Porträt: Peter Ablinger

Peter Ablinger zählt zu jenen Komponisten, die sich in ihren Arbeiten stets auf die Suche nach dem Neuen und Ungewöhnlichen machen und die Musik im Gesamten nicht als abgeschottetes System verstehen. Der gebürtige Oberösterreicher versucht, Tore aufzustoßen, mit traditionellen Methoden zu brechen, um Wege für neue Ansätze freizumachen. Dabei agiert er mit Vorliebe zwischen den unterschiedlichen Kunstdisziplinen, führt Dinge zusammen, die auf den ersten Blick nicht wirklich kompatibel zu sein scheinen. „Genreüberschreitendes ist für mich niemals Selbstzweck oder bewusster Ausweitungsversuch des Komponierens, es ist eher, dass man eben den Schritt hinaus wagen muss aus dem eigenen Haus, um die Umrisse des Hauses in dem man wohnt zu erkennen“, so Ablinger im mica-Interview aus dem Jahre 2008. Es sind die Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Klanges und die Frage nach dessen Wirkung in verschiedenen Umgebungen und Kontexten, welche sein künstlerisches Schaffen bestimmen, die ihn immer wieder dazu zwingen, sein eigenes Musikverständnis einer Überprüfung zu unterziehen, und damit letztlich auch jenes des/der Hörers/In.

Im Jahre 1959 in Schwanenstadt in Oberösterreich geboren, besucht Peter Ablinger zunächst die Graphik-HTL in Linz, bevor er, vom Free Jazz begeistert, den Beschluss fasst, Jazzklavier in Graz zu studieren. Anschließend nimmt er noch privaten Kompositionsunterricht bei Gösta Neuwirth in Graz, und bei Roman Haubenstock-Ramati an der Musikhochschule Wien. 1982 übersiedelt Peter Ablinger nach Berlin, wo er an der Musikschule Kreuzberg bis 1990 unterrichtet und als freischaffender Komponist tätig ist. Schon damals legt der Oberösterreicher in seiner Arbeit großen Wert darauf, die herkömmlichen und verfestigten Muster und Gewohnheiten der Musikproduktion und –aufführung hinter sich zu lassen. Das 1988 von ihm gegründete Ensemble Zwischentöne – einer aus Profis und Laien bestehenden Formation – versteht der Künstler als „Infragestellung falscher Professionalität und Routine“. Ähnliches verfolgt der gebürtige Oberösterreicher auch mit dem gemeinsam mit den Komponisten Bernhard Lang, Klaus Lang und Nader Mashayekhi gründeten Verlag „Zeitvertrieb Wien Berlin“.

Überhaupt stößt sich der bereits mehrfach ausgezeichnete Peter Ablinger (ua. erhielt er 1998 den Förderpreis der Akademie der Künste Berlin, 2001 ein Stipendium der Villa Aurora Los Angeles, 2008 den Andrzej-Dobrowolski-Kompositionspreis für das Lebenswerk, und 2010 den Deutschen Klangkunstpreis), der sich als Künstler selbst keinerlei Einschränkungen unterwirft, weder in den Ansätzen noch in der Methodik, an den zu sehr festgefahrenen Strukturen und Vorstellungen in der Musik von heute, auch an denen in der zeitgenössischen. „Das ist eher etwas, was ich manchmal an der Neuen Musik als inhärente Art von Konservativismus kritisiere, dass sie eigentlich nichts erfunden hat, außer Dinge, die mit Tonsatzkategorien, mit Notenpapier und Schreibweisen, vielleicht noch mit Instrumentenkategorien zu tun haben, während sie die Grundbedingungen des Komponierens, Aufführens und so weiter völlig unangetastet gelassen hat und gleichartig weiterbetreibt wie schon in früheren Jahrhunderten“, so der Komponist. (mica-Interview, 2008).

Einen zentralen Bestandteil der Arbeit des Künstlers, der seit 1992 an verschiedenen Universitäten und Instituten als Gastprofessor und Dozent tätig ist, bilden „Untersuchungen der Grundbedingungen des Hörens“. Und diese müssen nicht zwangsläufig in den Konzertsälen oder festgesetzten Aufführungsformaten erfolgen. Peter Ablinger, der sich selbst am ehesten als traditioneller Komponist sieht, weil die Musik gewissermaßen die Ausgangsposition seiner Arbeiten darstellt, und von der er seine Wege in die anderen Disziplinen bestreitet, will mit seinen musikalischen Installationen vor allem eines, die Wahrnehmungsfähigkeit des Hörers einer Probe unterziehen, „ihn dazu anregen, die Aufmerksamkeit und Wahrnehmung von Wirklichkeit zu schärfen“.

Bis 1994 sind es vor allem solistische und kammermusikalische Besetzungen bis zu 25 Instrumenten, die den Schwerpunkt seiner Arbeiten bilden (unter anderem „Der Regen, das Glas, das Lachen“). In den darauffolgenden Jahren entfaltet sich Ablingers Schaffen in mehreren parallelen Werkzyklen, die in ihrer Form und in ihren Ansätzen höchst unterschiedlich ausfallen. So etwa nimmt in verschiedenen Projekten die Beschäftigung mit Instrumenten und Elektroakustik viel Raum ein.  Beim Werk-Komplex “Weiss/Weisslich” sind es  Instrumentalstücke, Installationen, Objekte, Aufnahmen, Hinweise und Prosa, welche die zentralen Bestandteile bilden.

Seit 2001 entstehen zudem vielteilige Serien-Stücke, wie etwa „Voices and Piano“ oder die “Landschaftsoper Ulrichsberg”, in denen verschiedene musikalische Gattungen und Besetzungen miteinander kombiniert sind. Wiewohl Peter Ablinger aber auch meint: „Letzten Endes habe ich eine Vorstellung von meiner Arbeit, dass im Grund genommen eigentlich alle Serien, die ich jemals begonnen habe und vielleicht noch beginnen werde, zusammengenommen gewissermaßen nur ein einziges “Stück” sind, das sich immer wieder unter einer jeweils anderen Perspektive zeigt.“ (mica-Interview 2008)

Es sind vor allem seine ungemeine Offenheit, seine Verweigerung sich Konventionen zu Unterwerfen sowie sein ausgeprägter Drang zu Experiment, die Peter Ablinger so sehr auszeichnen. Er ist ein Künstler, dessen Schaffen einfach herausfordert, umso mehr, weil es den Willen zu neuen  Sicht- und Hörweisen erfordert. Mit seiner Fähigkeit, seine Arbeiten immer wieder um ungehörte Facetten zu erweitern, darf angenommen werden, dass man von Peter Ablinger auch in Zukunft noch einiges zu hören bekommen wird. (Doris Weberberger)

Foto 1 Peter Ablinger: Siegrid Ablinger

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