PLENUM – Die lebende Orgel

Das Repertoire von PLENUM umschließt Werke der Alten Musik, zeitgenössische Kompositionen sowie eigene im Kollektiv entwickelte Stücke. So vielseitig wie das Ensemble agiert, sind schließlich auch die MusikerInnen: Angélica Castelló, Gobi Drab, Katrin Hauk, Thomas List, Steffi Neuhuber, Maja Osojnik, Reni Weichselbaum. Die Mitglieder des Ensembles PLENUM eint eine große Offenheit und Neugierde, Unbekanntes auszuprobieren.

Seit 2012 agieren sie, neben dem Schaffen in weiteren Formationen wie beispielsweise dem Ensemble MIKADO (List, Osojnik, u.a.), snim – spontanes netzwerk für improvisierte musik (Drab, Hauk, Neuhuber, Weichselbaum u.a.) oder dem in der experimentellen Musik angesiedelten Low Frequency Orchestra (Castelló,Osojnik, u.a.) als Ensemble PLENUM. Die initiale Idee sich zu einem Ensemble aus professionellen und passionierten Paetzold-SpielerInnen zusammen zu schließen, kam von Angélica Castelló, erinnern sich die sieben MusikerInnen. Die siebenköpfige Besetzung blickt seither u. a. auf Konzerte bei Imago Dei, Neue Musik in St. Ruprecht zurück, weitere Programme folgen unter anderem in Aschaffenburg im Herbst 2014.

Sieben Paetzold Bassblockflöten – von der Basset- bis zur Subkontrabassblockflöte – zu einem homogenen Klangbild zu vereinen, verlangt viel Probenarbeit im Ensemble. „Jedes Stück verlangt nach einer eigenen Klangwelt. Die müssen wir als Ensemble erspüren und hörbar machen, was für jedes Werk und jede Person im Ensemble ein sehr individueller Prozess ist, aber immer gemeinsam, im Kollektiv stattfindet.“

PLENUM spielt immer verstärkt: “Somit werden auch andere Klänge wie Luft- oder Klappengeräusche verstärkt, die wir für Neue Musik und freie Improvisationen benötigen.” Das Ensemble ist stets neugierig auf verschiedene Publikums- und Raumsituationen: kleine Gürtelbogenlokale, intime Konzerträume, eine Kirche oder ein großer Konzertsaal. Wichtig ist, dass die Akustik nicht zu trocken ist und Alfred Reiter in der Klangregie: „Er schafft es, uns jeden Raum perfekt abzunehmen und abzumischen.“

Gerade in der Renaissance-Polyphonie, in der jedes Motiv in jeder Stimme verarbeitet wird, sei es eine der größten Herausforderungen, dem Werk mit Artikulation und Phrasierung zur größtmöglichen Klarheit zu verhelfen. Und wie oft im Leben gibt es nicht nur eine einzige schlüssige Lösung und somit auch stets genügend Diskussionsstoff für die Mitglieder des Ensembles. Somit ist das Annähern an die Klangwelt eines jeden Werkes im monoinstrumentalen Ensemble ein individueller Prozess, der gemeinsam ausgehandelt wird: “Die Instrumente sind heikel, was die Intonation betrifft. Man muss sich Gedanken über gemeinsame Klangvorstellungen machen – wie man anbläst, artikuliert und phrasiert, damit man zu einem befriedigenden Resultat kommt.”

Wenn man sich als BlockflötistIn für Neue Musik interessiert, gehören Paetzold-Bassblockflöten mittlerweile zum Teil des Repertoires. Der Gedanke, diese Paetzold-Bassblockflöten mit ihren fünf verschiedenen Größen als ein Consort zu verwenden und damit auch Alte Musik zu spielen, lag nahe und war für das Ensemble ein logischer Schritt. Die Arbeitsmethoden unterscheiden sich dabei in der Herangehensweise an Kompositionen aus unterschiedlichen Zeitaltern: „Es ist sehr interessant für uns, zu sehen, welche Bilder bei der Alten Musik und neuen Kompositionen entstehen. Gerade für Neue Musik ist die Herangehensweise auch eine andere, da wir mit den KomponistInnen, die für uns Stücke schreiben, Rücksprache halten können – was bei der Alten Musik natürlich nicht möglich ist. Wir würden aber sehr gerne mit William Byrd auf einen Kaffee gehen.“ Gut möglich, dass der katholische Kirchenkomponist und Organist, der zu William Shakespeares Zeiten zu einem der Bedeutendsten zählte, und dessen Vokal- und Instrumentalwerke zu den bestdokumentierten des 16. Jahrhunderts gehören, das viereckige Instrumentarium der PLENUM-MusikerInnen kompositorisch sehr anregend finden würde – mit oder ohne Wiener Kaffee.

