Porträt: Aber das Leben lebt

Aber das Leben lebt. Was hier nach einem Bruchstück abstrakter Poesie klingt, hat schon seinen Grund. Zumindest gibt es hier in Wien vier Herren, die sich der schönen Worte auf musikalische Weise annähern. Spoken Poetry mit instrumentaler Untermalung sozusagen. Teenies können damit vermutlich nicht soviel anfangen, alle Anderen dafür umso mehr. Nicht umsonst wurde die Band vom Falter als „Wiens beste Erwachsenenpopband“ bezeichnet. Und dieses Prädikat wollen sich Aber das Leben lebt auch mit ihrem neuen Album „New Musketeers“ in Ehren halten.

Auf der bei Trost Records erschienen Platte zeigt die Formation schon wie bei den Vorgänger-Werken „Hospital Years“ und  „Perfect Teen“, dass sie mit auferlegter Heiterkeit wenig anzufangen weiß. Konventionellen Alternativ-Pop sucht man hier vergeblich und darauf wird man auch in Zukunft verzichten müssen, auch wenn sich „New Nusketeers“ von einer weitaus offenherzigeren Seite zeigt, als die beiden Alben zuvor. Das mag unter anderem daran liegen, dass die Truppe rund um Florian Emerstorfer und den beiden Brüdern  Martin Wiesbauer und Wolfgang Wiesbauer seit nicht allzu langer Zeit von Ralph Walkobinger komplettiert wird. Dieser kommt aus einer total konträren stilistischen Musikecke, mag dem ein oder anderem als Schlagzeuger der Noise-Rocker Mord bekannt sein, die weitaus brachialgewaltigeren Sound an den Tag legen als Aber das Leben lebt. Nichtsdestotrotz hat Walkobinger seinen Platz in der Band gefunden und schüttelt seitdem das bisher herb gestaltete Klanggewand ordentlich auf. Natürlich hört man weiterhin heraus, dass Aber das Leben lebt zutiefst  mit dem Americana und Blues verbunden sind und Musiker wie Bob Dylan und vor allem John Cale großen Einfluss auf die Band genommen haben. Dennoch bringt die nun integrierte Schlagzeug-Verzierung eine bisher noch nicht da gewesene Dynamik hinein, die auf „Hospital Years“ noch nicht zu finden war. Ein weiterer Grund, warum „New Musketeers“ weitaus wärmer klingt als die übrigen Werke, ist die Tatsache, dass die Musiker diesmal das Home-Recording sein haben lassen und ins Studio gegangen sind. Dorthin haben sie auch Sir Tralala eingeladen, der sie bei einigen Stücken mit Geige und Akkordeon begleitet hat.

Aber das Leben lebt – 99 by mica

Man merkt, Berührungsängste kennt die Band nicht. Weder die, sich einen Lärmbruder ins Boot zu holen noch die, mit andere Kollegen wie Marilies Jagsch, Gustav oder Bernhard Fleischmann gemeinsame Sache zu machen, als auch die, während der Live-Auftritte Songs ihres großen Idols Bob Dylan zu covern. Apropos Live-Auftritte. Auch Deutschland ist im letzten Jahr vom einzigartigen Sound des Quartetts nicht verschont geblieben. Ende 2011 ging es auf eine ausgedehnte Konzerttour, die nun im Februar ihre Fortsetzung in Köln, Mannheim und Saarbrücken findet. Gerade dann, wenn die Abende düster, der Boden vereist und sich die Bäume noch von ihrer tristen Seite zu zeigen geben, scheint die beste Saison für ebenjene Lieder zu sein, über die sich gewissermaßen ein Schleier der Schwermut legt, wo nochmal tief in Melancholie geschwelgt werden darf, bevor sich die ersten Sonnenstrahlen des Frühlings wieder zeigen.

Irgendwie logisch, dass sich die Wurzeln der Band nicht in der pulsierenden Metropole befinden, sondern in ruhigeren Gebieten dieses Landes. Dennoch lebt, arbeitet und musiziert die Band nun in Wien, kehrt der Hektik der Großstadt jedoch gekonnt den Rücken und macht der heimischen Musikszene einer neuen Erkenntnis bewusst: Dem Indiepop liegt ein enormer Facettenreichtum vor. Mal für junges Publikum, mal für ältere Semester, die im Laufe ihres Lebens eine gewisse Ernsthaftigkeit zu schätzen gelernt haben und dies auch gerne mal auf musikalische Art serviert bekommen wollen. Aber das Leben lebt hat sich diesem Klientel angenommen, präsentiert deswegen keine Songs über wilde Partyexszesse oder ersten Liebesschmerz, sondern jene über aufkommende Selbstzweifel und den Verlust der Jugend.

„Is this really what I wanted? The party is over, has been over for years…“ heißt es so schön in einer Textzeile des Songs „Gods“. Für viele ist die Party noch nicht zu Ende, sondern wird bloß auf eine neue Ebene gebracht, eine, die sich durch mehr Tiefsinn und Anspruch auszeichnet. Das nächste  Konzert fürs reife Publikum wird am 19. März in der gediegenen Atmosphäre des Stadtsaals über die Bühne gehen. Eben dort, wo die Musik von Aber das Leben lebt im sogenannten „Velvet Underground“ eines ehemaligen Hotels besonders hervorragend zur Geltung kommt. Wo wir dann auch wieder bei  John Cale wären. (bw)

Termine:

09.02.2012: Kulturcafe Lichtung, Köln (D)
10.02.2012: O-Ton Club, Mannheim (D)
11.02.2012: Schwerpunkt Glück, Schwäbisch Hall (D)
19.03.2012: Stadtsaal, Wien / Kreisky
05.05.2012: Staatstheater/Sparte 4, Saarbrücken (D)

Foto: Klaus Pichler

Video directed by Sigmund Steiner

 

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