POPFEST WIEN SESSIONS: Talking bout my Generation

Der Thementag „Austropop“ mit zwei Vater-Sohn-Konstellationen: SEBASTIAN und HERBERT JANATA (JA, PANIK, WORRIED MAN & WORRIED BOY, WORRIED MAN SKIFFLE GROUP) sowie HANIBAL und WILFRIED SCHEUTZ (5/8ERL IN EHR‘N, WILFRIED, EAV).

Herbert und Sebastian Janata: Vater Herbert Janata war 54 Jahre lang Kopf des Austropop-Urgesteins Worried Men Skiffle Group („Glaubst i bin bled“). Sohn Sebastian ist Schlagzeuger bei Ja, Panik. Gemeinsam haben sie unter dem Namen Worried Man & Worried Boy ein viel beachtetes Album veröffentlicht – eine Rückbesinnung auf alte Skiffle-Titel und gleichzeitig ein Familienprojekt.

Wilfried Scheutz, Austropop-Legende, und Hanibal Scheutz, Bassist bei den 5/8erl in Ehr‘n. Die beiden machen nicht nur jeder für sich Musik, sondern haben auch schon gemeinsam am letzten Wilfried-Album gearbeitet.

Das Gespräch wurde von Stefan Trischler moderiert.

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Herbert Janata, wie war es um den Stellenwert der Musik bestellt, wenn man in der Besatzungszeit aufwuchs?

Herbert Janata: Eigentlich hat mich das Singen in der Familie geprägt. Das war das Wichtigste. Mit den paar Griffen, die man bei den Pfadfindern gelernt hat, ging es dann mit der Worried Man Skiffled Group los. An eine Karriere haben wir anfangs gar nicht gedacht. Mit zehn, zwölf Jahren hab ich schon New-Orleans-Jazz gehört und war vom Banjo fasziniert. Über das Banjo kam ich zum Jazz, dann begann ich mit Skiffle. Gitarre hab ich am Lagerfeuer gelernt, und mir zum Autostoppen eine Ukulele zugelegt.

Hörte man damals Blue Danube Radio?

Herbert Janata: Weniger Radio, sondern viel Livemusik und die Platten, die mein Bruder aus Schweden und Frankreich mitbrachte.

Wilfried Scheutz, Sie sind in Goisern und Gmunden aufgewachsen. Wie war das –  musikalisch gesehen?

Wilfried Scheutz: Der Beginn war im Gasthaus meiner Mutter, einem Landwirtshaus, in dem viel musiziert wurde. Parallel dazu haben wir uns mit dem auseinandergesetzt, was aus dem Radio kam. Das waren damals Sachen von Vico Torriani und Caterina Valente.
Einmal in der Woche haben im Wirtshaus die Tanzgeiger gespielt. Eine meine ersten Erinnerungen waren die Vibrationen, die ich – den Fuß auf dem Stuhl – spürte, wenn der Bassgitarrist die Saiten zupfte. Das hat mich schwer fasziniert. Und dann kam der erste Plattenspieler mit einer Scheibe von Little Richard ins Spiel – und das hat mich aus den Socken gehauen und bis heute meinen Stil bestimmt. Ich war ja auch Zeit meines Lebens ein Schreier, das heißt: Singen hat bei mir immer mit Kraft zu tun gehabt.
Im zarten Teenageralter hab ich dann begonnen, erste Songs zu schreiben – immer eine Kombination aus Salzkammergutmusik und Rock ’n‘ Roll. Und dieses Interesse für die Vermengung verschiedener Stile ist mir auch bis heute geblieben, die reine Lehre war nie meines.
Der Hanibal ist ja durch mich und meine Hörgewohnheiten geprägt worden. Deshalb war er mit allem viel früher dran. Während ich mit zehn das erste Mal draufgekommen bin, dass Moll eine Variante von Dur ist, hat Hanibal hat schon im zarten Alter von fünf Jahren Jazzkadenzen gesungen.

Hanibal Scheutz: Ja, ja, sagt der Vater (lacht).

Sie sind dann aber in die Grazer Musikszene gewechselt …

Wilfried Scheutz: Mit 14 hab ich eine Tanzband gegründet. Und in Graz hab ich begonnen, richtigen Rock ‘n‘ Roll zu spielen.

Sie haben auch auf der ersten EAV-Platte mitgesungen, oder?

Wilfried Scheutz: Ja, aber das war sehr viel später. Die später so erfolgreichen Bands EAV und STS sind ja aus unseren Partner-Bands hervorgegangen: Mephisto und Music Machine. Ich hab damals sehr schlecht, aber doch Bass gespielt. Unfassbar schlecht aus heutiger Sicht. Und relativ bald hab ich eigene Songs gespielt. Daraus wurde in weiterer Folge die Figur Wilfried.

