Porträt: Klangforum Wien

„Schluss mit traurig“ – so lautet der Titel des aktuellen Zyklus des Klangforum Wien im Wiener Konzerthaus. Für schlechte Laune besteht auch wahrlich kein Grund, hat doch das Abonnement dazu so reißenden Absatz gefunden, dass kurzfristig eine zweite Konzertreihe ins Leben gerufen wurde. Mit diesem Erfolg widerspricht das solistisch besetzte Ensemble für Neue Musik, das sich zu den drei besten seiner Art zählen darf, dem üblichen Vorurteil, dass Neue Musik schwer zugänglich und mindestens ebenso schwierig zu verkaufen sei. Denn mit seiner technischen Perfektion bei gleichzeitig stilistischer Vielfalt ist bestimmt für die meisten Geschmäcker etwas dabei.

So kann sich das aus einem Kern von 24 MusikerInnen bestehende Ensemble auf sein treues Stammpublikum verlassen, das stetig wächst und wächst. Und das tut es seit 1985, als der Komponist Beat Furrer die Formation „Société de l’Art Acoustique“ gründete – zu einer Zeit, als zwar einzelne Ensembles für Neue Musik bereits tätig waren, in der Rezeption Neuer Musik allerdings dennoch dringender Nachholbedarf bestand. Zunächst spielte man im Palais Liechtenstein und brachte dann auch in der Wiener Secession Werke zeitgenössischer Komponisten zur Aufführung. 1989 wurde das Ensemble dann mit seinem heutigen Namen bedacht und startete in der Saison 1990/91 den heute so erfolgreichen Zyklus im Konzerthaus. Ein alljährlicher Fixpunkt ist auch der Erste Bank Preis. Ein neues Werk des prämierten Komponisten wird im Rahmen von Wien Modern und bei mindestens zwei weiteren Veranstaltungen aufgeführt und erscheint zudem auf CD. Doch neben den eigenen Konzertreihen ist das Klangforum auch von den Festivals des Landes und über die Grenzen hinweg nicht wegzudenken. Zudem hat sich das Klangforum auch im Bereich Musiktheater einen herausragenden Namen gemacht.

Ein wesentliches Merkmal des Klangforum besteht in der stilistischen Vielfalt, die das Ensemble auf die Bühne bringt. Denn angefangen vom Beginn des 20. Jahrhunderts über die Zweite Wiener Schule bringt das Klangforum inzwischen dem Kanon angehörenden Werke der letzten Jahrzehnte ans Publikum; aber auch vielversprechende Werke unbekannterer Provenienz nimmt das Ensemble in seine Programme auf und zeigt sich auch der Improvisation oder dem experimentellen Jazz und anderen Stilrichtungen gegenüber offen. Zudem gehen inzwischen mehr als 500 Uraufführungen auf das Konto des Klangforum. Davon und von vielem mehr kann man sich sowohl in den Konzerten als auch auf den zahlreichen Aufnahmen, die das Ensemble inzwischen veröffentlicht hat, überzeugen. Wie es zu dieser stilistischen Vielseitig kommt, verrät ein Blick in die Organisation: Künstlerische Entscheidungen werden nicht von einer einzigen, dafür zuständigen Person getroffen, sondern von allen künstlerisch Beteiligten – die demokratische Entscheidungsfindung durch InterpretInnen, Dirigent und Komponist setzt so einen Akzent entgegen den starren Strukturen des oft hierarchischen Kulturbetriebs. Mittels einstimmigem Beschluss aller MusikerInnen wurden drei Persönlichkeiten zu Ehrenmitgliedern des Ensembles ernannt: der Gründer Beat Furrer, der langjährige Weggefährte Friedrich Cerha und der seit 1997 als erster Gastdirigent fungierende Sylvain Cambreling.

Neben der regen Konzerttätigkeit engagiert sich das Klangforum auch in Sachen Vermittlung. In den 1990er Jahren war es Teil des Projektes „Klangnetze“, bei dem KomponistInnen und MusikerInnen über einen längeren Zeitraum SchülerInnen dabei unterstützten, ihre eigenen Werke zu komponieren. Heute hat das Klangforum einen Lehrauftrag an der Kunstuniversität Graz inne. Während die Neue Musik in der Ausbildung von InstrumentalistInnen oftmals nur einen geringen Teil einnimmt, haben die Studierenden in Form eines Masterstudiums und eines postgradualen Lehrgangs die Möglichkeit, fundierte Kenntnisse im Spiel von Neuer Musik zu erlernen. Bei der Internationalen Ensemble- und Komponistenakademie für zeitgenössische Musik „impuls“ ist das Klangforum ebenso beteiligt. Auch dies ein wünschenswerter Schritt, um Publikum ebenso wie den musikalischen Nachwuchs zu sichern und Freude an Neuer Musik zu vermitteln.
Doris Weberberger

Foto: Lukas Beck

http://www.klangforum.at/