Porträt: Studio Dan

Das „Vienna Art Orchestra“ ist leider bereits Geschichte, die Idee lebt aber weiter. Neben der bereits portraitierten „Nouvelle Cuisine Big Band“ ist allen voran das von dem aus Graz stammenden Posaunisten und Komponisten Daniel Riegler gegründete und geleitete Ensemble „Studio Dan“ zu nennen, das quasi in dritter Generation die Fahnen des zeitgenössischen Jazz-Neue Musik-Experimental-Elektronik-Konglomerats hochhält, weiterentwickelt und um neue Nuancen bereichert. Namensgeber, Wegbereiter und Ausgangspunkt dieser Formation war das 1978 erschienene Album „Studio Tan“ des Enfant terrible der Rockszene Frank Zappa. Dieser Konnex kommt nicht von ungefähr, nimmt Zappa in Daniel Riegler’s Schaffenskosmos eine besondere Stellung ein. Fast zufällig stolperte der junge Riegler in einem CD Laden über Zappa’s zweites Album „Absolute Free“ das den Beginn einer intensiven und bis heute andauernden Beschäftigung mit dem Phänomen Zappa einleitete. „Nichts hat mich seitdem so schwerwiegend begeistert, beschäftigt und vielleicht auch nicht mehr losgelassen. Seine völlig vorurteilsfreie Haltung jeder Art von Musik gegenüber, gepaart mit seinem alles verbindenden Humor, war es, die mir weit reichende Zugänge zu Musik eröffnete. […]Die Idee zu ,Studio Dan‘ ist letztendlich auch auf mein musikalisches Initiationserlebnis der frühen 90er Jahre zurückzuführen. Die Besetzung bietet sowohl von der personellen wie auch der instrumentalen Seite alles, was es zur Produktion dieser ,grenzenlosen‘ Musik braucht.“ (Daniel Riegler)

1977 in Graz geboren, studierte Daniel Riegler Posaune bei Rudi Josel und Ed Neumeister und nahm privaten Kompositionsunterricht bei Georg Friedrich Haas. Seit Beendigung seines Studiums beschäftigt sich Riegler intensiv mit unterschiedlichen Improvisations- und Kompositionskonzepten  an der Schnittstelle zwischen Jazz und Neuer Musik. Als freischaffender Instrumentalist arbeitet er vornehmlich im Bereich der zeitgenössischen Musik mit namhaften Orchestern und Ensembles wie dem Klangforum Wien, Ensemble XX. Jahrhundert, Bühnenorchester der Wiener Staatsoper, Wiener Kammerorchester, Volksoper Wien, Jazz Big Band Graz oder Nouvelle Cuisine zusammen. Der bereits mehrfach für seine Arbeit ausgezeichnete Musiker und Komponist lebt zusammen mit der Cellistin Maiken Beer und hat zwei Kinder.

Neben  Clemens Wenger, Wolfgang Schiftner, Clemens Salesny, Bernd Satzinger und Peter Rom, ist Daniel Riegler einer der Gründungsmitglieder der KünstlerInnenplattform „JazzWerkstatt Wien“ aus deren Wirkungsbereich bereits zahlreiche spannende Projekte und Bands hervorgegangen sind. So auch das rund 20-köpfige Ensemble „Studio Dan“, das 2005 aus dem Bedürfnis bzw. der sich ergebenden Möglichkeit entstand, etwas „Größeres“ auf die Beine zu stellen. Daniel Riegler übernahm die Projektierung und begann vorderhand befreundete MusikerInnen um sich zu scharren. Im Unterschied zu zahlreichen anderen Formationen dieser Größenordnung, spielen die engen freundschaftlichen Beziehungen zwischen den MusikerInnen eine bedeutende Rolle, ja sie machen sogar einen bestimmenden Faktor bei „Studio Dan“ aus, verbringt man doch unzählige Stunden bei Proben, Reisen, Auftritten usw. „Es geht nicht darum, irgendwen anzurufen und zu fragen, ob er schnell einspringen könnte. […] In der Regel sitzen in großen Bands immer andere Leute, wer eben gerade Zeit hat. Aber so eine Vorgangsweise würde unserer Band nicht dienen, auch wenn das nicht immer zu verhindern ist.“ (Daniel Riegler)