Und das österreichische Idiom hat sich aufgedrängt?

Wilfried Scheutz: Gstanzln waren für mich immer schon eine große Kunstform. Die sind ja deshalb so gut, weil sie über Jahrhunderte geschliffen wurden.

Herbert Janata, dass man die Sprache, die man selbst spricht, mit der Musik, die man hört, kombiniert, lag das auch bei Ihnen auf der Hand?

Herbert Janata:
Nein, das kam von außen. Wolfgang Kos, damals Mitarbeiter in der Jugendredaktion von Ö3, hat mich gefragt, ob ich nicht einmal ein Gedicht von Konrad Baier singen wolle. Primär war es also das Anliegen eines Journalisten. Ein glücklicher Zufall also, das hat man von außen an uns herangetragen und es wurde zu einem großen Erfolg. Wir haben „Glaubst i bin bled“ in einer Show gespielt. Am Tag danach hatten wir fünf Schallplattenangebote

Wilfried Scheutz, viele sagen, dass das der Anfang dessen war, was man heute „Austropop“ nennt. Haben Sie das damals mitbekommen?


Wilfried Scheutz:
Ja, und ich habe es großartig gefunden. Das war Wiener Häuslschmäh, aber in einer Kunstvariante. Hat mir sehr imponiert. Mir persönlich hat es damals, als ich auf Dialekt zu singen begann, wahnsinnigen Spaß gemacht, dass die Leute im Publikum verstanden, was ich sang. Die eigene Sprache dazu zu kriegen, hat mich künstlerisch woandershin befördert. Ich hatte das Gefühl, dass ich auf einmal wusste, was ich tat.
Ich war ja damals Sänger einer Hardrockband namens Hide & Seek, hab aber daneben meine eigenen Songs geschrieben. Die waren der Band zu liedermacherisch, wie auch immer. Da hab ich es einfach allein probiert. Der Rest ist Geschichte. Aber durch „Ziwui Ziwui“ hab ich auch gemerkt, was Stimmungsmusik machen kann. Jahrelang konnte ich mein Lied quer durch ganz Österreich nachts grölen hören. Deshalb hab ich danach auch ein Jazzrockalbum gemacht, englischsprachig.

Das heißt, Sie haben sich verweigert?

Wilfried Scheutz: Ja.

Herbert Janata, hat man die Aufbruchstimmung gespürt?

Herbert Janata: Ja, gewaltig. Auf Ö3, in der Presse, überall man hat sich gegenseitig aufgeschaukelt. Wir saßen in der Kantine des RadioKulturhauses herum und ein Gig nach dem anderen hat sich ergeben. Das kann man nicht mit der heutigen Situation vergleichen.

Wilfried Scheutz:
Ich hab ja beschlossen, heute nicht zu jammern, aber der jetzige Boom gehört unbedingt ins Radio. Warum das nicht passiert, verstehe ich nicht.  Ich sehe es so: Unterstützung ist das Gelbe vom Ei. 5/8erl in Ehr‘n sind so ausverkauft wie ich in meiner Spitzenzeit und gehen trotzdem nicht in die Breite. Und mit Breite meine ich, dass es so stattfindet, dass mir die Billa-Kassiererin die neuen Bilderbuch oder 5/8erl in Ehr‘n empfiehlt.

Sebastian Janata, wie kann man sich das Aufwachsen als Sohn von Herbert Janata vorstellen? War das klischeehaft?

Sebastian Janata: Mein erster Kontakt mit der Welt des Rock ‘n‘ Roll war, auf Konzerten meines Vaters dabei zu sein. Es war weniger die Musik, sondern mehr das, was da visuell passierte. Der Funke wurde gezündet, ohne zu wissen, was das eigentlich ist. Musikalisch waren es dann aber eher die Beatles als der Dixieland Jazz, den mein Vater sonst so hörte.

Hanibal Scheutz:
Ich kann mich erinnern, dass wir ein Riesenregal mit Schallplatten hatten, das mein Vater irgendwann aus Geldgründen verscherbelt hat. Schade eigentlich, denn da wären wir heute mit dem Vinyl-Hype ganz vorne dabei. Und aus diesem Regal hab ich mir dann etliches rausgezogen, den Flash-Gordon-Soundtrack von Queen etwa. Der hatte so ein quietschgelbes Cover. Das fand ich klasse. Später spielte ich in einer Green-Day-Coverband namens Blue Week. Ich hab mich dann ganz schnell zum Hardcore entwickelt. Das hat der Papa weniger nachvollziehen können. In dem bin ich eine Zeit lang unheimlich aufgegangen. Zeitgleich hab ich aber auch begonnen, R. Kelly und solche Dinge zu hören. Dass es keine Grenzen gibt, hab ich anscheinend vom Vater übernommen.

