beispiele und die Bedeutung der empfohlenen Honorare kurz erläutern.
Pop/Rock/Elektronik
Bei Popbands wird üblicherweise ausschließlich ein Honorar für den Auftritt verhandelt, das Üben und Proben wird hier vorausgesetzt. Rechnet man für den Auftritt 1,5 Stunden, 1 Stunde für den Soundcheck, 1 Stunde für das Ausladen und den Aufbau des Equipments, wiederum eine halbe Stunde für den Abbau und das Einladen nach dem Konzert und zumindest 2 Stunden für eine Probe im Vorfeld, ergibt sich bei einem Honorar von 350 Euro ein Stundenlohn von unter 60 Euro, der nicht nur vor Abzug von Steuer und Sozialversicherung zu verstehen ist, sondern auch den Aufwand von Administration, Marketing etc. beinhaltet und somit in der Realität deutlich darunter liegt. Musikschaffende sind für einen Auftritt oft zwei bis drei Tage unterwegs, an denen sie auch keine anderen Auftritte spielen können (außer an dem Aufführungsort werden gleich mehrere Konzerte in Folge gespielt). Auch diese Zeiten muss das Honorar abdecken. Die Reise- und Unterkunftskosten an sich sollten natürlich vom Veranstalter übernommen werden. Arbeitet die Band mit einer Booking-Agentur und/oder einem Management zusammen, muss sie von der vereinbarten Gage jeweils ca. 20 Prozent an Agentur und Management abführen. Wenn die Popband nicht nur Coverversionen spielt, sondern selbst neue Songs erarbeitet, muss auch die Zeit dafür eingerechnet werden.
Jazz/World
Die meisten Musikerinnen und Musiker, die im Bereich Jazz/Weltmusik arbeiten, sind auf eine Vielzahl an Projekten angewiesen, um genügend Aufträge für ihr Überleben zu erhalten. Ein mehrmaliges Spielen an einem Ort setzt immer unterschiedliche Programme voraus, um wieder engagiert zu werden. Daraus ergibt sich die Situation, dass die Musikschaffenden ständig und auch parallel unterschiedliche Konzertprogramme einstudieren. Die Vielfalt instrumenteller Fähigkeiten auf unterschiedlichen Instrumenten ist in diesen Genres für die meisten Musikerinnen und Musiker Voraussetzung. Projektorientiertes Arbeiten als Voraussetzung für ständige Sichtbarkeit bedingt als Folge auch vielfältigen musikalischen Output bei gleichzeitig nur geringer Aufführungszahl.
Neue Musik/Klassik
Geht es um Stücke im Bereich der klassischen oder Neuen Musik, die die Musikerinnen und Musiker noch nicht in ihrem Repertoire haben, ist sowohl das Üben als auch das Proben sehr aufwändig. So kann es sein, dass für ein Stück, das die Beteiligten noch nie zuvor gespielt haben, einige Proben notwendig sind (die auch organisiert werden und zu denen sämtliche Musikschaffende vor Ort sein sollten). Für Stücke der Neuen Musik kann es zudem notwendig sein, dass neue Spieltechniken erlernt und eingeübt werden müssen, was einen bedeutenden Mehraufwand beim Üben darstellt, der durch das Honorar abgedeckt werden muss. Auch die Proben sollten entgeltlich stattfinden. Ein Probendienst dauert üblicherweise drei Stunden und inkludiert eine Pause.
Nach dem angegebenen Satz ergibt das beispielsweise bei einer Aufführung und drei Proben ein Honorar von 470,80 Euro. Bei einem Aufwand von 9 Stunden für Proben und 2 Stunden für den Auftritt, ergibt sich ein Brutto-Stundenlohn von 42,80 Euro, wovon nach Abzug von Steuer und Sozialversicherung rund 50 Prozent und damit ca. 21 Euro übrigbleiben. Rechnet man allerdings auch noch den Zeitaufwand für das Üben, Administration, Instrumentenkauf etc. ein, liegt dieser Stundenlohn noch um einiges darunter. Als weiterer Aspekt ist zu beachten, dass viele neue Werke aus diversen Gründen oft nur eine einzige oder wenige Aufführungen erleben. Ins Repertoire hingegen schaffen es viele Werke nicht. Bedenkt man weiters, dass Musikschaffende von der Auftragslage abhängig sind und sich die Proben und Aufführungen der unterschiedlichen Ensembles, Orchester etc., in denen eine einzelne Musikerin bzw. ein einzelner Musiker tätig sein muss, nicht überschneiden dürfen, so lässt sich erahnen, dass es selbst bei Einhaltung der Honoraruntergrenzen für Musikschaffende nicht einfach ist, ihren Lebensunterhalt davon zu bestreiten. Dass diese Honoraruntergrenzen oft weit unterschritten werden, macht deutlich, warum zahlreiche Musikschaffende selbst bei guter Auftragslage und zeitlicher Auslastung unter teils äußerst prekären Bedingungen leben.