Die Arbeitsroutine bei PLENUM besteht auch darin, vom großen Ganzen ins kleinste Detail und wieder zurück ins Große zu denken und zu fragen, was ein Stück auf den ersten, den zweiten oder den dritten Blick von sich zeigt. Es gilt, kollektiv herauszufinden, was den Kern der Komposition bildet, was die Hauptstimmung und welches das Leitmotiv ist. Die Ästhetik und Ziele der Gruppe lassen sich dem Vernehmen nach gut verbinden und die einzelnen Mitglieder schätzen sich glücklich, in dieser vielseitigen Formation ihren Hunger auf neue Projekte zu stillen. Programmiert werden diese gemeinsam, die unterschiedlichen organisatorischen Aufgaben dann arbeitsteilig aufgeteilt. Der Wunsch nach einem „Alle für Alles“ des Ensembles wird praktiziert: „Wir rennen gemeinsam den olympischen Fackellauf. Es gibt aber für jedes Projekt jemanden, der die Fackel anzündet.“

Was verrät uns der gewählte Name des Ensembles? „Organum Plenum ist der volle Registerklang einer Orgel. Da die Paetzold-Bassblockflöte ein Hybrid zwischen Orgelpfeife und Blockflöte ist, ist das Ensemble sozusagen eine lebende Orgel. „Die Musik ist vergleichsweise das Argumentationsthema, das wir sieben gemeinsam verhandeln, solange, bis wir zu einer für alle sinnvollen Lösung kommen.“ Mit der mathematischen Mengenlehre ließe sich folgender Vergleich anstellen: „ Wenn man unsere Band mathematisch mit Mengen darstellen würde, wäre unsere Schnittmenge, die Menge der Elemente, die in jeder Elementmenge enthalten ist, sehr groß. Gleichzeitig sind aber die Elemente, die uns von einander unterscheiden genau diejenigen, die uns gegenseitig inspirieren.“

Angesprochen auf die generelle Wertschätzung von professionellen MusikerInnen in dieser speziellen Nische meinen sie unisono: „Musik ist heutzutage über den freien Download im Netz beliebig verfügbar geworden, was natürlich für die Verbreitung der eigenen Musik gut ist, zugleich aber eine Entwertung des musikalischen Produkts mit sich bringt. Es machen sich immer weniger Menschen Gedanken, wo die Musik eigentlich herkommt und es scheint immer schwieriger zu werden, einem Publikum bewusst zu machen, dass hinter der Arbeit wirklich viele Menschen stehen. Die schönsten Momente sind dann eindeutige diese, wenn nach einem Konzert Personen aus dem Publikum sich persönlich bei uns für das Konzerterlebnis bedanken.“
Das führt zur Frage, was sich das Ensemble eigentlich von seinem Publikum erwartet. „Offene Ohren. Neugier. Zeit. In gewisser Weise auch ein Sich-uns-Schenken, um dann von uns beschenkt zu werden. Letztendlich sind Konzerte ja auch Orte zum Nachdenken und Orte, an denen man selbst wieder Inspiration für den Alltag schöpfen kann.“ Aus der letzten Frage nach drei Werten, die PLENUM seinem Publikum vermitteln will, werden dann in der Aufzählung vier, was nur zu gut verdeutlicht, dass sich die BlockflötistInnen nicht einschränken lassen möchten: „Erstens: Alte und Neue Musik haben mehr miteinander zu tun als man glaubt. Zweitens: Leidenschaft und Hingabe. Drittens: Fragen stellen und kritisch denken. Viertens: Offenheit.“

Michael Franz Woels und Ruth Ranacher

Foto: Maria Frodl

Termine:
open music presents
Freitag, 11. September 2015, 20.00 / 21.00 / 22.00
Einlass ab 19.30 / 20.40 / 21.40; während der Konzerte kein Einlass; Konzertdauer jeweils 36 Minuten
Haus der Architektur, Mariahilferstraße 2, 8020 Graz
PLENUM
Angélica Castelló, Gobi Drab, Katrin Hauk, Thomas List, Steffi Neuhuber, Reni Weichselbaum: Paetzold Bassblockflöten / Alfred Reiter: Klangregie
Programm: PLENUM: 6-12-36 (UA, 2015)

http://plenum.klingt.org/