Porträt: The Merry Poppins

Einige Bands machen mit ihrem musikalischen Stilmix schlicht staunen, wenn es ihnen gelingt, wie selbstverständlich die unterschiedlichsten Genres des Erdenrundes zu verschmelzen und einem eigentümlichen Soundverständnis einzuverleiben. Die unbedarfte Hörerschaft mag hierbei das Bild einer Gruppe akribisch werkender Musikwissenschaftler vor Augen haben, die in Feinstarbeit all die unzusammengehörigen Teilchen und Zahnräder ineinander fügt, um so ein homogenes Ganzes entstehen zu lassen. Und es gibt The Merry Poppins, ein fünf junge Musiker umfassendes Kollektiv aus Salzburg, welches sozusagen bereits in der popkulturellen Postmoderne aufgewachsen ist: Für diese sind die im Spartendenken begründeten Grabenkämpfe längst nivelliert, die Gleichwertigkeit und Kombinierbarkeit der Genres hat sie aus der Aufbruchsstimmung der 90er schulterzuckend mitübernommen.

Doch von Anfang an: Die Bandmitglieder David Lageder (Vocals), Thomas J. Aichinger (Guitar, Trombone), Mathias Vorauer (Double Bass), Robert Aichinger (Drums) und Herbert Könighofer (Sax, Clarinet, Percussion) lernten einander 2005 in der Salzburger „Mildenburg“ kennen – eigener Auskunft nach eine „schrullige Villa mitten in der Stadt mit einem Riesengarten“, wo im Grunde täglich musiziert wurde und eine Vielzahl an Bands aus dem Boden gestampft wurde. Ein reger kreativer Austausch, umrahmt von ungezwungenem Jugendheim-Flair, kommunaler Selbstorganisation und zahllosen Parties führte 2007 schließlich zur Veröffentlichung des Merry-Poppins-Debüts „Mildenburg 11“ auf Jazzit Records.

Die darauf enthaltenen Songs scheinen aufs Engste mit ihrem Entstehungsort und jenem ausgelassenen Lebensstil, der dort etabliert worden war, in Verbin-dung zu stehen. Tatsächlich vermeint man hie und da, den locker aus dem Ärmel geschüttelten Grooves und höchst tanzbaren Rhythmen ihren Geburtsort anzumerken. Dank einer gesunden Respektlosigkeit gegenüber Genre-Purismus vermengen sich hier Balkan-affine Lebensfreude, am Reggae erlerntes Fraternitätsdenken und ins Tanzgebein schießende Ragtime-Synkopen.

The Merry Poppins – Mr. Popkin by mica

All dieses Verbinden und Integrieren diverser Stilistika resultiert dabei weniger aus dem unbedingten Wunsch, Grenzen niederzureißen und aus dem Schubladendenken herauszukommen, als vielmehr aus blanker Selbstverständlichkeit. The Merry Poppins stammen aus jener Generation von „eclectic natives“, welche die Zusammenfügungen von Verein- und Unvereinbarem von früh an inhaliert hat. Die musikalischen Biographien der Bandmitglieder sind also gar nicht mehr so sehr an Genres in ihrer ursprünglichen, noch „unberührten“ Form geschult, sondern diese wurden bereits als stilistische Verquickungen und in bunten Kombinationen kennengelernt.

Entsprechend frohsinnig und im besten Sinne unbekümmert klingen denn auch die Resultate, welche die fünf Musiker auf ausgedehnten Europatourneen wäh-rend der letzten Jahre präsentieren durften. Das engagierte Bookingmanagement von Martina Königshofer führte The Merry Poppins sogar nach Israel und auf das Kairoer Jazzfestival. Im Zuge der Livepräsentation zum Nachfolgealbum „Inspector Malosso“ (2009) kam es schließlich zu einem Gig in Moskau, welcher 2011 in Eigenregie auf Mildenburg Records veröffentlicht wurde.

Dieses Tondokument liefert den vielleicht eindrucksvollsten Beleg dafür, was diese Band im Innersten zusammenhält: In größtmöglicher Unmittelbarkeit ein Gemeinschaftserlebnis zu zelebrieren, die schiere Freude am Musizieren bei gleichzeitiger, auf Augenhöhe sich abspielender Interaktion mit dem abtanzen-den Publikum. Jenes wird Dank des unbedarft-naiv-optimistischen Spirits der Merry Poppins auch vor etwaiger auditiver Psychohygiene, wie ihn nicht wenige andere Combos pflegen, verschont. Das mag auch am häufig zum Einsatz kom-menden 2/4-Takt liegen, in dessen bescheidene Kleinspurigkeit das große existenzielle Drama nicht so recht zu passen scheint. Umso idealer integriert er den stilistischen Hexenkessel, an dem die fünf Salzburger rühren: Gomez-infizierter Pop, vermischt mit allen Spielarten des Reggae, eine Prise Cabaret-Performance, das Integrativpotential des Jazz der 30er Jahre, sowie zwei kräftige Schüsse Gypsy- und Orient-Flair.

Die eingangs erwähnte Villa „Mildenburg“ ist übrigens inzwischen Geschichte. Als eine Art Kompensation wurde die inzwischen im Salzburger Jazzit etablierte Reihe „Klub Mildenburg“ aus der Taufe gehoben, welche seit Anfang 2010 besteht. Die monatliche Veranstaltungsreihe bietet den Merry Poppins und MusikerInnen aus deren direktem künstlerischen Umfeld eine optimale Repräsentationsfläche. Durch die verschiedensten Band-Freundschaften, die sich die Mildenburg-Combos über die Jahre aufgebaut haben, wurde es möglich, diese auch nach Salzburg einzuladen und selbige als Vorband zu supporten, gleichzeitig aber auch eine Plattform für neue Projekte innerhalb und außerhalb Salzburgs zu schaffen.

David Weidinger

http://www.themerrypoppins.at/