Es gibt MusikerInnen und KünstlerInnen, die sich zu keiner Zeit irgendwelchen Kategorisierungen unterwerfen wollen und sich in ihrem Schaffen mit Vehemenz dagegen wehren, irgendwelche Erwartungshaltungen erfüllen zu müssen. Eine Musikerin, auf die diese Zuschreibung ganz ohne Zweifel zutrifft, ist Agnes Heginger. Blickt man nämlich auf die zahlreichen Projekte, an welchen die in Kärnten geborene und seit frühesten Jahren in Wien lebende Sängerin und Komponistin maßgeblich beteiligt ist, so wird einem sofort klar, dass man es bei ihr mit einer der wohl vielseitigsten Künstlerinnen des Landes zu tun hat. Es gibt wohl nicht ein Genre, nicht einen musikalischen Kontext, in welchem sie sich nicht schon einmal erfolgreich versucht hätte. Egal ob nun im Jazz, in der experimentellen Elektronik, Vokalkunst, Alten Musik, Improvisation, im Pop oder Wienerlied, Agnes Heginger zeigt sich in ihrer Arbeit seit je her als wahre Verwandlungskünstlerin, die zu keinem Zeitpunkt davor zurückschreckt, sich wirklich allen musikalischen Herausforderungen zu stellen.
Agnes Heginger über sich selbst:
„Ich lasse gerne meinen privaten Wahn-sinn in die Luft hinaus und gebe meiner tiefen Sehnsucht nach Stille Laut. Am schönsten ist es, wenn ich wie ein Kind sehe, höre, reagiere, spiele. Manchmal ist es Magie, das habe ich besonders gerne. Es ist eine große Lust, mit meiner Stimme zu tanzen, zu fliegen!”
Die im Jahr 1973 in Klagenfurt geborene Vokalistin hat sich die musikalische Freiheit, eben genau immer das tun zu können, wozu man gerade Lust hat, zur Prämisse ihres gesamten Schaffens erhoben. Sie studierte zunächst am Konservatorium der Stadt Wien klassischen Sologesang, bevor sie, auch weil es ihr stilistisch in der Klassik vermutlich zu eng geworden ist, an der Kunstuniversität Graz noch ein Jazzgesangsstudium anhängte, welches sie letztlich mit ausgezeichnetem Erfolg abschloss. Schon zu diesem Zeitpunkt schien eigentlich klar, dass sie sich nicht unbedingt auf eine bestimmte Musikrichtung festlegen wollte, sondern vielmehr ihre künstlerische Heimat in den verschiedensten musikalischen Umfeldern suchte.
Agnes Heginger, die aktuell ebenfalls als Gesangsdozentin an der Jazzabteilung der Anton-Bruckner-Privatuniversität Linz tätig ist, zählt heute genau zu jenem Typus von KünstlerInnen, die man einen echten Freigeist nennt, erscheint es ihr selbst doch wichtiger und bedeutender, sich verwirklichen zu können, denn sich irgendwelchen musikalischen Dogmen, welcher Natur diese auch immer sein mögen, zu unterwerfen. Es sind wohl die große Neugier und der ausgeprägte Wille, immer wieder etwas Neues zu versuchen, die sie antreiben. Ein Verharren in der ewig selben Position ist bei ihr eigentlich kaum denkbar, denn hat sie erst einmal ein Projekt zu Ende gebracht, nimmt sie auch sogleich schon das nächste in Angriff.
Es gibt wohl kaum einen namhaften Protagonisten der heimischen Musikszene, mit dem die vielseitige Sängerin und Komponistin nicht schon einmal zusammengearbeitet hat. Mit Karlheinz Essl etwa verschlägt es sie in die avantgardistische Elektronik, mit Klaus Wienerroither im Duo Boa Boa in das Wienerlied und in den Pop, im Trio extra virgine versucht sie sich gemeinsam mit Nika Zach und Ingrid Oberkanins an der Verbindungvon Jazz, Folklore und Vokalkunst, im Trio mit Christoph Cech und Peter Herbert oder im Paul Gulda Ensemble widmet sie sich dem experimentellen Jazz, mit dem Plasmic Quartett der reinen Improvisation. Und das sind nur einige wenige Projekte, in denen sie im Moment wirkt. Leute mit denen sie in der Vergangenheit ebenfalls zusammengearbeitet hat, sind unter anderem Georg Breinschmid, Krzystof Dobrek, Roland Neuwirth, Franz Hautzinger und Elisabeth Harnik. Man sieht also, dass diese Künstlerin wirklich keinerlei Grenzen kennt.
Bei einer solch ausgeprägten Offenheit unterschiedlichsten stilistischen Strömungen gegenüber, bei einer solchen Experimentierfreude und Neugier ist es daher nur schwer vorherzusagen, in welche Richtungen es Agnes Heginger in der Zukunft noch so verschlagen wird. Eines kann man aber mit Gewissheit sagen, mit ihrer Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden, wird sie in Zukunft wohl noch des Öfteren überraschen.
Michael Ternai
Foto 1 Agnes Heginger: Maria Frodl
Foto 2 Agnes Heginger: Dorothea Wimmer
http://www.agnesheginger.com