Porträt WIENER BLOND – Dialekt Rap, Groovekabarett

Es weht ein frischer Wind auf österreichs Bühnen! Wer meint, dass zwei Sänger alleine noch keine Band sind, und wer glaubt, dass Popularmusik aus Austria immer Austropop sein muss, wird ab sofort eines Besseren belehrt. Wiener Blond grooven, boxen ihre Beats, singen sich ihr verstaubtes „goldenes Wiener Herz“ von der Seele, dass es nur so eine Freude ist.

Der Hang zur Tradition ist vor allem sprachlich nicht zu überhören: Es wird gerapt, “g’schead gelabert”, gedudelt aber auch wangengetrommelt und sitzgetanzt (beliebte neue Disziplin auf den Brettern, die die Welt bedeuten). Musikalisch jedoch erweitert das Duo die Grenzen des Wienerliedes nach österreichischer Manier „bis in stratosphärische Höhen“ (Zitat: Dr. Harald Huber, u.a. Begründer des Instituts für Popularmusik der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien) und lässt sich dabei auf der Bühne nicht anmerken, dass A-cappella-singen zu zweit durchaus eine leistungssportliche Angelegenheit sein kann. Noch dazu wenn ein Looper gekonnt bedient wird, was jedem Musiker, der den heiklen Umgang mit so einer Zaubermaschine kennt  (Verzögerung der Pedale muss “time”-technisch miteinbezogen werden), ehrlichen Respekt abnötigt.

Eigentlich könnte man Wiener Blond ja als Casting-Band bezeichnen. Der gemeinsame Gesangslehrer hatte im Frühjahr 2012 erkannt, dass die Fusion der Talente Verena Doubliers und Sebastian Radons und ihre Erfahrungen auf mehreren künstlerischen Ebenen große Früchte hervorbringen könnte. Und er sollte Recht behalten. Die erste Zusammenkunft der beiden Ausnahmetexter und Großstadtmusiker war noch etwas verhalten, doch sehr schnell haben sich beide aufeinander eingrooven und eine gemeinsame Schmäh-Welle finden können, auf der sie jetzt unaufhaltsam dahin reiten und im Stande sind, große Hallen zum Kochen zu bringen. Wir werden das sicher in Zukunft hören, sobald sich unter klugen Veranstaltern herumgesprochen hat,  was für ein musikalischer Schatz den jungen Profis zu entlocken ist. Sogar die Discokugel dreht da durch!

Erste Kurzauftritte vor großem Publikum wie etwa im Orpheum Wien mit den „Echten“ oder in der Schauspielbar im Kasino am Schwarzenbergplatz haben gezeigt, dass die, hauptsächlich in Umgangssprache gehaltenen, Texte und Melodien von Wiener Blond sehr wohl (auch) massentauglich sind. Und wovon da gerapt wird, geht jeden Wiener, und nicht nur die, etwas an:

Abseits des Kronenzeitungsklaus aus den Sonntagsständern tun sich da neue Ideen der Jugend auf gegen den tristen Alltag des gewöhnlichen Österreichers,  der seinen inneren Wunsch  nach Abenteuer,  Heldentum und Revolution üblicherweise in schadensarme Bahnen lenkt statt eine Bank zu überfallen. Wie wär’s mit wieder einmal schwarzfahren? Was keine besondere Herausforderung  für gute Läufer ist, hebt den Blutdruck eines jeden Schmähführers allerdings in prickelnde Höhen.

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Es den Großen des “Kabaretts” in neuem Gewand gleich zu tun,  danach sehnt man sich seit Hader, Dorfer, Düringer und Co. Wenn man Kategorien wünscht um Neues kurz zu fassen, muss man die  lieber als durchlässige Membrane oder erweiterbare Dominosteine erkennen statt als Schubladen wahrzunehmen. Musik ist eben wandelbar und Verena Doublier und Sebastian Radon bezeichnen ihre treffend als “Groovekabarett”.

Der  (Über-) Mutige würze nicht nur sein herzhaftes, im Pfandl gebratenes “Mörderfrühstück” mit Salz, Pfeffer und “Zwiefe”, er möge sich vom Charme der beiden Newcomer anstecken lassen zu ein bisschen Galgenhumor mit Augenzwinkern. Wieso nicht mit den Worten “Mein Vitamin ist das Cholesterin” demnächst zur Marcoumar Ambulanz antanzen? Spaß ist schließlich die beste Medizin und ein Herz aus Edelmetall hat hierzulande nichts mit pathologischer Verhärtung von selbigem zu tun.

Sich quasi eine Attitude auf die Fahnen zu heften “Freiheit für Cholesterin –  jetzt erst recht!” mit viel Herzblut und fettem Sound meint es vor allem gut für die Seele. Bekanntlich ist die Stunde vor Sonnenaufgang um 5 Uhr früh die dunkelste. Sie mag oft nur durch das von Wiener Blond musik-therapeutisch empfohlene Anschauen und folglich Verinnerlichen der Farben Weiß, Gelb und Schnittlauchgrün erträglich zu werden. Der Song “Eierspeis’” ist wahrlich nichts für Ovo-vegatarier als mehr für Musiker: man erinnere sich an Qualtinger Helmut: “In Wien musst’ erst sterben, bevor’s dich hochleben lassen. Aber dann lebst’ lang!” “Des is Makaber!” Guten Appetit!

Proteingestärkt, auch von  besungenem Döner oder Flucht-Eitriger samt Buckel “vor’m Hamgeh’’ kann es da schon passieren, dass man, nein, nicht auf der Stroke-Abteilung des AKHs, sondern mit seinem “Sound of Austrian Music” in einer “Doku von Dolezal” landet, wenn einen nicht grad der ausbrechende Anninger erwischt. Man darf sich auf jeden Fall noch Großes erwarten vom kabarettistisch-musikalischen Nachwuchs, denn: Blond ist in Wien nicht nur die Semmel allein. Wiener Blond: Groove-Kabarett. Anschauen. Anhören. Staunen. Freuen. Es lebe das Raunzen im geloopten 4/4eltakt!

Nächster Konzerttermin: 4. Juni 2013m Theater am Spittelberg, 1070 Wien

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