Porträt: Martin Klein

Wie aus der Zeit gefallen wirken die melancholischen Pop-Fantasien des gebürtigen Innsbruckers Martin Klein. Der junge Multiinstrumentalist, der als Kind zunächst Cello gelernt hatte ehe er sich auf autodidaktischem Wege das Klavierspielen beibrachte, arbeitet auf seinen ersten beiden Platten fast ausschließlich mit analogen Mitteln. Aus seiner Herangehensweise hallen einige große Pop-Momente der vergangenen Jahrzehnte wider, als Detailverliebtheit und Schnörkellosigkeit noch keine scheinbaren Polaritäten waren. Über schlichten, doch niemals einfältigen Klaviermotiven liegt neben vokalem Raunen, das an Jeff Buckley gemahnt, ein sorgfältig eingesetztes Pathos, in welchem die stimmlichen Klangfarben eines Matthew Bellamy oder Thom Yorke aufblitzen.

Dabei war Martin Klein zunächst eher dem Jazz und der Klassik zugewandt. Mit seinen instrumentell ebenfalls versierten Geschwistern spielte er in hausmusikalischer Tradition Streichquartette. Als Teenager verdingte er sich in Rockbands aus dem Umfeld seiner Schule, bediente dort – ebenso wie in diversen Jazzcombos – das Schlagwerk. Nach seiner Übersiedelung nach Wien und dem Eintritt ins hiesige Konservatorium setzte er seine Studien im niederländischen Utrecht bei dem blinden Pianisten Bert van den Brink fort – einer Begegnung, der er eigener Aussage nach musikalisch und menschlich viel verdankt.

Inspiriert von der pulsierenden holländischen Songwriter-Szene fand er fortan Freude an der Miniaturkomposition, versuchte sich als Liedermacher und nahm bald nach seiner Rückkehr das Erstlingswerk auf, „Songs for my piano“ (Lindo Records, 2008). Als schlichtes Klaviertrio – neben Martin Klein selbst (Klavier und Gesang) sind noch Manuel Brunner (Bass) und Benni Lechner (Schlagzeug) mit von der Partie – verzichten sie auf Sound-Engineering-Firlefanz. Die hohe Qualität in der Interaktion erlaubte es sogar, das Album über weite Strecken in Form einer Livesession einzuspielen – am unvermittelt-dynamischen Sound scheint dies ablesbar. Formal vorbelastet ist das Ensemble des Pianotrios wohl am meisten durch den Jazz. Doch sind Kleins andere Vorlieben ebenso herauszuhören: hie und da treten klassisch inspirierte Harmonien und Klavierläufe auf. Und der balladeske Singer/Songwriter-Pop ist ohnehin die Grundlage im gefühlsechten Schaffen des Wahlwieners – schmachtende, doch niemals profane Spätromantizismen inklusive. Heimische Feuilletons und der Alternative-Radiosender FM4 griffen den ungewöhnlichen, talentierten und ungewöhnlich talentierten Künstler-Parvenü willig auf und besorgten über ausdauerndes Airplay seinen steigenden Bekanntheitsgrad.

2011 legte er mit einem reduzierten Soloalbum nach und verlieh dem Wort „Klein-od“ eine neue Bedeutung. „Lass uns bleiben“, veröffentlicht auf dem Berliner Label Traumton Records, präsentierte den Songwriter gänzlich auf sich selbst zurückgeworfen. Lediglich mit Stimme und Klavier verfahrend, schafft es der junge Künstler hier auf Basis produktionstechnischer, personeller und soundarchitektonischer Reduktion, einen stimmigen Solistenkosmos zu entwerfen. Und trotz heruntergeschraubter Mittel funktioniert „Lass uns bleiben“ auf einer breiten dramaturgischen Palette, die sowohl dynamische Uptempo-Popnummern als auch intime Seelenschau bereithält. Ein weiteres Novum lässt sich auch auf der lyrischen Ebene ausmachen: Erstmals werden die Stücke in deutscher Sprache interpretiert. Zustande kam das Album in dieser Weise übrigens deshalb, weil sich Martin Kleins Forschungsarbeit im Felde der elektronischen Musik noch nicht angemessen für seine kompositorische Herangehensweise zurechtschneidern ließ.

Für sein neues Album „Tracks for my Keyboards“, das dieser Tage erscheint, kündigt er nun exakt jenen Paradigmenwechsel in Sachen Arrangement an: Man darf gespannt sein, ob sich das Klein’sche Kreativpotential auch zwischen 80er-Jahre-Keyboards und alter Loop-Maschinerie entfalten wird. Das Album steht am Ende eines fünf Jahre währenden Aussiebeprozesses, währenddessen unzählige Songs in dieser Weise geschrieben und arrangiert worden waren. Angesichts der ersten beiden Werke steht es jedenfalls nicht zu erwarten, dass der Musiker sein Händchen fürs Pop-Basteln verloren haben oder von der geschmackssicheren Seite abgekommen sein könnte. Bisher bedurfte es meist nur weniger Tastengriffe und Gesangslinien, um scheinbar mühelose und mühelos einnehmende Atmosphären und auditive Welleneffekte zu produzieren. Dass diese Gabe nach Artenschutz schreit, liegt an vielen Dingen – aber sicher nicht an seiner Musik.

David Weidinger

Martin Klein (*1983)
Songs for my piano (Lindo, 2008)
Lass uns bleiben (Traumton Rec., 2011)
Tracks for my keyboards (Eigenverlag, 2013)

Foto Martin Klein 1 © Sascha Pierro
Foto martin Klein 2 © Christian Pinkernell

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