Porträt: Die Resonanz / Johannes Steiner

Im schlimmsten Fall wird das Akkordeon hierzulande der anheimelnden Welt irrelevanten Schlagermusikantentums zugerechnet. Im etwas besseren Fall assoziiert man es mit überholter Paris-Romantik und Amélie-Fantasien oder den verführerischen Tango-Welten Astor Piazzollas (und verwechselt es nebenher mit dem Bandoneon!). Im denkbar besten Fall begreift man es als ein schlichtes Instrument, das ungeachtet seiner Klangfarbe in vielfältigsten stilistischen Konstellationen einsetzbar ist – wie eben alle anderen Instrumente auch. Johannes Steiner steigert sich auch noch über diese letztgenannte Ebene hinaus und entlockt seinem favorisierten Klangerzeuger, der Diatonischen Harmonika, Grooves und Melodieverläufe, die man so noch selten gehört hat.

Aus einer kleinen Ortschaft südlich der Stadt Salzburg stammend, war er bereits von klein auf von der traditionell bewahrten Umgebung und den volksmusikalischen Eltern vorgeprägt, ehe er im Alter von neun Jahren das Akkordeon für sich entdeckte. Im Sortiment des Vaters, das auch eine Vielzahl an Blasinstrumenten umfasste, kam er darüber hinaus mit der Trompete in Berührung. Der Studiumsverlauf weckte schließlich nachhaltig sein Interesse am Jazz, den er in Kombination mit Popularmusik als Hauptfach belegte. Seine Erfahrungen am ebenfalls erlernten Klavier wurden sukzessive auf die Diatonische Harmonika übertragen.

Am Scheideweg zwischen ambitioniertem Musiklehrer und freischaffendem Künstler entschied er sich glücklicherweise für letzteres. Die Belastungen psychischer und physischer Natur, die in der Ausübung beider Berufsvarianten lagen, waren letzten Endes nicht mehr unter einen Hut zu bringen. So konnte er sich fortan uneingeschränkt seinem musikalischen Forschungsdrang verschrei-ben, welcher bald Früchte tragen sollte.

Seine Erstband „Die Resonanz“ – neben ihm selbst bestehend aus Norbert Asen an den reeds, Robert Kainar am Schlagzeug sowie Amy Denio am Saxophon – veröffentlichte 2006 das Debütalbum „Stanonczi“ auf dem Berliner Label No Man’s Land Records. An Spiel und Komposition dieses Jazzquartetts wurde be-reits auch der Grad der Emanzipation deutlich, den Steiner sowohl hinsichtlich seiner musikalischen Sozialisierung als auch gegenüber dem assoziierten stilisti-schen Umfeld seines Instruments erreicht hatte. Schon hier war Steiner fest im kommunikativen Wesen des Jazz verankert, welches er in virtuoser dynamischer Gestaltung zu individueller Blüte trieb.

Der kontemplative Zug im gemeinsamen Spiel besteht für ihn im Anvisieren des-sen, was er „Echtzeit-Komposition“ nennt: „Die Faszination liegt darin, Musik im Moment im Kollektiv mit anderen Musikern zu erschaffen. Dabei ist, so meine Erfahrung, eine ganz bestimmte, schwer in Worte zu fassende Konzentration notwendig. Es ist für mich auch eine Art sensitives Abenteuer, das man nicht nur mit den Ausführenden, sondern auch mit dem Publikum teilt. Intuition ist eine der wichtigsten Triebfedern in diesem Prozess und macht diese Methode zu musizieren sehr energetisch und erfrischend“, so Steiner 2009 im Interview mit dem Akkordeon-Magazin.

Doch auch sein zweifelsohne immer noch lebendiger folkloristischer Background hält sich nicht an regionale Grenzen. Besonders die Liebe zum Klezmer und dem slawisch geprägten Gypsy-Sound lässt sich unschwer feststellen. Die tief in der jüdisch-aschkenasischen Musiktradition wurzelnden Motive des ruhelosen Umherziehens und der Heimatlosigkeit finden sich auch im qualitativen Oeuvre von „Die Resonanz“ –Attribute, die man wohl auch Johannes Steiner ungefragt zusprechen darf, wenigstens was die musikalische Ebene betrifft.

Nebenher erbringt das Ensemble durchgehend eine Leistung, die sich nur wenige Bands aus diesem Bereich auf die Fahnen heften dürfen. Das feurige Temperament, das im Rhythmischen permanent brodelt, lädt einerseits unwiderstehlich zum Tanzen ein, auf der anderen Seite erklimmen die musikalischen Interaktionen und Formulierungen ein derart hohes Niveau, dass konzentriertes Zuhören gleichfalls belohnt wird.

Sympathisch macht „Die Resonanz“ überdies ihre offenkundige Trendresistenz: Anbiederungen an temporär gefällige Popularisierungsschablonen sucht man vergebens. An ihre Stelle tritt die mäandernde Neugier auf der Suche nach dem aufrichtigen musikalischen Ausdruck und jener Wertschöpfung, die künstleri-sche Relevanz bedeutet. Als Beleg dafür mag das Urteil des österreichischen Do-yens in Sachen Ziehharmonika genügen: Otto Lechner nennt Johannes Steiner “einen der derzeit interessantesten Komponisten für Akkordeon-Musik”.
David Weidinger