Porträt: Kairos

Nicht weniger als elf Mal darf das Label Kairos den Preis der deutschen Schallplattenkritik zu seinen Auszeichnungen zählen; und auch der Diapasson d’or ist – neben etlichen anderen ehrenden Anerkennungen – ein knappes halbes Dutzend Mal unter den auf der Website präsentierten Plaketten zu finden. Was in der 1999 beginnenden Unternehmensgeschichte nach einem berauschenden Erfolg klingt, ist aus künstlerischer Sicht ein unersetzbarer Gewinn.

Denn der Katalog des nach dem altgriechischen Gott der günstigen Gelegenheit benannten Plattenlabels vereint Werke führender KomponistInnen des 20. und 21. Jahrhunderts, die ansonsten oftmals nicht aufzutreiben wären – beginnend bei Hans Zender, dessen Version der Schubert’schen Winterreise den Anfang setzte, über Wolfgang Rihm, Helmut Lachenmann und Salvatore Sciarrino bis hin zu Beat Furrer, Olga Neuwirth, Bernhard Lang und dem Aushängeschild Friedrich Cerha lässt sich das Namedropping bei den InterpretInnen weiterführen. Klangforum, RSO Wien, SWR Sinfonieorchester Baden-Baden & Freiburg gehören damit ebenso dazu wie das ensemble recherche, das Ensemble intercontemporain oder das Ensemble Modern. Von den SolistInnen noch ganz zu schweigen. Denn nur das Beste ist für den enthusiastischen Idealisten Peter Oswald, der das Label gemeinsam mit seiner Frau Barbara Fränzen führt, gut genug. Das zeigt sich nicht nur bei der Auswahl von Werken und Interpreten, sondern auch bei der Aufnahmetechnik mit 5.1-Surround-Sound und den aufwändigen Aufnahmen im Studio. Die Silberscheiben sollen optimalen Klang auf künstlerischer wie technischer Ebene bieten und die nicht für alle BesucherInnen eines Konzerts optimale Akustik stattdessen aus der Konserve liefern.

Neben den inneren Werten wird auch auf Äußerlichkeiten geachtet. Mit den von den bildenden Künstlern Jakob Gasteiger und Erwin Bohatsch gestalteten Covers soll der Sammlertrieb geweckt werden; und die informativen Texte in den Booklets bringen sowohl Kennern wie auch Neueinsteigern der Neuen Musik die nicht immer einfache Materie ansprechend formulierte näher. Für alle Geschmäcker Neuer-Musik-Aficionados dürfte jedoch etwas dabei sein, denn die stilistische Bandbreite bringt über die ohnehin schon weit gefächerten Angebote Neuer-Musik-Klassiker auch weniger Bekanntes auf den musikalischen Speiseplan. So können sich auch Kenner des Fachs gelegentlich überraschen lassen.

Im Gegensatz zum künstlerischen Ertrag ist der Geschäftszweig, dem seit Jahren der Untergang prophezeit wird, zur finanziellen Bereicherung wenig geeignet – und das ist wohl noch untertrieben. Denn aus privaten Mitteln finanzierten die Juristin und der vormalige Leiter des Klangforums und des steirischen herbstes das Label in der Gründungsphase, als die kompakte Scheibe aus der Verbreitung von Musik noch nicht wegzudenken war, wenngleich sich erste Tauschbörsen im Internet und die erschwinglich werdenden CD-Brenner bereits auf dem beginnenden Vormarsch befanden. Zwar kamen zeitweilige Unterstützungen von Seiten des Österreichischen Musikfonds, des Bundes, des SKE-Fonds und von departure (der Kreativagentur der Stadt Wien) dazu, doch einträglich zeigt sich das Unternehmen dennoch nicht. Denn Neue Musik ist und bleibt eine Nische; und wenn selbst Major Labels mit der Vermarktung der Stars unter den Stars ums nackte Überleben kämpfen, kann man erahnen, dass es für die kleinen Fische unter ihnen nicht minder schwierig ist.

Doch auch Lichtblicke birgt das Geschäft mit der Neuen Musik: Eine langjährige Kooperation mit der Erste Bank ermöglicht die Produktion des jährlich vergebenen Kompositionsauftrages; ein anderes Modell wurde mit einer spanischen Bank auf die Beine gestellt, um die Forcierung von Komponisten der iberischen Halbinsel voranzutreiben. All den finanziellen Unwegbarkeiten zum Trotz wäre er nicht Peter Oswald, würde er nicht weiterhin von Optimismus und Tatendrang sprühen. So kann von den unzähligen Ideen nur ein Bruchteil umgesetzt werden, denn stets muss genau abgewogen werden, welche Projekte eine Umsetzung monetär zulässt. Dass das dem eingespielten Team weiterhin so gut wie bisher gelingt, bleibt zu hoffen. (dw)

Foto: Felix Oswald

http://kairos-music.com/