Porträt: David Helbock

“…Wir hatten unsere fixen Kategorien und da hast Du einfach nicht reingepasst, Du warst zu anders, wir konnten dich nicht mit den anderen vergleichen. Für dich hätten wir eine Kategorie für Genies gebraucht…” So etwa lautete die inoffizielle Begründung dafür, dass David Helbock bei der Nottingham Jazz Piano Competition 2012 nicht den ersehnten Hauptpreis gewonnen hatte. Schade für David, dass er den Steinway nicht gewinnen konnte. Er hätte einen weiteren Flügel sicher sehr gut für seine musikalischen Entdeckungsreisen gebrauchen können.

Besonders wenn  – wie in seinem Fall – nicht nur die 88 Tasten des Instruments, sondern der gesamte Korpus bespielt wird. Aber Mitleid muss man mit ihm trotzdem nicht haben. Das Zitat dürfte ihn doch darin bestärkt haben, weiter das zu tun, was er ohnehin schon immer macht und wofür ihn alle, die seine Musik im In- und Ausland kennen, auch so lieben und schätzen. Viel eher schon müsste man mit den Veranstaltern des Wettbewerbs oder ganz generell: mit den Menschen, die immer wieder Kategorien brauchen, um Musik zu hören oder zu spielen, Mitleid haben.

Für sie dürfte es schwierig werden Davids völlig überbordende musikalische Kreativität einzuordnen. Vielleicht liegt in dieser Begrenztheit ja aber auch die Verwunderung über ein Talent, das es auf diese Weise dann doch nicht so häufig gibt, begründet? Wie bei fast allen Generalisierungen ist auch der Begriff ‘Jazz’ zu weit von der musikalischen Wahrheit David Helbocks entfernt, als dass man ihn vorbehaltlos verwenden könnte. Die Essenz seiner Musik ist die Improvisation.

In diesem Sinne ist seine Musik ‘dem’ Jazz vielleicht am nächsten. Warum ausgerechnet immer die Musiker als Traditionalisten bezeichnet werden, die sich der ehrenvollen Aufgabe der Soundpflege von altbewehrtem Material verschrieben haben und niemals die, die sich radikal dem Geist derer verpflichtet fühlen, die das Material hervorgebracht haben, bleibt ein Rätsel. David Helbock steht nämlich genau in dieser Tradition: Der eigenen Stimme musikalischen Ausdruck verleihen. Altes – egal ob aus Klassik, Jazz, Ethno- oder volkstümlicher Musik, egal ob aus der Philosophie, Religion oder aus Zeitgeistfilmen – neu lernen, um es sofort durch die Improvisation zu etwas völlig überraschendem, zu etwas eigenem zu machen. Was dabei rauskommt? Eigentlich die ganze Bandbreite menschlicher Affekte, von ‘tief bewegend’ bis ‘humorvoll’ und absurd’.

Das ist der kreative Geist, der die ganz Großen Meister der Improvisation – von A wie Adderley bis Z wie Zawinul – ganz groß gemacht hat. Davids Verwunderung darüber, dass er der einzige Teilnehmer des Wettbewerbs gewesen ist, der ab und zu mal ‘mal ins Klavier gegriffen’ hat, spricht in diesem Zusammenhang Bände. Wohin ihn sein weiterer musikalischer Weg führen wird, bleibt abzuwarten. Zu facettenreich und zu vielfältig sind seine bisherigen Leistungen als Instrumentalist und Komponist. Ob im Duo mit dem Geiger Simon Frick, ob mit seiner Band ‘Random Control’ (Trio), bei der 30 verschiedene Instrumente auf der Bühne gespielt werden, ob in den Projekten seines Freundes und Lehrers Peter Madsen, ob in seinem neusten Trio, ob Solo, oder ob in komplett frei improvisierten Konzerten, David Helbocks künstlerischer Output ist für einen Mann in diesen jungen Jahren enorm hoch.

Und es ist ja auch nicht so, dass er noch nie einen Preis gewonnen hätte: 2.Preis und Publikumspreis beim weltweit größten Jazzpianosolowettbewerb in Montreux 2010 und die Auszeichnung mit dem österreichischen ‘Outstanding Artist Awards 2011’ des Bundesministeriums sprechen für sich. Ebenso wie die neun Platten, die unter seinem Namen bereits veröffentlicht wurden. Die letzte davon – ‘Purple’ – auf der er sich den Stücken von Prince widmet, erschien im September 2012 auf dem Berliner Label ‘Traumton’. Wir dürfen gespannt sein, was weiter passiert. Ach ja, David Helbock ist Jahrgang 1984 und kommt aus Koblach in Vorarlberg.
Thomas Herr

http://www.davidhelbock.com/
http://www.facebook.com/DavidHelbock