Porträt: Werner Kitzmüller

Wenn man den typischen Österreicher mit einem Temperament beschrieben möchte, dann liegt eigentlich nur Eines klar auf der Hand: Der Alpenrepublikaner ist überzeugter Melancholiker. Zwischen Arlberg und Neusiedlersee taucht die Bevölkerung in einen Nebel voll Weltschmerz, Schwermut und Tristesse. Melancholie ist und bleibt ein wichtiger Bestandteil des rot-weiß-roten Naturells und hat ihren Weg mit Selbstverständlichkeit in die heimische Kunstszene gefunden. Dort ist sie nun seit Jahrhunderten verankert, zeigt ihr tiefsinniges Anlitz in der Malerei, Performance, Kleinkunst und Literatur ebenso wie in der Musik. Für Letzteres finden sich in der heimischen Szene viele Vertreter, jedoch nur wenige verstehen die Melancholie in so wunderbares Kleid zu verpacken, wie es der Sing-Songwriter Werner Kitzmüller schon seit Jahren tut.

Den gebürtigen Niederösterreicher hat es ohne Umschweife nach Wien verschlagen, einem Ort wo Granteln und Nörgeln noch zum guten Ton gehören. Die Stadt und deren Zeitgeist als Inspirationsquelle für akustische Glanzstücke. Der Musiker zeigt außergewöhnliche Sensibilität wenn es darum geht, dem traurigen Gemütszustand auf klangliche Weise Ausdruck zu verleihen. Dabei ist nicht die Rede von öder Klimperei auf der Akustikgitarre, untermalt mit seichter Liedtextur, deren Inhalt im schlimmsten Fall auf Hobby-Prosa basiert. Werner Kitzmüller fällt mit seinen Werken definitiv aus dem Rahmen des üblichen Sing-/Songwritertums.

Filigraner Gesang- schön und gut, Verdichtung der Klangoberfläche – allseits bekannt. Das Besondere an den Produktionen Kitzmüllers ist das gewisse Gefühl, welches er sowohl live als auch auf Tonträger zu vermitteln weiß. Es hat den Anschein als würde der Musiker mit jedem einzelnen Klang eine große Geschichte erzählen wollen. Kitzmüller legt seinen Schwerpunkt daher nicht auf das Gesagte, sondern vielmehr ins Timbre, in die Intonation der Stimme sowie in die Instrumentalität, die sich durch einen speziellen Charakter auszuzeichnen vermag. Wie auf dem Debütalbum „Evasion“ (Valeot Records) deutlich zu hören ist, wird willentlich auf akustische Reduktion gesetzt. Schon der Opener mit dem Titel „Motte“ gleicht einem instrumentalen Weitwanderweg, der durch düstere Landschaften umgeben von mysteriösen Soundskulpturen führt. Auf dem Longplayer sind neben gängigen Instrumenten auch Objekte zu hören, deren Ursprung nicht gleich zu erkennen sind. Wer hören möchte, wie ein Kleiderbügel oder ein kaputtes Kinderpiano auf Platte klingen, dem sei das Debüt ans Herz gelegt. Diese und andere Utensilien waren auch Teil einer speziellen Live-Performance, die Anfang 2012 in der Wiener Bawag Contemporary über die Bühne ging. Im Rahmen der Ausstellung „Strictly Private“ untermalte Werner Kitzmüller Fotos und Videoinstallationen der Künstlerin Heidrun Holzfeind mit Klancollagen, die er unter anderem aus den Resonanzen von Plastikrohren, Glasscherben und Zigarettenpackungen zauberte. Die Vielzahl an künstlerischen Gestaltungsmöglichkeiten, treiben den Kreativkopf an. Daher mag es nicht wundern, dass sich Werner Kitzmüller neben der Musik auch anderweitigen Schöpfungen widmet, die unter anderem in der Malerei wie auch in der Stop Motion Technik zum Ausdruck kommen.

Wer glaubt, dass der Künstler mit „Evasion“ die Reise in die die nebulöse Musikwelt erst begonnen hat, der irrt. Schon als Kind sah man den gegenwärtigen Multiinstrumentalisten im Chor trällern. Mit der Pubertät verliefen die Gesangsinteressen und traten erst später wieder zum Vorschein. Im Jahr 1999 begann der Niederösterreicher eigene Lieder zu verfassen, die in den eigenen vier Wänden vertont wurden. Es folgten Soloauftritte sowie die Veröffentlichung der EP „Proximity“ welche auf  Beatismurder erschienen ist. Durch das Label kam er in Kontakt mit der Formation Tupolev und gründete gemeinsam mit den Musikern Alexandr Vatagin und David Schweighart das Werner Kitzmüller Trio, dessen Homebase sich mittlerweile auf Valeot Records verlagert hat, wo man sich neben Formationen im Umfeld von Elektronica, Folk und Postrock gut aufgehoben fühlt. Mit der EP „Just you“ hat das Trio 2009 ein kleines Meisterwerk in Sachen Dark-Ambient geschaffen. Ein Besitz dieser Platte lohnt sich nicht nur wegen der besonderen Art-Work Covergestaltung im Siebdruckverfahren, sondern schon alleine wegen der signifikanten Vokalität des Sängers. Die Rauigkeit der Stimme von Kitzmüller steht dieser Tage in bester Kombination mit den heimischen Witterungsverhältnissen.

Dass sich das Einfangen dieser einzigartigen Düster-Atmosphäre am besten bei einem Live-Auftritt der Musikers empfiehlt, steht außer Frage. Deshalb lädt Werner Kitzmüller am 18. Jänner 2013 ins Einbaumöbel, wo er gemeinsam mit Simon Usaty alias Protestant Work Ethik der Melancholie huldigen wird, welche nicht zuletzt als Mollklang der Seele bezeichnet wird. (bw)

http://kitzmueller.klingt.org/
http://www.reverbnation.com/wernerkitzmueller
http://www.valeot.com/