Studio Dan (c) Julia Wesely

Die Idee für ein derartiges Ensemble hatte Riegler schon längere Zeit im Hinterkopf parat, wobei das ursprüngliche Konzept eher in Richtung eines großen Free-Orchesters mit einer nicht ganz eindeutigen, „zappaesken“ Besetzung mit vielen Bläsern, einem Streichquartett, Schlagwerk und einer Rhythmusgruppe  tendierte. Im Zuge der Formierung von „Studio Dan“, wurde Riegler aber klar, dass eine ausschließlich freie Spielweise vielleicht doch nicht das Richtige wäre, woraufhin er begann, sich verstärkt mit kompositorischen Aspekten und Klangfarben auseinanderzusetzen. Daraus entwickelte sich nach und nach jene ästhetische Formensprache, die seither das klangliche Bild von „Studio Dan“ dominiert: teils streng konzipierte, aneinander gereihte, bruchstückhafte  Patchwork-Abschnitte bestehend aus Geräuschexkursionen, kammermusikalischen Einwürfen, swingenden Jazzparts, scharf geschmetterten Klangbrocken bis hin zu sämtliche Nuancen der Elektronik auslotenden Soundmalerein. Diese auf den ersten Blick nicht zusammenpassenden Versatzstücke entpuppen sich im Ganzen gesehen als ein vielfärbig-collagenhaftes Gesamtwerk. Dabei ist wichtig zu erwähnen, dass sich Daniel Riegler nie an Klang und Gehabe einer klassischen Bigband orientierte, auch wenn die Größe der Formation zunächst dazu verleiten mag. „Also, eine Big Band wollte ich auf jeden Fall nie gründen. Es ist mir nie ums Big Band Spielen gegangen. Das große Format ist wirklich das einzige, das uns mit einer Big Band verbindet. Aber ich habe nie einen Big Band Sound im Ohr gehabt noch irgendwelche Big Band Ambitionen. Ich habe sehr wohl in vielen Big Bands spielen müssen, wie etwa  im Studium. Aber im Grunde genommen hat mich das wirklich überhaupt nicht interessiert.“ (Daniel Riegler)

Seither widmet sich „Studio Dan“ „der Entwicklung, Förderung und Hörbarmachung von aktueller Musik jenseits üblicher Stilkategorien“. Dies wird erreicht durch Auftritte in unterschiedlichen Konzertsettings, dem Anlass entsprechende Formationen und Besetzungen, Workshops, Kompositionsaufträge, variierende Projektschwerpunkte, Kinderkonzerte und erfrischend neue Präsentationskonzepte im World Wide Web sowie im „Real Life“.  So wurde etwa 2010 die Abonnementreihe „Studio Fan“ ins Leben gerufen, in der im Rahmen von fünf Konzerten jeweils im Wiener Porgy&Bess und im Grazer Theater am Ortweinplatz (TaO!) die unterschiedlichen Facetten und Projekte des Kollektivs präsentiert wurden. Ebenfalls im Porgy&Bess gastierte „Studio Dan“ 2008 als „Ensemble in Residence“, wo im Zuge von monatlich stattfindenden Konzerten eindrucksvoll die Wandlungsfähigkeit und Bandbreite der Formation unter Beweis gestellt werden konnte. Seit ihrer Gründung 2005 veröffentlichte „Studio Dan“ drei CDs – „Creatures & Other Stuff“ 2009, „Things feat. Nika Zach“ 2010 und „Dekadenz – Music oft he First Microtonal Society of Brigittenau“ 2012 – und präsentierte bei ihren Konzerten zahlreiche Projekte wie etwa „Tribute to Frank Zapa“, „Studio Dan Chamber Music“, „Studio Dan & Elliot Sharp – In the Pelagic Zone“, „From Outer Space – Studio Dan plays the Music of Bau, Doundakoff, Skoglund“ oder „Studio Dan & Michel Doneda Fanfare III“. Für ihre erste CD „Creatures & Other Stuff“ erhielt „Studio Dan“ den begehrten „Preis der deutschen Schallplattenkritik“.

Es bleibt jetzt nur mehr zu hoffen, dass dieses ungeheure Maß an aufgewendeter Energie und Arbeit, neue Wege zu beschreiten, bisher ungeahnte Hörerlebnisse zu generieren und sich gegen fest eingefahrene Strömungen im Bereich der Klassik und Jazz aufzulehnen auf entsprechend gebührenden Widerhall und Zuspruch bei Medien, Presse und Publikum trifft. Ihr hättet diesen redlich verdient.
Georg Demcisin

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