Porträt: Plexus Solaire

Wenn französisches „Savoir vivre“ auf „Wiener Gemütlichkeit“ trifft, und diese Fusion noch dazu musikalisch untermalt wird, dann kann diese exotische Schöpfung nur von einer Band stammen: Plexus Solaire. Wer dabei glaubt, dass es sich bei der Formation um Barett-bekappte Charmebolzen handelt, die mit unsagbar schlechtem frankophonem Dialekt Chansons à la „La vie en rose“ zum Besten geben, tappt hierbei völlig im Dunklen. Die Bezeichnung Chanson ist im Falle von Plexus Solaire zwar nicht ganz so falsch hergeleitet, doch geht ihr akustischer Weg eher in Richtung der Kategorie Rock/Pop/Indie als in gefühlsbetonte Säuselballaden.

Plexus Solaire (zu Deutsch Solarplexus) bezeichnet im ursprünglichen Sinne ein Geflecht aus Nervenfasern, welches sich in der Bauchregion befindet. Harten Schläge auf dieses sensible Sonnengeflecht können sogar zur Bewusstlosigkeit führen. Zu physischen Ausfällen will es die Band Plexus Solaire garantiert nicht kommen lassen, die Nerven des Publikums wollen sie mit ihrem Sound jedoch sehr wohl treffen. Seit 2002 gibt es die franko-österreichische Formation nun, ein Quartett in klassischer Gitarrenrock- Besetzung, natürlich in variabler Begleitung taktgebender Schlagzeug-Einlagen und dahinfließendem Mundharmonikaspiel. Gegründet wurde Plexus Solaire von Vincent Wohinz und Alexandre Fedorenko, die beide als Frontmänner agieren und sich zum Glück dabei nicht im Wege stehen. Komplettiert wird die Partie von Emanuel Rudas und Jürgen Bauer. Warum eine Band, die ausschließlich auf französisch singt, gerade in Wien beheimatet ist, erklärt sich recht simpel. Der Name des Frontmannes Alexandre, lässt schon darauf schließen, dass es sich hier nicht um einen Ur-, sondern eher um einen Exil-Wiener handeln kann. Vincent Wohinz ist hingegen ein Halbfranzose, besitzt eine doppelte Staatsbürgerschaft, jedoch man mag es bei seinem typischen Wiener Slang, mit dem er mit seinem Publikum sonst gerne kommuniziert, gar nicht glauben, dass er auch noch ein recht annehmbares Französisch in petto hat. Bloß Einer, der aus Tirol stammende Jürgen Bauer ist dem frankophonem Wortschatz nicht ganz so mächtig, besitzt jedoch ein umso größeres frankophiles Herz.

Dass man abgesehen von deutschen und englischen Songtexten, auch in einer anderen Sprache etwas in der österreichischen Musiklandschaft reißen kann, scheint fast unglaubwürdig, doch mit dem Liedgut von Plexus Solaire wird man eines Besseren belehrt. Es muss wohl an der weichen und fließenden Lautmalerei liegen, die die Ohren des Hörers in Wallungen versetzt und das Musikerherz schmelzen lässt. Spätestens seit ihrem kleinen Indie-Hit „Malheureux“ wissen wir, dass es keinen Intensiv-Sprachkurs benötigt, um den Refrain mitträllern zu können, bei dem es um den Zustand des Unglücklichseins über das Zufriedensein geht. Der Song geht runter wie Öl, vor allem in Situationen wie diesen, wo man einsam und alleine beim dritten Krügerl an der Bar sitzt und in tiefe Melancholie einzutauchen beginnt. Trotz des Songs „Malheureux“ der sogar auf die 17. Compilation der „FM4 Soundselection“ seinen Platz gefunden hat, hat das Quartett keineswegs Grund im Unglück zu schwelgen.

Schon ihre ersten beiden Alben „Par terre-Par rêve“ (2004, Automat), sowie „Sans détours“ (2007, Pate Records) konnten gute Kritiken einheimsen, wurden sogar sogar zu den Lieblingsplatten der Standart-Redaktion gekürt. Mit dem neuen Werk soll es nicht minder gut laufen. Zumindest die Produktion der kommenden LP steht unter einem guten Stern. Schließlich haben Plexus Solaire beim 18. Call der österreichischen Musikfonds eine Förderzusage erhalten, die sinnvoll genutzt werden will. So wird nun am neuen Werk gebastelt, dem von den Musikern vermutlich wieder viel Charme und Esprit eingehaucht wird. Der repetitive Charakter der Songs, mit relativ kurzen Strophen und eingängigen Refrains, lädt die Hörer dazu ein, das eingefrorene Schulfranzösisch wieder aufzufrischen und die verstaubten Vokabelhefte aus dem Schrank zu holen. Zumindest ein Wort sollte man sich für das nächste Konzert von Plexus Solaire schon mal vormerken: Encore! (bw)

Foto © Sepp Dressinger