Sebastian Janata, haben Sie sich denn auch manchmal unverstanden gefühlt?

Sebastian Janata: Ja, mein Vater hat alles, was Gitarre verzerrt hat, abgelehnt. Verzerrte Gitarren waren lange ein No-Go in unserer Familie.

Und gab es dann Unterstützung oder eher eine gut gemeinte Warnung, als Sie sich entschieden haben, Musik zu machen?


Sebastian Janata:
Große Unterstützung. Zum elften Geburtstag hab ich ein Schlagzeug geschenkt bekommen. Im Zimmer daneben hat mein Vater gearbeitet, zum Beispiel die Steuererklärung gemacht (lacht). Größere Unterstützung kann man sich wohl kaum vorstellen.

Wilfried Scheutz (über seinen Sohn): Er hat in der Volksschule Gitarrenunterricht bekommen. Klassisch, streng. Er ging nur ein Jahr lang hin und nachdem er dann noch keine einzige Harmonie spielen konnte, sagte er: „Weißt du was, ich hör wieder auf.“ Da war ich wahnsinnig enttäuscht, weil ich ja merkte, wie musikalisch er war. Klaus Kofler, der mit mir gemeinsam sang, hat ihm dann bei einer Silvesterfeier die Gitarre in die Hand gedrückt und hat ihm in einer Nacht gleich drei Lieder beigebracht. Man muss die Jugend halt auch dort abholen, wo sie ist.

Hanibal Scheutz: Das mit dem Jazz kam erst später. Ich hab eine Zeit lang alle möglichen Jobs gemacht, die man so machen kann. Irgendwann war ich mit meiner Mutter unterwegs, da hat sie gesagt: „Wenn du morgen nicht auf die Musikuni gehst und dich anmeldest, setzt es etwas.“ Weil ich die Aufnahmeprüfung nicht bestanden hab, bin ich aber schließlich auf ein Privatkonservatorium gegangen, hab Schlagzeug und Gitarre studiert, nach zwei Jahren abgebrochen, bin auf Kontrabass umgestiegen und habe mit den 5/8erl in Ehr‘n angefangen. Der Rest ist Geschichte.

Sebastian Janata, wie war das bei Ihnen?

Sebastian Janata: Meine Freunde von Ja, Panik hab ich schon aus dem burgendländischen Nightlife gekannt. Die haben mich dann an der Bar gefragt. Der Rest ist Geschichte.

Und wie kam es zur Idee zu Worried Man & Worried Boy?

Sebastian Janata
: Mit zunehmendem Alter hab ich die Jazzplatten meines Vaters gehört – Django Reinhard zum Beispiel – und mir gedacht, dass das unheimlichen Spaß gemacht haben muss, so zu spielen. Aber das Können dafür reichte natürlich nicht. Und wenn man gerne Jazz spielen möchte und nicht gut genug ist, ist Skiffle perfekt.

Herbert Janata
(lacht): Kann ich bestätigen.

Auf dem Album sind aber auch Songs drauf, die noch nicht erschienen sind …

Herbert Janata: Ja. Das sind zum Teil Lieder, die ich mit Nebenformationen eingespielt habe. Aber wir haben auch ein paar neue Sachen. Wir hatten wenig Zeit.
Ich war Pensionist und froh, im Garten die Erdäpfel gießen zu können, da kam mein Sohn mit dieser Idee daher. Mit dem fertigen Konzept sind wir dann in die Cselleymühle, um analog aufzunehmen wie in den alten Tagen. Ja, und jetzt: Sebastian traut sich immer mehr zu singen. Das Publikum will den jungen Janata und nicht den alten.

Wilfried und Hanibal Scheutz, haben Sie auch schon zusammengearbeitet?

Wilfried Scheutz: Das kann man so sagen. Er hat mein jüngeres Leben verändert. Irgendwann hat er zu mir gesagt: „Du, Papa, deine Band ist ja okay, aber auch ein wenig stehen geblieben.“ Und hat mir eine neue Band verpasst. Das hat mein Leben grundlegend verändert. Mit Leuten zu spielen, die halb so alt sind wie du selbst, impft dir Energie ein. Das heißt, wir arbeiten intensiv zusammen. Und manchmal kommt er ja auch mit Themen, die nichts mit mir zu tun haben.

Hanibal Scheutz:
Mir war wichtig, ihm eine neue Band hinzustellen. Da geht jemand auf die Bühne und frisst den Raum. Aber die Band dahinter ist mau. Sein letztes Album ist wirklich sehr schön geworden, ist zwar auch nicht in die Breite gegangen, war uns aber wurscht.

Und ist etwas Neues in Planung?

Wilfried Scheutz: Ja. Ich schreibe wie ein Karnickel. Und es macht mir unheimlich Spaß.

Markus Deisenberger

Fotos Popfest Sessions: Simon Brugner

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